Oscars und Berlinale-Bären: Preisregen für ehemalige Gäste des Berliner Künstlerprogramms des DAAD
Krzysztof Zielinski
Oscar-Gewinner Asghar Farhadi: konsequent und integer
Der iranische Regisseur Asghar Farhadi hat 2017 bereits zum zweiten Mal den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhalten. Kurz zuvor hatte die Berlinale-Jury zwei weitere ehemalige Gäste des Berliner Künstlerprogramms des DAAD ausgezeichnet: Ildikó Enyedi mit dem Goldenen Bären für den besten Film und Sebastián Lelio mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Katharina Narbutovič, Leiterin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD und zudem zuständig für dessen Film-Sparte, hebt hervor: „Was alle drei Preisträger verbindet, ist, dass sie in unserer geschäftig-profitorientierten, von zunehmender Uniformität geprägten Welt von heute Figuren ins Zentrum rücken, die verletzlich sind und Blessuren tragen, oder die mit Einsamkeit und massiver Ausgrenzung zu kämpfen haben wie beispielsweise Sebastián Lelios anrührende Transgender-Heldin. Alle drei ausgezeichneten Filme sind ein nachdrückliches Plädoyer für mehr Mitgefühl und Verständnis, dafür, die Welt in ihrer ganzen Buntheit und Fülle zuzulassen, anstatt sie in immer engere kleinkrämerische Normvorstellungen zu pressen.“
Wie Asghar Farhadi, Ildikó Enyedi und Sebastián Lelio Grenzen überwinden, zeigt auch Andreas Busche, Filmkritiker und Redakteur des Berliner Tagesspiegels, in seinen Porträts der drei preisgekrönten Regisseure.
Krzysztof Zielinski
Für den offenen Dialog: Asghar Farhadi und Katharina Narbutovič
Asghar Farhadi, Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD im Jahr 2011
Dass Asghar Farhadi die Freiheit der Kunst und die Verständigung der Kulturen ein ernstes Anliegen ist, unterstrich der iranische Regisseur mit seiner Dankesrede für die Oscar-Auszeichnung seines Films „The Salesman“ (Originaltitel: „Forushande“). „Filmemacher“, so Farhadis Botschaft, „können ihre Kameras dazu benutzen, um gemeinsame menschliche Werte aufzuzeigen und stereotype Vorstellungen über verschiedene Nationalitäten und Religionen zu durchbrechen.“ Farhadi selbst hatte die Veranstaltung in Los Angeles aus Protest gegen das Einreiseverbot der US-Regierung für die Bürger aus sieben muslimisch geprägten Ländern boykottiert. Diese Konsequenz und Integrität zeichnet auch seine Arbeiten aus, deren Grundton von einer spürbaren Skepsis gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung im Iran bestimmt ist. Dennoch gehört Farhadi, der 2011 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD war, zu den wenigen iranischen Filmemachern, denen es gelingt, sowohl das einheimische Kinopublikum als auch die internationale Kritik zu begeistern, so auch mit „Nader und Simin, eine Trennung“ („Jodaeiye Nader az Simin“), der bereits 2012 mit dem Auslands-Oscar ausgezeichnet wurde. Farhadis Porträts der iranischen Mittelschicht machen deutlich, dass Liberalität und Weltoffenheit niemals nur Lippenbekenntnisse bleiben dürfen, sondern immer auch eigene Gewissheiten infrage stellen müssen. Das Berliner Künstlerprogramm des DAAD hat es sich seit jeher zur Aufgabe gemacht, gerade auch gesellschaftlich engagierte Filmemacher wie Asghar Farhadi zu fördern. Besonders in Zeiten, in denen das politische Klima weltweit von zunehmender Ignoranz und Intoleranz geprägt wird, zeigt sich der Wert von kulturellem Austausch und gegenseitiger Unterstützung.
Alexander Janetzko/Berlinale 2017
Berlinale-Gewinnerin Ildikó Enyedi: liebevoll und mit stoischem Witz
Ildikó Enyedi, Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD im Jahr 2005
Der Goldene Bär der Berlinale 2017 für Ildikó Enyedi und ihren tragikomischen Liebesfilm „On Body and Soul“ („Testről és lélekről“) markiert das Comeback einer außergewöhnlichen Filmemacherin des europäischen Autorenkinos. 28 Jahre sind vergangen, seit die ungarische Regisseurin für ihr Debüt „My 20th Century“ („Az én XX. századom“) auf den Filmfestspielen von Cannes mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet wurde. Auch ihr letzter Spielfilm lag bis zum Überraschungserfolg mit „On Body and Soul“ bereits 18 Jahre zurück. In der Zwischenzeit war Enyedi dennoch alles andere als untätig. Sie produzierte einen Film für den Auftritt ihres Landes auf der Frankfurter Buchmesse, leistete einen Beitrag zu dem Omnibusfilm „Európából Európába“ anlässlich der Aufnahme Ungarns in die Europäische Union und war 2005 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Lange Zeit galt Ildikó Enyedi in Ungarn als Vorzeigeregisseurin. Doch wie für viele gleichgesinnte Kolleginnen und Kollegen ist die Arbeit unter der rechtsgerichteten Orbán-Regierung auch für sie schwieriger geworden. Unbeirrt davon drehte sie mit „On Body and Soul“ ihren bisher schönsten Film: das liebevolle, mit stoischem Witz verfeinerte Psychogramm eines sich selbst entfremdeten Landes. Der auf subtile Weise politische Film im Gewand einer zarten Liebesgeschichte brachte ihr in Ungarn viel Kritik ein. Aber Filmemacherinnen wie Ildikó Enyedi werden in einem Europa, das sich zunehmend rücksichtslosen nationalistischen Strömungen ausgesetzt sieht, mehr denn je gebraucht.
Alexander Janetzko/Berlinale 2017
Berlinale-Gewinner Sebastián Lelio (links neben ihm der ebenfalls ausgezeichnete Drehbuchautor Gonzalo Maza): hervorragendes Gespür für starke Figuren
Sebastián Lelio, Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD im Jahr 2012
Der chilenische Regisseur Sebastián Lelio hat in Berlin eine neue Heimat gefunden. 2012 war er nach Beendigung der Dreharbeiten zu seinem Film „Gloria“ ein halbes Jahr lang Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Während dieser Zeit arbeitete er am Schnitt des Films, der im folgenden Jahr im Wettbewerb der Berlinale uraufgeführt wurde. Dort erhielt Hauptdarstellerin Paulina García für ihre Darstellung einer Frau Mitte Fünfzig, die nach ihrer Scheidung ein neues Leben beginnen möchte, den Silbernen Bären. Lelio hat gute Erinnerungen an seine erste Zeit in Berlin. „Ich habe es als einen besonderen Luxus empfunden, mich in diesen Monaten ganz auf mein Projekt konzentrieren zu können“, sagte der Regisseur rückblickend über die Unterstützung durch den DAAD. Mittlerweile ist der Chilene Wahl-Berliner, auch wenn er weiterhin in seiner Heimat dreht. Mit dem Transgender-Drama „Una mujer fantástica“, für das er nun mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, beweist Lelio abermals, dass er ein hervorragendes Gespür für starke, ungewöhnliche Frauenfiguren hat. Und das Berliner Künstlerprogramm des DAAD beweist erneut sein feines Sensorium für Filmemacher und Filmemacherinnen mit eigener Handschrift und einer klaren künstlerischen Idee, die über die Grenzen ihrer Heimatländer hinaus das Kino prägen können. Auch Sebastián Lelio hat mit seinen international preisgekrönten Filmen bewiesen, dass die Sprache des Kinos universal ist.
Andreas Busche (8. März 2017)