SDG-Graduiertenkollegs im Porträt: Deutsch-Peruanische Kooperation gegen soziale Ungleichheiten

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Gemeinsam für mehr Gerechtigkeit: Planungsworkshop des trAndeS-Graduiertenkollegs im peruanischen Cusco

Im Rahmen des aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten DAAD-Programms „Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs“ werden auch deutsch-lateinamerikanische Kooperationen unterstützt. Zukunftsfähige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen erforscht ein gemeinsames Graduiertenkolleg von Universitäten in Berlin und Perus Hauptstadt Lima.

Eine kleine, enorm reiche Oberschicht, darunter eine vom sozialen Abstieg bedrohte urbane Mittelschicht – und schließlich eine riesige Zahl von Bedürftigen, die sowohl in den Armenvierteln der Städte als auch auf dem Land wohnen: Peru ist wie kaum ein anderer Staat Südamerikas geprägt von starker sozialer Ungleichheit. Wege aus dieser Schieflage wollen Forscher der Freien Universität (FU) Berlin und der Pontificia Universidad Católica del Perú (PUCP) in Lima aufzeigen. TrAndeS lautet das Akronym für das Programm, das sich bis Ende 2020 den Themen nachhaltige Entwicklung und soziale Ungleichheiten in der Andenregion widmet. Es greift damit insbesondere das nachhaltige Entwicklungsziel (Sustainable Development Goal, SDG) der Vereinten Nationen auf, das soziale und wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten verringern soll (SDG 10, Ungleichheit reduzieren). Der DAAD fördert die deutsch-peruanische Kooperation als Teil des Programms „Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs“.

Den Ansatz für das Graduiertenkolleg hält der Anthropologe Professor Gerardo Damonte, Mitglied des siebenköpfigen trAndeS-Vorstands, für einzigartig. „Das Thema Nachhaltigkeit ist eigentlich abstrakt und sehr schwierig zu vermitteln“, sagt der PUCP-Professor. Da man sich jedoch mit den Anden auf eine bestimmte Region mit einer eigenen Historie beziehe, sei das Programm nicht nur auf konkrete Problemlösungen ausgerichtet, sondern auch einzigartig.

Wichtige Soft Skills für die Wissenschaftskarriere

Damonte hatte auf peruanischer Seite von Projektbeginn an im September 2016 als Geschäftsführer an der PUCP die Fäden in der Hand. Während seiner einjährigen Amtszeit sorgte er mit dafür, dass sich Forscher, überwiegend aus den Sozial- und Geisteswissenschaften, sowie Studierende für das Thema begeisterten. Insgesamt 15 Masterstudierende und Doktoranden beteiligen sich an der PUCP an dem Programm, zehn von ihnen erhalten Stipendien aus Projektmitteln. Die Teilnehmer erwerben parallel zu ihrem Masterabschluss oder Doktortitel das trAndeS-Zusatzzertifikat. Sie besuchen dafür Seminare, Vorträge und lernen in Workshops wichtige Soft Skills für die Wissenschaftskarriere wie etwa Forschungsförderanträge zu schreiben oder Übersichtsarbeiten zu formulieren.

SDG-Graduiertenkollegs: trAndeS

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Die Zukunft im Blick: Teilnehmerinnen eines Kolloquiums in Lima

Diego Geng Montoya zählt zu der Gruppe derjenigen, die sich für trAndeS erfolgreich um ein Stipendium beworben haben. Der 33-Jährige, der Soziologie und Water Ressources Management studiert hat, promoviert nun im Fach Soziologie. „Für mich bietet das Programm die Chance, das zu machen, was ich liebe“, sagt er. Diego Geng erforscht die Folgen der Wasserreformen in der Region Tacna, die als bedeutende Bergbauregion in Peru gilt. Die Reformen sollten einem demokratischen und interkulturellen Ansatz folgen und damit den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung Rechnung tragen. Doch im Alltag der Menschen kam davon bisher wenig an. „Konflikte um Wasser und Folgen des Klimawandels sind ein sehr wichtiges Thema für ein Land, in dem der Bergbau ein wachsendes Geschäftsfeld ist“, sagt Geng.

Ein anderes Forschungsthema hat die Doktorandin Ady Rosin Chinchay Tuesta gewählt. Die ausgebildete Rechtsanwältin interessiert sich dafür, wie die Regierung Perus eine neue Territorialordnung in zwei Bezirken des Landes durchsetzte und welche gesellschaftlichen Konflikte daraus um die Umwelt, die Nutzung von natürlichen Ressourcen und die soziale Entwicklung entstanden. „TrAndeS passt perfekt zu meiner Doktorarbeit, weil ich so Feedback für meine Arbeit von Forschern aus der ganzen Welt bekomme“, freut sie sich.

TrAndeS an der FU Berlin

Im November 2017 werden die trAndeS-Stipendiaten für eine Woche an das Lateinamerika-Institut (LAI) der FU Berlin kommen. „Die Studierenden und Doktoranden werden bei uns ihre Forschungsprojekte vorstellen“, sagt Dr. Bettina Schorr. Die Politikwissenschaftlerin leitet das Graduiertenprogramm am LAI und ist unter anderem für die Entwicklung des Curriculums, die Forschungs- und Netzwerkstrategie des Programms sowie für die Organisation von akademischen Veranstaltungen verantwortlich. „Soziale Ungleichheit ist an unserem Institut schon lange ein Thema“, sagt Schorr. Neu sei jedoch die Zusammenführung der Debatte um soziale Ungleichheiten mit Fragen nachhaltiger Entwicklung.

SDG-Graduiertenkollegs: trAndeS

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Besuch eines nachhaltigen Campus: Im November 2016 besichtigte eine Delegation der FU Berlin an der PUCP umweltfreundliche Bauweisen und Recyclingprojekte

Groß ist die Freude an der FU, die PUCP als Partner für trAndeS gewonnen zu haben – sie gilt als die Top-Universität Perus und zählt zu den besten Hochschulen in Lateinamerika. Damit passt sie ideal in das Internationalisierungskonzept der FU, mit anderen exzellenten Hochschulen der Welt zu kooperieren. Zudem, so Schorr, bedeute die deutsch-peruanische Kooperation im Graduiertenkolleg für das LAI einen neuen regionalen Schwerpunkt auf der Andenregion. Ein weiterer Vorzug der Zusammenarbeit: „Das Format dieses Graduiertenkollegs könnte Modell sein für künftige Forschungsprojekte in Regionen, in denen es Hochschulen an Ressourcen fehlt und die universitären Infrastrukturen insgesamt schwach sind“, sagt Schorr. Die Forschungszusammenarbeit mit der PUCP habe auch Strahlkraft in angrenzende Länder wie Bolivien, Ecuador oder Kolumbien. „Das ist für die Forschung und die Debatte um nachhaltige Entwicklung ein großer Gewinn.“

Die gesellschaftliche Debatte vorantreiben

Das Akronym trAndeS setzt sich aus den Begriffen Trans – Andes – Sustentabilidad (Nachhaltigkeit) zusammen und bringt damit seinen Anspruch zum Ausdruck, die Debatte um gesellschaftliche Nachhaltigkeit in der gesamten Andenregion zu fördern. Denn trAndeS will mehr als gute Forschung und Lehre anbieten. Es will mit seiner konzentrierten wissenschaftlichen Expertise politisches Handeln auslösen. „Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte vorantreiben, wie es um soziale Ungerechtigkeiten und die nachhaltige Entwicklung in der Andenregion bestellt ist – und wie es besser werden kann“, sagt Damonte, der sich derzeit im Rahmen des Programms als Gastwissenschaftler an der FU aufhält. Der Aufbau eines Netzwerks auch außerhalb der akademischen Welt sei deswegen sehr wichtig. TrAndeS-Forscher kooperieren mit Denkfabriken, die gute Kontakte in die Politik haben. Auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind in die Arbeit des Programms eingebunden. „Diese verschiedenen Gruppen wollen wir zusammenbringen und damit unsere Forschungsergebnisse in die Praxis einbringen“, sagt Damonte.

Dass dieser Praxistransfer gelingen kann, zeigt auch das Beispiel einer Tagung Ende Oktober 2017 in Lima, zu der trAndeS in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Mountain Institute (MI) einlädt; der thematische Fokus liegt auf Energie-, Wasser- und Ernährungssicherheit in der Andenregion. An der Veranstaltung werden sowohl politische Entscheidungsträger als auch Mitarbeiter aus der Entwicklungskooperation und von internationalen Organisationen teilnehmen. Auf diese Weise wollen die trAndeS-Forscher versuchen, Einfluss zu gewinnen, um in den Anden eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen. Damonte: „Wir sind sehr optimistisch, dass uns das gelingt.“      

Benjamin Haerdle (26. September 2017)