SDG-Graduiertenkollegs: Gemeinsames Wissen für die Städte von morgen
Wits-TUB Urban Lab
Vor einem Stück der Berliner Mauer: Teinehmer des deutsch-südafrikanischen Graduiertenkollegs Wits-TUB Urban Lab
Bevölkerungswachstum, Luftverschmutzung, verstopfte Straßen – in den Städten in Subsahara-Afrika nehmen die Herausforderungen zu. Ein südafrikanisch-deutsches Graduiertenkolleg fördert nun Nachwuchskräfte, die Städte nachhaltiger gestalten sollen.
Für Menschen mit geringem Einkommen ist es in Ghanas Städten ein beschwerlicher Weg, ein eigenes Haus zu bauen. Häufig können sie zunächst nur das Land kaufen, aber noch nicht mit dem Bau beginnen, weil ihnen das Geld fehlt. Wenn sie mit dem Bau loslegen können, hat häufig bereits jemand anderes angefangen, ein Haus auf das Grundstück zu setzen, denn sie konnten nirgends offiziell eintragen lassen, dass das Land ihnen gehört. Das eigene Haus rückt damit in weite Ferne.
Dennis Kamaanaa Sumbo hat sich mit diesem Problem in seiner Masterarbeit beschäftigt und das Thema hat ihn seither nicht losgelassen. Der Ghanaer wird nun möglichen Lösungen für das Problem als PhD-Student des bilateralen SDG-Graduiertenkollegs der University of Witwatersrand (Wits) und der Technischen Universität Berlin (TUB) nachgehen.
„Antwort auf wachsende Herausforderungen“
Das sogenannte Wits-TUB Urban Lab der beiden Hochschulen widmet sich Fragestellungen der Stadtentwicklung: Wie können in Städten der Subsahara-Region die von den Vereinten Nationen definierten „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ („Sustainable Development Goals“, SDG) künftig umgesetzt werden? „Das Graduiertenkolleg ist eine Antwort auf die wachsenden Herausforderungen, mit denen Städte in Afrika konfrontiert werden“, erklärt Mfaniseni Sihlongonyane, Professor an der School of Architecture and Planning der University of the Witwatersrand in Johannesburg.
Ein starkes Bevölkerungswachstum, zunehmende Luftverschmutzung und verstopfte Straßen sind nur einige der gegenwärtigen und zukünftigen Probleme. „Es fehlen auch Politiker, Stadtplaner, Stadtmanager oder Architekten, die helfen könnten, die Städte nachhaltiger zu gestalten“, sagt Sihlongonyane. Hier setzt das Wits-TUB Urban Lab an, das der DAAD mit etwa 1,8 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bis Ende 2020 fördert.
Die finanzielle Last fällt weg
„Das Programm soll dazu beitragen, dass mehr Nachwuchskräfte in der Subsahara-Region Fähigkeiten mit Blick auf die SDG und auf die New Urban Agenda für eine nachhaltigere Stadtentwicklung erhalten“, erläutert Lars Gerold, der zuständige Referatsleiter im DAAD. Dafür unterstützt das Programm zum einen Studierende direkt: Sechs PhD- sowie 14 Masterstudierende erhalten Stipendien. „Das gibt vielen Studierenden die Möglichkeit, überhaupt erst einmal über ein Postgraduierten-Studium nachzudenken, weil die finanzielle Last wegfällt“, sagt Taki Sithagu, Projektkoordinatorin des Wits-TUB Urban Lab in Südafrika.
Wits-TUB Urban Lab
Baustelle Berlin: Die erste Summer School des Graduiertenkollegs führte in die deutsche Hauptstadt
Die Themen, die die jungen Frauen und Männer aus Subsahara-Afrika erforschen werden, sind so vielfältig wie ihre Herkunft: Eine Teilnehmerin wird sich damit beschäftigen, wie Taxi- und Bussysteme in Johannesburg zusammenarbeiten könnten, um das Transportwesen nachhaltiger zu gestalten. Eine andere Studentin wird untersuchen, ob die Rückbesinnung auf afrikanische Traditionen dazu beitragen kann, dass der Frauenanteil bei Jobs im Stadtentwicklungsbereich wächst.
Mit den Menschen ins Gespräch kommen
Die Studierenden nehmen im Lauf des Programms an Workshops und Summer Schools teil, die teilweise in Afrika, teilweise in Deutschland stattfinden – so wie etwa Ende Juli 2017 in Berlin. „Ich möchte ein hochqualifizierter Akademiker werden“, sagt PhD-Student Dennis Kamaanaa Sumbo. „Die Reisen wie nach Berlin sind deshalb eine große Chance für mich.“ Bei den Treffen feilen die Studierenden beispielsweise an ihren Forschungsfragen und lernen neue Untersuchungsmethoden kennen. Die Lehrkräfte sind dabei mitunter junge Wissenschaftler aus Subsahara-Afrika, die dadurch ebenfalls Auslandserfahrung sammeln. „So entsteht nicht nur ein Netzwerk zwischen Berlin und Johannesburg, sondern auch eines, das sich über ganz Afrika erstreckt“, sagt Mfaniseni Sihlongonyane.
Ein zentraler Ansatz des Programms ist es, den Studierenden neue Methoden zu vermitteln, um die SDG-Ziele zu erreichen. Die Idee der „Co-Production“ von Wissen spielt dabei eine zentrale Rolle. „Das akademische Wissen, das bisher an den Universitäten in Subsahara-Afrika, aber auch bei uns gelehrt wurde, ist in vielerlei Hinsicht unzulänglich, um die großen urbanen Probleme zu lösen“, sagt Dr. Anna Steigemann von der Habitat Unit der TU Berlin, eine der Projektkoordinatorinnen des Wits-TUB Urban Lab. Stattdessen, betont Steigemann, komme es vielmehr darauf an, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und gemeinsam mit ihnen Wissen zu sammeln – etwa mit Vertretern lokaler Initiativen, von Nachbarschaftsorganisationen, mit Aktivisten oder auch privaten Firmen, die sich vor Ort einbringen.
Für alle bereichernd
Große Bedeutung hat in dem Programm außerdem die Praxisorientierung. „Um Wissen vor Ort gewinnen zu können, benötigen die Studierenden beispielsweise auch ethnografisches oder soziologisches Handwerkszeug, wie etwa tiefergehende Interviewführung“, sagt Steigemann. „Wir wollen ihnen ermöglichen, dass sie mit den Leuten vor Ort ein gemeinsames Verständnis finden.“
Das Wits-TUB Urban Lab fördert aber nicht nur direkt die Ausbildung und den Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern. Forscher der beiden Universitäten arbeiten außerdem an Reformen des Curriculums an der Wits, um die bestehenden Studienprogramme stärker an den SDG auszurichten. Außerdem soll 2019 das neue Masterprogramm „Urban Management“ an der Universität starten – das erste dieser Art in Südafrika.
Hierbei profitiert das Wits unter anderem vom Informationsaustausch mit der TU Berlin, die bereits über ein solches Programm verfügt. Auf der anderen Seite profitiert die TU Berlin von dem Wissen der Experten für Entwicklungsfragen der Wits. „Wir bringen unterschiedliche Erfahrungen zusammen“, sagt Mfaniseni Sihlongonyane. „Das ist für alle sehr bereichernd.“
Hendrik Bensch (25. August 2017)