HOPES: Neue Chancen für geflüchtete Studierende

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Sich einmischen: Geflüchtete Studierende kamen in der Konferenz in Beirut zu Wort

Eine wegweisende Konferenz im Libanon hat sich mit der Frage beschäftigt, wie das HOPES-Programm in einer möglichen zweiten Projektphase noch besser auf die Bedürfnisse von geflüchteten syrischen Studierenden in Ägypten, dem Irak, Jordanien, dem Libanon und der Türkei abgestimmt werden kann. Im Interview spricht Stefanie Kottowski, Projektmanagerin für das HOPES-Programm im DAAD, über Herausforderungen und Chancen der Arbeit in den Zufluchtsländern sowie bessere Perspektiven für Studierende und Wissenschaftler. HOPES wird gefördert vom EU Regional Trust Fund in Response to the Syrian Crisis („Madad Fund”).

Frau Kottowski, das Programm HOPES („Higher and Further Education Opportunities and Perspectives for Syrians“) unter Konsortialführung des DAAD läuft im zweiten Jahr. Wo stehen Sie inzwischen?

Stefanie Kottowski: Wir sind an einem spannenden Punkt angelangt: Wir schauen uns an, was in eineinhalb Jahren HOPES gut funktioniert hat und was wir vielleicht noch anpassen könnten. Uns war wichtig, dazu auch die Perspektive der Studierenden einzuholen, daher haben wir ihnen einen großen Teil der Konferenz in Beirut gewidmet. Als wichtiges Thema kristallisierten sich die Englischkenntnisse der Stipendiaten heraus: In vielen der Projektländer, wie beispielsweise in Jordanien, sind die Masterstudiengänge englischsprachig. Wir als DAAD bieten hauptsächlich Masterstipendien an. Unser Angebot ergänzt das DAFI-Programm für Bachelorstipendien des UNHCR, mit dem wir eine Kooperationsvereinbarung geschlossen haben. Wir hatten erwartet, dass unsere Stipendiaten mit Auffrischungskursen in Englisch ausreichend fit für ein Studium gemacht werden können. Doch jetzt zeigt sich, dass wir Englischkurse vorschalten müssen. Selbst wer sehr gut Englisch spricht, verfügt selten über ausreichend fachspezifisches Vokabular beziehungsweise Englisch für den akademischen Gebrauch. In einer zweiten Projektphase von HOPES wollen wir intensivere und längere Englischkurse anbieten und gegebenenfalls auch Kurse zu Fachsprache.

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Im Zentrum der Konferenz stand die Frage, wie das HOPES-Programm noch besser auf die Bedürfnisse von geflüchteten syrischen Studierenden abgestimmt werden kann

Wie haben sich die Stipendien etabliert?

Aktuell fördern wir knapp 420 Stipendiaten. In unserem Vertrag mit der EU sind 300 Stipendien vorgesehen – wir haben also unser Soll schon jetzt mehr als erfüllt. Die Mittel sind aber noch nicht vollständig ausgeschöpft, sodass wir noch weitere Stipendien vergeben können. Wir rechnen noch einmal mit etwa 100 Stipendien für Kurzprogramme in Ägypten im Jahr 2018. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass das HOPES-Programm sehr positiv wahrgenommen wird, vor allem im Hinblick auf die Betreuung der Stipendiaten. Wir haben weniger Stipendien als andere Anbieter, dafür aber einen sehr engen Draht zu den Studierenden. Wir bieten Beratungsstellen, prüfen Studienleistungen und sind im ständigen persönlichen Austausch. Eine Erkenntnis aus der Konferenz war, dass der Bedarf an Stipendien noch lange nicht gedeckt ist – das denken wir für die kommende Phase an. Viele Studierende haben auch Interesse an einem PhD-Stipendium, weil sie gerne ihre fachliche Qualifikation ausbauen würden und gleichzeitig Probleme haben, im regionalen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir halten das für eine absolut geeignete Alternative.

Die schwierige Arbeitsmarktthematik betrifft aber nicht nur Hochschulabsolventen, sondern auch geflüchtete Professoren und Research Assistants.

Ja, genau. Ihre Aussichten, an den Hochschulen in der Region angestellt zu werden, sind eher düster. Die Hochschulen kämpfen häufig schon jetzt mit finanziellen Engpässen. Wir würden gerne mittels Stipendien eine Art Gastdozentenprogramm in den Regionen etablieren. Es wäre eine Win-Win-Situation: Die Hochschulen würden finanziell nicht belastet – und die Geflüchteten bekämen die Chance, in ihrem Fachbereich zu arbeiten.

Die Konferenz in Beirut unter dem Titel „Conference on higher education and refugees in the Mediterranean Region“ wurde sowohl von HOPES als auch von der Europäischen Kommission initiiert. Welchen Vorteil hatte die Kooperation?

Es war uns wichtig, einmal alle relevanten Akteure aus der Hochschul- und der Flüchtlingsarbeit der MENA-Region an einen Tisch zu bringen: neben uns als Implementierungsagentur und unseren Partnern auch die internationalen Geldgeber von EU und UNHCR, ebenso nationale Akteure wie Hochschul- und Bildungsministerien. Dazu kamen Vertreter von Hochschulen aus der Region und Europa, Nichtregierungsorganisationen und geflüchtete syrische, irakische und jemenitische Studierende – insgesamt 120 Teilnehmer. Für die gesamte Laufzeit des HOPES-Projekts sind zwei große Konferenzen vorgesehen. Als die EU eine große Konferenz zu ähnlichen Fragen rund ums Mittelmeer initiieren wollte, beschlossen wir, uns zusammenzutun. Gemeinsam lässt sich eine größere Reichweite erzielen.

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privat

Stefanie Kottowski ist Projektmanagerin für das HOPES-Programm im DAAD

Was hat sie überrascht in Beirut?

Überrascht hat mich der Wunsch der geflüchteten Studierenden nach digitalen Lernangeboten – dieses Format ist eigentlich in der Region noch nicht so etabliert. Aber ich glaube, dass sie alle Angebote gerne annehmen, die in irgendeiner Form mit Wissenszuwachs zu tun haben. Und ich hatte das Gefühl, dass es für sie sehr wichtig war, einmal selbst dabei sein zu können, in einem so offiziellen Kontext ihre Ansichten zu teilen und den anwesenden EU-Vertretern direkt Fragen stellen zu können.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir haben wichtige Impulse bekommen und der EU bereits ein erstes Konzeptpapier für eine zweite HOPES-Phase vorgelegt. Wir arbeiten daran, unsere Förderungen möglichst nachhaltig aufzubauen – also beispielsweise Studierenden, die nach Syrien zurückkehren wollen, auch dort ein Stipendium zu ermöglichen, sollte die politische Lage es erlauben. Denkbar ist auch, dass wir das Angebot der Projektförderung innerhalb von HOPES langfristig auf Syrien ausweiten. Im Rahmen der sogenannten Projektförderung können sich Institutionen aus der Region auf Förderungen von bis zu 60.000 Euro bewerben – für kleinere Forschungsprojekte, Law Clinics, digitale Lernangebote oder Projekte zur Anerkennung bisheriger Studienleistungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Angebot wird ausgesprochen gut angenommen. Seit November 2017 haben wir 20 Projekte in der Förderung. Wir schätzen, dass in einer zweiten Ausschreibung, die noch in diesem Jahr veröffentlicht werden soll, etwa 20 weitere hinzukommen werden. Bei einer Fortsetzung von HOPES könnten wir für die Projektförderung überlegen, eher thematische Aufrufe zu starten. Im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen ist ja ein großes Thema – eine Idee wäre, Projekte zu fördern, die sich mit der Integration in den Arbeitsmarkt oder dem Erwerb von Soft Skills beschäftigen: Social Entrepreneurship, Trainings, Workshops und weitere Angebote. Das wäre ein großer Mehrwert.

Interview: Sarah Kanning (22. November 2017)