Social-Media-Star Hashem Al-Ghaili: „Ich liebe es, den Menschen Wissen zu vermitteln“
Bastian Bullwinkel, Universum Science Center
Auch in der analogen Welt auf der Suche nach Entdeckungen: Hashem Al-Ghaili
Auf Facebook und Youtube erklärt Hashem Al-Ghaili in Videos mit englischen Untertiteln neue Forschungsergebnisse und Erfindungen. Sieben Millionen Fans folgen dem DAAD-Alumnus und versierten Wissenschaftsvermittler. Doch wäre es nach seinen Eltern gegangen, wäre der 26-Jährige heute Landwirt im Jemen. Ein Gespräch über den Erfolg seiner Wissenschaftsvideos im Netz.
Herr Al-Ghaili, Sie sind im Jemen geboren. Ihr Vater wollte, dass Sie wie er Landwirt werden. Nun sind Sie Biotechnologe und Facebook-Star. Wie haben Sie das erreicht?
Hashem Al-Ghaili: Schon als Kind habe ich mich für Naturwissenschaften interessiert und wissenschaftliche Bücher gelesen. Ich liebe Wissenschaft. Doch ich habe auch auf der Farm meiner Familie mitgearbeitet. In der Gesellschaft im Jemen ist eigentlich alles im Leben bereits vorherbestimmt und es ist sehr schwierig, seinen eigenen Weg zu gehen. Aber ich musste für mich selbst entscheiden, was ich tue. Das jemenitische Hochschulministerium hatte mir ein Stipendium für ein Biotechnologie-Studium in Pakistan angeboten. Ich bestand darauf, in Pakistan zu studieren, weil ich meiner Karriere einen Schub geben wollte. Inzwischen haben es meine Eltern akzeptiert und sie sind stolz auf mich.
Manche Ihrer Videos haben eine große Wirkung. Einer Ihrer populärsten Clips stellt den sogenannten „Hippo Water Roller“ vor – einen rollenden Wassertank, mit dem Menschen in Afrika leichter Trinkwasser transportieren können.
Ich fand das Konzept des Hippo Water Roller toll. Er hilft vielen Menschen. Ich dachte, dass mehr Menschen ihn kennen müssten – es gibt ihn schon seit mehr als 25 Jahren. Also habe ich ein Video erstellt und dafür Filmmaterial der Wohltätigkeitsorganisation genutzt, die den Roller baut und an Menschen in Entwicklungsländern verteilt. Der Film wurde 40 Millionen Mal angesehen. Dann berichteten Medien darüber und viele Menschen spendeten Geld, damit mehr Hippo Water Roller gebaut werden. So haben viele Menschen einen besseren Zugang zu Trinkwasser erhalten. Das war ein großartiges Ergebnis. Die Wohltätigkeitsorganisation bedankte sich bei mir. Aber ich habe das Video nicht wegen der Wirkung gemacht, sondern weil ich es liebe, Wissenschaft und Technik zu erklären.
Im Dezember 2015 hatten Sie etwa 64.000 Fans bei Facebook. Dann stieg die Zahl rasant an – und nun haben Sie schon sieben Millionen Fans. Wie war das möglich?
Facebook ändert seine Seite ständig und man muss flexibel auf diese Änderungen reagieren. Facebook änderte damals den Stellenwert von Videos auf der Plattform. Ich habe darauf reagiert und Wert auf gute Bilder gelegt. Ich erstelle sehr kurze Videos mit einer Länge von weniger als eineinhalb Minuten und verwende eine sehr einfache Sprache. Und da ich meine Geschichte mit den Videoaufnahmen visuell erzähle, bekommt man auch eine Vorstellung, falls man die englischen Untertitel nicht versteht. Wenn die Nutzer die Videos häufig teilen, gewinnt man schnell viele neue Fans dazu. Außerdem achte ich darauf, in meinen Videos wirklich gute Musik zu verwenden. Ich habe schon mehr als tausend Euro in Musik-Lizenzen investiert. Aber das lohnt sich, weil ich meine Arbeit liebe und den Menschen Wissen vermitteln kann. Inzwischen bieten mir manche Musiker ihre Musik kostenlos an.
Von 2013 bis 2015 hatten Sie für Ihr Masterstudium der Molekularen Biotechnologie an der Jacobs University in Bremen ein Stipendium des DAAD. Wie hat das Ihren Weg beeinflusst?
Das Studium in Bremen war äußerst wichtig, weil es mir viele neue Möglichkeiten geboten hat. Das Bachelorstudium in Pakistan war gut, aber es war sehr theoretisch. Ich habe dort keine Erfahrung im Labor gesammelt. In Deutschland konnte ich im Labor arbeiten und moderne Technik nutzen. Sehr wichtig war auch, dass ich an der Universität gelernt habe, wie man Wissenschaft kommuniziert. Das hat mir geholfen, bei Facebook mehr Menschen zu erreichen.
An welchem Projekt arbeiten Sie zurzeit?
Vor Kurzem habe ich mit Live-Videos begonnen. Ich bereite Präsentationen über ein Thema vor und stelle sie bei Facebook vor. Es ist großartig, 9.000 Menschen live mit einem Vortrag zu erreichen.
Sie hatten im vergangenen Jahr ein Crowdfunding-Projekt angekündigt. Wie weit sind Sie damit?
Ja, mein nächstes Ziel sind längere Dokumentationen. Dafür suche ich zurzeit ein Unternehmen, das zusammen mit mir eine fünfminütige Dokumentation produziert. Mit diesem Film möchte ich die Zuschauer neugierig machen und eine Crowdfunding-Kampagne für längere Dokumentationen starten. Das Thema soll „unmögliche Wissenschaft“ sein – Dinge, die die Wissenschaft tun kann, die den Bürgern aber noch unbekannt sind. Zum Beispiel ein Weltraumlift, der Raketen von der Erde in den Weltraum befördern kann. Ich will dafür nicht vorhandenes Videomaterial nutzen, sondern von Grund auf neue Videos produzieren und neue Animationen entwerfen.
Interview: Andreas Maisch (25. Januar 2017)