Leitertagung 2017: Austausch für internationale Offenheit
DAAD/Martin Magunia
Für die Stärkung des europäischen Gedankens: DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland im Gespräch mit David Capitant, Vizepräsident der Deutsch-Französischen Hochschule
Der europäische Gedanke und die Rolle der Hochschulen waren ein zentrales Thema der diesjährigen Tagung der Leiterinnen und Leiter der Akademischen Auslandsämter und der Auslandsbeauftragten der deutschen Hochschulen. Auf Einladung des DAAD trafen sich rund 350 Hochschulangehörige, Vertreter von Ministerien sowie von Wissenschafts- und Förderorganisationen Ende November in Bonn zum Erfahrungsaustausch.
„Die Hochschulen müssen politischer werden“, sagte Professor Joybrato Mukherjee in der Diskussionsrunde „Der europäische Gedanke und die Rolle der Hochschulen“ auf der Leitertagung des DAAD. „Damit meine ich nicht, dass die Hochschulen eine politische Position beziehen sollen, sondern Plattformen bieten, auf denen über Europa diskutiert wird.“ Die sogenannte „Third Mission“ – der Auftrag der Hochschulen, Wissenschaft mit der und für die Gesellschaft zu machen – müsse zur „Prime Mission“ werden. Mukherjee, Präsident der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen und Vizepräsident des DAAD, hatte zuvor in seinem Vortrag über Europa aus der Hochschulperspektive gesprochen. Am Beispiel der Universität Gießen skizzierte er, wie die dortigen Angebote, Veranstaltungen und Initiativen zum Reflektieren über Europa einladen – und zugleich bereits konkrete europäische Praxis bedeuten.
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Joybrato Mukherjee: Appell an die gesellschaftliche Verantwortung
Professor David Capitant, Vizepräsident der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH), erinnerte in seinem Vortrag an die ersten Universitäten auf dem Kontinent, die wie selbstverständlich einem wissenschaftlichen Austausch über Ländergrenzen hinweg verpflichtet waren. Die DFH, ein Netzwerk von 186 Hochschuleinrichtungen aus Deutschland und Frankreich, die insgesamt 183 integrierte binationale und trinationale Studiengänge anbieten, sei ein gutes Modellbeispiel für einen Weg, den europäischen Gedanken der Einigung und des gemeinsamen Hochschulraums zu verwirklichen, sagte Capitant. Außerdem plädierte er für den Erhalt der Sprachenvielfalt in Europa, insbesondere an den Hochschulen.
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David Capitant: Plädoyer für die europäische Vielfalt
Große Resonanz
Zahlreiche Wortmeldungen aus dem Plenum zeigten die große Resonanz des Europa-Themas. Die Tagungsteilnehmer stellten Beispiele vor: etwa die Stipendien der Goethe-Universität Frankfurt, die es Studierenden ermöglichen, am Europäischen Forum Alpbach teilzunehmen und aktuelle Fragen der Zeit zu diskutieren. Andere berichteten vom ambivalenten Europaverständnis der Studierenden an Kunsthochschulen – einerseits sei der regelmäßige Besuch kultureller Veranstaltungen in europäischen Metropolen selbstverständlich, andererseits würden die Möglichkeiten eines Studienaufenthalts im europäischen Ausland kaum genutzt. Auch wurde an den DAAD appelliert, sich für den Abbau bürokratischer Hürden im Rahmen des Bologna-Prozesses stark zu machen.
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Tagungsteilnehmerinnen: Zeit für den persönlichen Austausch – und für ein abwechslungsreiches Programm
Vielfalt der Themen
Erneut hatte der DAAD für die Leitertagung eine Vielzahl von Arbeitsgruppen organisiert. „Die AG zur Digitalisierung war als erste ausgebucht“, berichtete Frank Merkle, Leiter des DAAD-Referats Mobilitäts- und Betreuungsprogramme, das die Tagung konzipiert hatte. Schnell ausgebucht waren auch die Arbeitsgruppen zu Studiengebühren für ausländische Studierende oder zur Alumni-Arbeit. Der Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländern, aber auch die Integration von Flüchtlingen an den Hochschulen zählten ebenfalls zu den besonders diskutierten Themen. „Diese Vielfalt ist uns sehr wichtig. Wir arbeiten in der AG Leitertagung mit Vertretern der Hochschulen zusammen. Die Inhalte der Tagung sind dadurch auf die Bedürfnisse der Hochschulen zugeschnitten, aber natürlich setzen wir auch eigene Schwerpunkte“, erklärte Merkle.
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Ansprechpartner: die Leitung des DAAD im Gespräch mit den Tagungsteilnehmern
Beim neuen Format „Im Gespräch mit dem DAAD“ beantworteten Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland und die Direktorinnen und Direktoren der einzelnen Abteilungen Fragen der Hochschulvertreter zu den Themen Strategie, Stipendien, Projekte, Kommunikation sowie zu Erasmus+ und der Arbeit der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit (NA DAAD). Das zweite neue Format der Tagung, der „Markt der Möglichkeiten“, trage dem Netzwerkgedanken Rechnung, erklärte Merkle. An zehn Themenständen, von der „Internationalisierung der Verwaltung“ bis zum „Erfahrungsaustausch Social Media“, konnten sich die Tagungsteilnehmer mit Kollegen, Vertretern von Partnerorganisationen und Experten des DAAD austauschen.
Preis des Auswärtigen Amts
Schon traditionell wird auf der DAAD-Leitertagung der Preis des Auswärtigen Amts für die exzellente Betreuung ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen verliehen. Gemeinsam mit DAAD-Generalsekretärin Rüland zeichnete Ronald Anthony Münch, Leiter des Referats Hochschulen, Wissenschaft und Forschung; Deutsche Wissenschafts- und Innovationshäuser im Auswärtigen Amt, den Preisträger 2017 aus: die Betreuungs- und Integrationsinitiative Sport und Kultur (BISK) des Landesstudienkollegs an der Hochschule Anhalt. Den mit 20.000 Euro dotierten Preis erhält die Initiative für ihre nachhaltige Förderung der Willkommenskultur, wobei der besondere Charme darin besteht, dass bei ihren Projekten Schulen und Vereine miteinbezogen werden.
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Ausgezeichnet: die Vertreter der BISK-Initiative mit Ronald Anthony Münch (1. v. l.) und Dorothea Rüland
„Europäische Werte stärken“
DAAD-Generalsekretärin Rüland hatte die Leitertagung mit guten Nachrichten zu gestiegenen Finanzmitteln bei der Stipendienvergabe eröffnet. Gleichzeitig würden sich die politischen Rahmenbedingungen für Internationalisierung verschlechtern, angesichts aufkommender Nationalismen, Abschottungstendenzen und auch des nahenden Brexits. Rüland sieht den DAAD mit Blick auf solche Entwicklungen zwar nicht als politischen Akteur, aber: „Wir befinden uns ja nicht im luftleeren Raum. Daher ist es wichtig, gerade auch bei schwierigen Partnern die Gesprächskanäle so lange wie möglich offenzuhalten. Wir müssen unsere europäischen Werte stärken.“ Oder, wie es DAAD-Vizepräsident Mukherjee sagte: „Europa ist nicht nur ein gemeinsamer Wirtschaftsraum. Es ist auch eine kulturelle und intellektuelle Unternehmung.“
Claudia Wallendorf (4. Dezember 2017)