„DAAD-Lektoren berichten aus…“: Beirut – Bahar Sayyas
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Bahar Sayyas: Ansprechpartnerin für den deutsch-libanesischen Austausch
Ausbau einer wertvollen Plattform: Bahar Sayyas leitet das DAAD-Informationszentrum in Beirut – und erlebt großes Interesse der libanesischen Jugend an Bildung und einem Studium in Deutschland.
„Bevor ich hier ankam, dachte ich, der Libanon sei vor allem ein Krisenland, das von Konflikten geprägt ist“, sagt die Politikwissenschaftlerin Bahar Sayyas, die das Informationszentrum (IC) des DAAD in der libanesischen Hauptstadt Beirut leitet. Auf den Straßen Beiruts, so erzählt die 35-Jährige, sind tatsächlich viele Militärstreifen zu sehen – und auch Flüchtlinge aus Syrien. Etwa anderthalb Million Menschen aus dem Nachbarland leben im Libanon. Der DAAD hat unter anderem in Beirut Auswahlinterviews für sein Stipendienprogramm „Führungskräfte für Syrien“ geführt; im Rahmen des EU-Projekts HOPES erhalten syrische Flüchtlinge in der Region die Möglichkeit, auch im Libanon ein Studium anzufangen oder wiederaufzunehmen. Bahar Sayyas beobachtet auch bei vielen Libanesen, dass sie großen Wert auf Bildung legen – und mindestens drei Sprachen beherrschen: Arabisch, Englisch und Französisch. Letzteres ist die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht.
Umfassende Beratung
In Beirut lebt etwa ein Drittel der rund sechs Millionen Einwohner des Libanon. Gemeinsam mit einem Kollegen, der familiäre Wurzeln im Libanon und in Deutschland hat, berät Bahar Sayyas im DAAD-Informationszentrum seit 2016 Studierende und Forschende, die sich für einen Aufenthalt in Deutschland interessieren. Ein Drittel der Ratsuchenden sind junge Frauen. In den Gesprächen geht es um Studiengänge, Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und um Job-Pläne für die fernere Zukunft. „Im Libanon hat sich herumgesprochen, dass in Deutschland in einigen Berufen ein Mangel an Fachkräften herrscht“, sagt Bahar Sayyas.
Die Libanesen erfahren zum Beispiel, wie sie ein Visum für Deutschland bekommen, welche Stipendienprogramme für sie geeignet sind und wie sie sich bewerben können. „Dabei berücksichtigen wir nicht nur den DAAD, sondern auch andere Institutionen wie etwa die politischen Stiftungen“, sagt Bahar Sayyas. Deutschland habe zuletzt beim Interesse der jungen Studieninteressierten aufgeholt, auch im Vergleich mit den im Libanon besonders beliebten Zielländern USA und Frankreich. Neben dem guten Ruf punktet das deutsche Hochschulsystem auch damit, dass überwiegend keine Studiengebühren erhoben werden.
„Am häufigsten bekommen wir Fragen zu den Studiengängen Medizin und Betriebswirtschaft sowie zu den MINT-Fächern“, sagt Bahar Sayyas. Viele der Interessierten verwundere, dass von angehenden Akademikern in Deutschland erwartet wird, dass sie ihr Studentenleben weitgehend selbst organisieren. „Die meisten Libanesen sind sehr jung, wenn sie ihr Studium beginnen. Sie kommen geradewegs von der Schule.“
Hochschulpartnerschaften vorantreiben
Bahar Sayyas' Familie stammt aus dem Iran; ihre Muttersprachen sind Deutsch und Farsi. Sie lernt Arabisch und ist dabei, sich den Dialekt zu erarbeiten, der im Libanon verbreitet ist. Auslandserfahrungen sammelte sie unter anderem in Afghanistan. Dort war sie 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Projekts, das der DAAD mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der TU Bergakademie Freiberg zur Entwicklung der afghanischen Hochschulen durchgeführt hat.
Zu ihren Aufgaben im Libanon zählt auch, den DAAD und die deutsche Hochschullandschaft auf Veranstaltungen wie zum Beispiel Messen zu präsentieren. „Der DAAD bietet eine Plattform dafür, dass Hochschulen aus dem Libanon und Deutschland miteinander kooperieren können“, sagt Bahar Sayyas. Sie will sich darauf konzentrieren, diese Plattform weiter auszubauen. Studierende und Forschende aus dem Libanon hätten in den zurückliegenden Monaten gezeigt, dass ihr Interesse an Deutschland groß ist. „Jetzt sind die deutschen Hochschulen an der Reihe, sich der Zusammenarbeit mit dem Libanon weiter zu öffnen. Wir unterstützen sie dabei gern.“
Josefine Janert (4. Oktober 2017)
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