SDG-Graduiertenkollegs: Arzneien aus Afrika
Norbert Sewald
An der offiziellen Eröffnung der Yaoundé-Bielefeld Bilateral Graduate School "Natural Products with Antiparasite and Antibacterial Activity" (YaBiNaPA) nahmen unter anderen Botschafter Hans-Dieter Stell und die Prorektoren für Forschung und Lehre der Université de Yaoundé 1, Emmanuel Tonye und Daniel Abwa, teil (1. Reihe, 3., 2. u. 4. v. l.)
Ein deutsch-kamerunisches Graduiertenkolleg bringt die Entwicklung von Medikamenten auf natürlicher Basis voran. „YaBiNaPA“ ist ein Projekt des neuen DAAD-Programms für bilaterale Graduiertenkollegs, das sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen orientiert.
Kamerun kommt nicht jeder deutschen Hochschulleitung in den Sinn, wenn es um die Internationalisierung geht. An der Universität Bielefeld ist man da aber schon einen Schritt weiter. Die Hochschule baut mit der Université de Yaoundé 1, mit rund 50.000 Studierenden größte Hochschule des afrikanischen Landes und unter den Top 30 der afrikanischen Universitäten, ein Graduiertenkolleg auf. „Wir wollen in der afrikanischen Heilkunde genutzte Pflanzen gemeinsam erforschen, die insbesondere zur Behandlung parasitärer Erkrankungen wie etwa Malaria und bakterieller Infektionskrankheiten eingesetzt werden“, sagt Norbert Sewald, Chemieprofessor an der Universität Bielefeld. Er koordiniert von deutscher Seite aus die Yaoundé-Bielefeld Bilateral Graduate School „Natural Products with Antiparasite and Antibacterial Activity“ (YaBiNaPA), die Mitte Februar in Yaoundé im Beisein hochrangiger Hochschulvertreter und des deutschen Botschafters mit einem Kick-off-Meeting eröffnet wurde.
Norbert Sewald
Norbert Sewald (4. v. l.) und Bruno Ndjakou Lenta (1. v. r.), der kamerunische YaBiNaPA-Koordinator, mit Alumni der Universität Bielefeld und Partnern des Graduiertenkollegs
In tropischen Ländern wie Kamerun sind bakterielle und parasitäre Erkrankungen ein großes Problem. Beispiel Malaria: Das Auswärtige Amt zählt Kamerun zu den Staaten mit einem ganzjährig hohen Malaria-Risiko. Übertragen wird die Krankheit durch den Stich der Anopheles-Mücke. Unbehandelt verläuft insbesondere die Malaria tropica häufig tödlich. „Die Gefahr von Malaria ist in Kamerun ein sehr großes gesellschaftliches Thema“, sagt Sewald. Helfen könnten dagegen Wirkstoffe aus Heilpflanzen und Naturstoffen, die die Forscher an dem neuen Graduiertenkolleg analysieren und weiterentwickeln wollen.
Ein neues Netzwerk
Nun ist es nicht so, dass die Forschung vor Ort bei null anfängt: Schon länger weiß man aus der traditionellen chinesischen Medizin, dass sich aus der Beifuß-Pflanze der Wirkstoff Artemisinin extrahieren lässt, der gegen Malaria eingesetzt wird. „Afrika hat ein unheimlich großes Potenzial an Naturstoffen aus Pflanzen und Mikroorganismen, allerdings konnte trotz lokaler Forschung noch keine breit zugängliche Medizin entwickelt werden“, konstatiert Norbert Sewald. Was fehle, sei ein Netzwerk, um die Forschungserfahrungen zu bündeln und zu kombinieren.
Dieses Manko möchte nun das deutsch-kamerunische Graduiertenkolleg beheben. Mit mehr als 2,1 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert der DAAD bis 2020 die neue Kooperation. Sie ist Teil des Programms „Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs“, mit dem der DAAD den Aufbau von mehreren Graduiertenkollegs in Entwicklungsländern unterstützt. Das Programm soll helfen, die von den Vereinten Nationen definierten „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ („Sustainable Development Goals“, SDG) umzusetzen – etwa den Aufbau von Bildungsstrukturen oder die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen.
Norbert Sewald
Zukunftshoffnungen: sechs der 20 neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten des Graduiertenkollegs
„Der DAAD hat dieses Projekt zur Wirkung traditioneller Heilpflanzen ausgewählt, damit in diesem für Kamerun sehr wichtigen Bereich Masterstudierende und Doktoranden vor Ort ausgebildet werden“, sagt Stefan Bienefeld, Bereichsleiter für Entwicklungszusammenarbeit und überregionale Programme im DAAD. Dies setze das Graduiertenkolleg vorbildlich um. Viele der kamerunischen Wissenschaftler, die an YaBiNaPA beteiligt sind, waren bereits in den vergangenen Jahren als Postdoc, Doktorand oder Doktorandin oder als Studierende in Norbert Sewalds Arbeitsgruppe an der Bielefelder Universität zu Gast. Anschließend sind sie nach Kamerun zurückgekehrt, um weiter zu forschen und selbst Doktoranden auszubilden – für Stefan Bienefeld ein Paradebeispiel gelungener Internationalisierung: „Nach einer hochwertigen Ausbildung in Deutschland gehen die Wissenschaftler in ihr Heimatland zurück und geben dort ihr wertvolles Wissen weiter.“
Graduiertenkolleg mit vielen Vorteilen
An dem Graduiertenkolleg in Yaoundé werden nun 20 Doktoranden ausgebildet, zumeist Chemiker, Pharmazeuten, Biologen und Biochemiker. Einer von ihnen ist Argan Kelly Wonkam, der an der Université de Dschang im Westen Kameruns seinen Master gemacht hat. Seit Anfang 2017 promoviert der Chemiker am Graduiertenkolleg und analysiert chemische und antiparasitische Reaktionen zweier Pflanzenarten aus der Familie der Rötegewächse. Für ihn bringt die Graduiertenschule viele Vorteile. „Mir stehen gut ausgestattete Labore zur Verfügung, ich habe Zugang zu wissenschaftlichen Datenbanken und kann interdisziplinär forschen“, sagt er.
Dabei hilft auch ein Flüssigkeitschromatograph mit einer Massenspektrometrie-Kopplung, den die Einrichtung dank der DAAD-Förderung anschaffen konnte. Die Apparatur soll es ermöglichen, unbekannte Wirksubstanzen in den Pflanzenextrakten zu identifizieren. Auch organisiert das Graduiertenkolleg künftig Schulungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, lädt zu Workshops internationaler Experten ein, bietet Seminare an, hilft Doktoranden bei der Karriereplanung und baut eine Kommunikationsplattform zum Thema Forschung zu Naturprodukten auf, die eine Brücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit schlagen soll.
Den Forscheralltag an der YaBiNaPA organisiert Professor Bruno Ndjakou Lenta vom Fachbereich Chemie an der École Normale Supérieure der Université de Yaoundé 1. „Die Universität Bielefeld hat eine Graduiertenschule für Chemie und Biochemie, die hervorragend funktioniert“, sagt der kamerunische YaBiNaPA-Koordinator. Lernen könne man von diesem Vorbild etwa, wie man die Doktorandenausbildung organisiere, Forschung manage oder wie es gelinge, Netzwerke zu anderen Wissenschaftlern und Graduiertenschulen zu knüpfen. Lenta forschte bereits mehrere Male als Stipendiat in Norbert Sewalds Bielefelder Arbeitsgruppe – man kennt, schätzt und vertraut sich. Sewald betont: „Die Wissenschaftler, mit denen wir vor Ort in Yaoundé zusammenarbeiten, haben einen sehr guten wissenschaftlichen Background, kennen sich bestens mit Labormethoden aus und publizieren sehr viel.“ Sewald selbst plant einmal pro Jahr nach Yaoundé zu kommen. „Die Graduiertenschule hebt die langjährige Kooperation, die wir mit Wissenschaftlern in Kamerun haben, auf ein neues Niveau“, sagt der Chemiker. Ihn freue es, etwas Neues auf die Beine stellen zu können, was den Menschen vor Ort helfe und die Forschung vorantreibe.
Benjamin Haerdle (7. März 2017)