Klimawandel und Ernährungssicherung: Forschung für neue Antworten
Food Security Center/7visuals.com, Oskar Eyb
Gemeinsam gegen die Folgen des Klimawandels: Gruppenbild zur CLIFOOD- Auftaktveranstaltung an der Universität Hohenheim
Das deutsch-äthiopische Graduiertenkolleg CLIFOOD widmet sich drängenden Zukunftsfragen. Besonders in der von extremer Dürre betroffenen Region Ostafrika sind die Erkenntnisse der Forscher von hohem Nutzen. Als Teil des DAAD-Programms Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs legt CLIFOOD zudem ausdrücklich Wert auf Nachhaltigkeit, auch durch die Förderung von Partnerschaften auf Augenhöhe.
Äthiopien galt mit seinen pulsierenden wirtschaftlichen Wachstumsraten lange als afrikanischer Hoffnungsträger. Doch die Folgen der sehr hohen Klimavariabilität bedrohen den Aufschwung akut. Seit zwei Jahren herrscht Dürre in dem 100-Millionen-Einwohnerstaat in Subsahara-Afrika: Ernten verdorren und Tiere verdursten; es bahnt sich eine Hungersnot von immensem Ausmaß an. Klimawandel und Ernährungssicherung werden deshalb für das Land zur zentralen Herausforderung.
Genau diesen Themen widmet sich das deutsch-äthiopische Graduiertenkolleg CLIFOOD („Climate Change Effects on Food Security“), das Wissenschaftler der Universitäten Hohenheim in Stuttgart und Awassa im Süden Äthiopiens im Herbst 2016 aus der Taufe gehoben haben. Es ist Teil des Programms Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs, mit dem der DAAD die Kooperation deutscher Universitäten und ihrer jeweiligen Partnerhochschulen in Afrika, Asien und Lateinamerika fördert; finanziert wird das Programm aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Graduiertenkollegs sollen dazu beitragen, die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) der Vereinten Nationen umzusetzen.
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Eingang zur Universität Awassa: Kooperationspartner auf Augenhöhe
Initiiert wurde CLIFOOD am Food Security Center der Universität Hohenheim. „Äthiopien leidet massiv unter dem Klimawandel. Wir wollen mit unserem Wissen und unserem Netzwerk in Afrika helfen, Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft zu entwickeln“, sagt Dr. Jenny Kopsch-Xhema, eine der beiden Geschäftsführerinnen des Zentrums. Wissenschaftlicher Input für das Projekt kommt auf Hohenheimer Seite von Professoren aus den Fakultäten Agrar- und Naturwissenschaften. „Es ist reizvoll, durch eine interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit über den Zaun des eigenen Fachgebiets zu blicken und an einer innovativen Forschungsidee im Bereich der Ernährungssicherung mitzuarbeiten“, sagt zum Beispiel Professor Petra Högy vom Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie.
Auf der Suche nach Anpassungsstrategien
Besonders stark vom Klimawandel betroffen ist die Region Borana im Süden Äthiopiens. Familien, die die für diese Region typischen Boran-Rinder halten, leiden darunter, dass die Nutztiere ausgezehrt sind, nicht ausreichend Milch produzieren und sich nicht mehr verkaufen lassen. „Dieser Wandel betrifft die Lebensgrundlage der Viehhalter, weil ihr gesamtes Vermögen davon abhängt“, sagt Dr. Sintayehu Yigrem, CLIFOOD-Koordinator an der Universität Awassa. Eine der Doktorarbeiten im Rahmen des Graduiertenkollegs an den beiden Universitäten beschäftigt sich mit Anpassungsstrategien bei den Futtermitteln für die Boran-Rinder. So gibt es indigene Pflanzen, die tolerant gegenüber den Einflüssen des Klimawandels sind und von den Rindern gefressen werden. Die CLIFOOD-Forscher identifizieren Hackfrüchte wie Kartoffeln und Maniok, die an das veränderte Klima angepasst sind, und entwickeln Vorschläge, wie Landwirte ihre Flächen entsprechend bewirtschaften können. „Man könnte damit den Bauern eine langfristige und nachhaltigere Lösung anbieten, Boran-Rinder zu halten“, sagt Sintayehu Yigrem.
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Äthiopische Landschaft: Noch gibt es Hoffnung, der katastrophalen Dürre erfolgreich begegnen zu können
Einem anderen Thema widmet sich der 31-jährige Markos Budusa in seiner Promotion an der Universität Hohenheim. Der Geograf untersucht, ob saisonale Vorhersagen zu mehr Ernährungssicherung beitragen können. Insbesondere wird der Einfluss von El Niño und der Southern Oscillation (ENSO) auf die Vorhersagbarkeit von Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen oder Unwetter erforscht. „Das könnte den Landwirten helfen, sich besser auf Wetterextreme vorzubereiten“, sagt Budusa.
Nachhaltiger Nutzen für die Region
Je sechs Doktoranden an den Universitäten Hohenheim und Awassa sowie zwei Postdoc-Studierende forschen während des auf vier Jahre angelegten Graduiertenkollegs zu Themen rund um die Klimamodellierung, zu neuen, anpassungsfähigeren Getreidesorten, alternativen Anbauprodukten oder innovativen Bewirtschaftungsstrategien. Der Doktorand Assefa Tadesse untersucht in seiner Promotion im Rahmen von CLIFOOD, wie sich die Viehwirtschaft nachhaltig weiterentwickeln kann. Ein Thema, das ihn noch lange beschäftigen wird: „Ich möchte auch nach dem Abschluss meiner Promotion zu Nutztieren und Ernährungssicherung forschen und unterrichten, in meinem Heimatland Äthiopien und in anderen Ländern der Region Subsahara-Afrika.“
Auf ihre weitere Karriere werden die Nachwuchswissenschaftler in Workshops vorbereitet. Vom 20. November an kommen sie beispielsweise an der Universität Awassa mit ihren Betreuern sowie externen Referenten für zehn Tage zusammen. Sie tauschen sich dort aber nicht nur über den neuesten Stand der Forschung aus. Wie schreibt man Projektanträge? Wie lässt sich ein Projekt managen? Wie führt man ein Wissenschaftlerteam? Auch diese Fragen stehen im Mittelpunkt und helfen dabei, die wissenschaftlichen Karrieren des Forschernachwuchses voranzubringen. „Nach der Promotion will ich meinem Heimatland das Wissen zur Verfügung stellen, das ich während meiner Promotion erworben habe“, sagt Markos Budusa. Er will als Assistant Professor seine Forschung aus dem CLIFOOD-Projekt an der Universität Awassa fortsetzen.
Die Zukunft im Blick
Auch den Ausbau von E-Learning hat sich CLIFOOD auf die Fahnen geschrieben. „Wir wollen über eine E-Learning-Plattform Kurse, Vorlesungen und sonstige Lernmaterialien online anbieten“, sagt Sintayehu Yigrem. Dies mache Sinn, weil man so Wissen zeit- und kostensparend zwischen den beiden Universitäten austauschen könne. Dies könnte auch für andere Doktoranden, die nicht direkt zu CLIFOOD gehören, von Nutzen sein.
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Partner im DAAD-Programm Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs: die Geschäftsführerinnen des Food Security Center, Nicole Schönleber und Jenny Kopsch-Xhema (1. u. 4. v. l.), mit Dorothee Schwab vom DAAD-Referat Hochschulstrukturförderung in der Entwicklungszusammenarbeit und Referatsleiter Lars Gerold
Selbst die Verwaltung an der Universität Awassa könnte langfristig von dem neuen, bilateralen SDG-Graduiertenkolleg profitieren. Mit CLIFOOD wurden auch Weiterbildungsangebote zur Koordination und zum Finanzmanagement eingeführt. „Deutschland soll nicht nur Geldgeber und Projektverwalter sein. Wir haben auch ein Interesse daran, die Hochschulverwaltung mit Blick auf internationale Projekte zu unterstützen“, sagt Jenny Kopsch-Xhema. Damit verfolge man einen Ansatz der Kooperation auf Augenhöhe: „Wir wollen unseren Partner in jeder Hinsicht mit ins Boot nehmen, weil dadurch Forschungsprojekte reibungsloser und damit auch erfolgreicher für beide Seiten ablaufen.“
Benjamin Haerdle (17. November 2017)
Besondere deutsch-äthiopische Beziehungen
Nicht weniger als fünf Minister der äthiopischen Regierung sind DAAD-Alumni. Sie leiten die Ressorts für Wissenschaft und Technologie, für Umwelt, Forstwirtschaft und Klimawandel, für Wasser, Bewässerung und Elektrizität sowie für Kultur und Tourismus und für öffentliche Unternehmen.
Wissenschaftsminister Dr. Getahun Mekuria promovierte von 2005 bis 2008 mit einem DAAD-Stipendium an der Universität Duisburg-Essen. Erst Ende September wurde Mekuria als Leiter einer äthiopischen Delegation bei einem Besuch des DAAD in Bonn von Dr. Birgit Klüsener, Direktorin der Abteilung Stipendien, empfangen. Den Minister begleiteten Dr. Shumete Gizaw (Director General for Science and Technology Universities and Institutions), Abdulrezak Oumer (Director General for Technology and Development) und Sandokan Debebe (Deputy Director General of Ethiopian Biotechnology Institute).
Ausbau der Hochschullandschaft
Anlässlich des Besuchs in Bonn wurden weitere künftige Kooperationen zwischen Deutschland und Äthiopien sowie die Möglichkeit eines neuen Regierungsstipendienprogramms diskutiert. Darüber hinaus ermöglichte der DAAD ein Treffen zwischen der äthiopischen Delegation und Vertretern der Hochschule Rhein-Waal sowie der Technischen Hochschule Ingolstadt, mit denen jeweils Memoranda of Understanding (MoU) unterzeichnet wurden. Seine Alma Mater besuchte Minister Mekuria einen Tag später, auch mit der Universität Duisburg-Essen wurde ein MoU, unter anderem im Bereich Hochspannungstechnik, verabschiedet.
Die äthiopische Regierung verfolgt das ehrgeizige Ziel, mit anhaltender zweistelliger Wachstumsrate bis 2025 zu einem „middle income country“ zu werden. Die Aus- und Weiterbildung qualifizierter Fachkräfte sowie der Ausbau der Hochschullandschaft werden daher mit oberster Priorität verfolgt.