Europäische Wurzeln, weltoffene Zukunft: Die Andrássy Universität Budapest
AUB/Tuba Zoltán
Sommer in Budapest: Die Andrássy Universität zieht auch zahlreiche internationale Studierende an
Hier lebt der europäische Austausch: Die 2001 gegründete Andrássy Universität Budapest (AUB) ist als deutschsprachige Universität außerhalb der deutschsprachigen Länder einzigartig – und ein herausragendes Projekt der Transnationalen Bildung. In Zeiten, in denen der Wert europäischer Gemeinschaft auch in Ungarn von manchen bestritten wird, steht die seit Langem vom DAAD geförderte AUB für Dialog, Offenheit und Internationalität.
Es war „nur“ eine Sommeruniversität, aber wer sich Ende Juli 2017 auf den Weg in den repräsentativen Festetics Palais machte, konnte am Sitz der Andrássy Universität Budapest (AUB) einen sehr guten Eindruck gewinnen, wie an der Hochschule vielfältiges Denken gefördert wird. Das Zentrum für Demokratieforschung der AUB hatte zu einem achttägigen Austausch unter dem Titel „Der Donauraum im Fokus – Grenzen und Identitäten“ eingeladen. Wobei die Nennung des Donauraums auch leicht irritieren konnte – schließlich wurden während der Sommeruniversität zahlreiche Themen behandelt, die weltweit Interesse wecken: Herausforderungen der Globalisierung, etwa der Aufstieg populistischer Bewegungen und Parteien, auch das Themenfeld Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit oder Fragen von Migration und Integration.
Europäischer Integrationsprozess
Die Kraft des Austausches hatte schon der damalige Bundespräsident Johannes Rau bei der Einweihung der Andrássy Universität betont: „Die Universität ist ein eindrucksvolles und schönes Beispiel dafür, wie Europa zusammenwächst und wie die alten Traditionen des kulturellen Austausches wiederbelebt werden.“ Die damals bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union war der ausschlaggebende Impuls: Bis heute soll die Universität einen Beitrag leisten zum Integrationsprozess des mitteleuropäischen Raumes in die Europäische Union. Partnerländer der AUB sind Ungarn, Österreich, die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern.
AUB/Karancsi Rudolf
„Europa gestalten“: An der AUB wird grenzüberschreitend gedacht – auch während der Sommeruniversität mit Fokus auf dem Donauraum
Der DAAD fördert die AUB aus Mitteln des Auswärtigen Amts und finanziert so zum Beispiel Stipendien und Exkursionen. Und seit 2002 eine Langzeitdozentur in den Politikwissenschaften, die derzeit Professor Hendrik Hansen, Leiter des Lehrstuhls für Internationale und Europäische Politik und Verwaltungswissenschaft, innehat. Ab dem Wintersemester 2017/18 soll zudem eine DAAD-Sprachassistenz an der AUB eingerichtet werden. „Damit soll die Förderung der deutschen Sprache, die an der einzigen vollständig deutschsprachigen Universität außerhalb des deutschen Sprachraums schon heute eine entscheidende Rolle spielt, weiter gestärkt werden“, sagt Susanne Otte, Leiterin des für die AUB zuständigen Referates im DAAD.
Doppelmasterprogramme mit Passau und Leipzig
Die AUB bietet ausschließlich postgraduale Studiengänge an, wobei im Zentrum der interdisziplinären Lehre und Forschung die Wissenschaftszweige Geschichte und Kulturwissenschaften sowie Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften stehen. Das Studienangebot reicht von Masterabschlüssen, etwa in Internationalen Beziehungen oder in „International Economy and Business“, bis zum LL.M.-Abschluss in Vergleichenden Staats- und Rechtswissenschaften. Seit dem Wintersemester 2016/17 bietet die AUB auch zwei Doppelmasterprogramme an: Die Universität Leipzig ist Partner für den Master „European Integration in East Central Europe“; an der Universität Passau und der AUB kann der Abschluss in „Governance in Mehrebenensystemen – Internationale Beziehungen/Staatswissenschaften“ erworben werden.
An der AUB lernen die Studierenden noch viel mehr, auch jenseits der Fachgrenzen. Nämlich „das Leben und Handeln in einer heterogenen und internationalen Gruppe. Sich darauf einstellen zu können, dass das Gegenüber anders denkt, als man selbst, und dass man die eigenen Argumente sachlich darlegen muss“, so Professor Dietmar Meyer, der schon an der Gründung der Universität mitgewirkt und im März 2017 das Rektorenamt übernommen hat, in einem Interview mit der Budapester Zeitung. Die Internationalität der AUB ist nicht auf Europas Grenzen beschränkt – auch Studierende aus Argentinien, Usbekistan und Venezuela hat zum Beispiel ihr Weg schon nach Budapest geführt.
Solidarität für die Freiheit der Wissenschaft
Wie ernst es der AUB mit der internationalen Offenheit ist, kann man auch an ihrer Haltung in der aktuellen Diskussion um die Budapester Central European University (CEU) sehen. Durch die umstrittene, von Ministerpräsident Orbáns rechtsgerichteter Regierung vorangetriebene Modifizierung des Gesetzes über das nationale Hochschulwesen in Ungarn ist die amerikanische CEU akut in ihrer Existenz bedroht: Als einzige der 28 ausländischen Universitäten in Ungarn kann sie ihre Arbeit nicht auf ein nun plötzlich zwingend verlangtes zwischenstaatliches Abkommen stützen. Klar und frühzeitig hat die AUB im März 2017 mit einer offiziellen Erklärung Position bezogen: „Die Andrássy Universität Budapest betrachtet die Budapester Central European University (CEU) als einen integrierten Bestandteil und eine hochrangige Institution des ungarischen Hochschulwesens sowie der ungarischen und der internationalen Forschungslandschaft, mit der wir auf der Basis von Kooperationsvereinbarungen erfolgreich zusammenarbeiten.“ Im Mai organisierte die AUB zudem eine Podiumsdiskussion zur Situation der CEU; moderiert wurde die Veranstaltung von Lukas Knopp, Vorsitzender der Studierendenschaft der AUB, und Dr. Christina Griessler, wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Netzwerk Politische Kommunikation an der AUB.
Gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein zeigt die AUB aber auch in der Entwicklung ihrer Curricula. So werden ab dem Wintersemester 2017/18 talentierte weibliche Nachwuchsführungskräfte im Masterstudiengang „Management and Leadership“ in ihren Fach- und Führungskompetenzen besonders gefördert. Das Programm steht unter der Schirmherrschaft der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer und der Deutschen Botschaft Budapest und wird in Kooperation mit Unternehmen wie Siemens und dem Flughafen Budapest durchgeführt. Bereits etabliert ist das Online-Wahlhilfe-Tool Vokskabin, das die AUB mit dem Netzwerk Politische Kommunikation (netPOL) initiiert hat. Seit dem Frühjahr 2017, ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen in Ungarn, ist Vokskabin zum wiederholten Mal online gegangen, diesmal mit Fragen zu „Migration und Flüchtlingskrise in Ungarn“ – ein Angebot an jeden Interessierten, sich ein Bild über die Positionen der Parteien zu machen. Solche Arbeit am politischen Bewusstsein kann das Europa der Gegenwart gut gebrauchen.
Johannes Göbel (28. August 2017)