Musikerauswahl im DAAD: Eine positive Debattenkultur

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"Ein sehr offenes Team": Dieter Mack, Vorsitzender der DAAD-Musikerauswahlkommission

Wer verfügt über genügend Potenzial und künstlerischen Ausdruck für ein Stipendium des DAAD? Jedes Jahr bewerben sich etwa 300 Kandidaten im Bereich Musik, darunter 50 Deutsche. Die Kommission zur Auswahl der Musik-Stipendiaten muss fundierte Entscheidungen treffen.

Jede Musikkultur hat ihren speziellen Code, ihr eigene musikalische Sprache. Dass sich die Auseinandersetzung mit fremden Tönen lohnt, wird an dem Vorsitzenden der DAAD-Musikerauswahlkommission Dieter Mack, Professor für Komposition an der Musikhochschule Lübeck, beispielhaft deutlich: Der Komponist und Musikethnologe ist Experte für indonesische Musik – und Botschafter des interkulturellen Austauschs. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen der Auswahlkommission entscheidet er an drei Tagen im Januar und Februar, welche Nachwuchsmusiker mit Unterstützung des DAAD ihren musikalischen Horizont erweitern dürfen.

Herr Mack, warum bringen Sie sich als Vorsitzender der DAAD-Musikerauswahlkommission ehrenamtlich für den internationalen Austausch ein?

Dieter Mack: Das ist mir aus mehreren Gründen ein Anliegen. Zum einen arbeite ich sehr gerne mit den Mitgliedern der Kommission zusammen und lerne durch die Beurteilungen meiner Kolleginnen und Kollegen viel Neues. Zum anderen möchte ich den DAAD in seinem Ziel der Internationalisierung unterstützen, da ich selbst lange Zeit, auch mit Förderung des DAAD, im Ausland gelebt und davon enorm profitiert habe. Meiner Ansicht nach ist es klar von Vorteil, sich mit der Musik eines anderen Kulturkreises intensiver auseinanderzusetzen. Ich wünsche mir deshalb, dass sich mehr deutsche Musikstudierende für einen Auslandsaufenthalt entscheiden. Mit Ausnahme der Bereiche Jazz und begrenzt auch in der Komposition bleiben die allermeisten in Deutschland oder im näheren europäischen Ausland. Der Anteil ausländischer Studierender, die sich beim DAAD für ein Musikstipendium bewerben, ist dagegen um ein Vielfaches höher. Deutsche Musikhochschulen haben offensichtlich international einen hervorragenden Ruf, gerade was die westliche Musik betrifft.

Wie stellen Sie eine objektive Auswahl der Stipendiaten sicher?

Die Kommission, die regelmäßig einem Wandel unterworfen ist, setzt sich aus etwa 25 Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen relevanten Fächer zusammen; zudem sollen auch möglichst alle Musikhochschulen vertreten sein. Das ist in der Praxis leider nicht perfekt realisierbar, aber wir arbeiten ständig daran. Wenn sich jemand für die eigene Hochschule bewirbt, enthält man sich. Wenn sich jemand bei einem persönlich bewirbt, verlässt man grundsätzlich den Raum. Ich will nicht verhehlen: Wir sind ein ziemlich eigenwilliges, heterogenes, aber auch eben sehr offenes Team. Humor und eine positive Debattenkultur werden vorausgesetzt, denn die Bewertung der Kandidatinnen und Kandidaten ist nicht immer einfach und Objektivität in der Kunst hat auch ihre Grenzen.

Musikerauswahlkommission: Interview mit Dieter Mack

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Dieter Mack am Flügel: "Mein Bereich der Komposition ist immer wieder Auslöser wilder Debatten"

Welche Kriterien sind für die Kommission entscheidend?

Im Instrumentalbereich und im Gesang existieren hinsichtlich der Technik und Interpretation von klassischen Werken mittlerweile international anerkannte Standards. Mein Bereich der Komposition ist allerdings immer wieder Auslöser wilder Debatten, da es beim Komponieren um das Schaffen von Neuem geht. Wichtig ist mir, dass ich beim Bewerber eine Persönlichkeit, eine Vision erkenne – handwerklich muss noch nicht alles perfekt sein.

Ein grundsätzliches und ungelöstes Thema ist bislang das Verhältnis zwischen Eliteförderung und „Entwicklungshilfe“. Manche Bewerberinnen und Bewerber, beispielsweise aus Indonesien, Thailand oder Kambodscha, können ihre Leistung bezüglich westlicher Musik im eigenen Land aufgrund fehlender kultureller Praxismöglichkeiten nicht mehr steigern und gehören im eigentlichen Sinne nicht zur Elite ihres Fachs. Dennoch diskutieren wir innerhalb der Kommission, ob nicht eine Förderung dieser Personen sinnvoll ist. Das ist oft eine schwierige Entscheidung, in der viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. In westlichen Ländern ist die Situation eine ganz andere: Hier gibt es beispielsweise Orchester und Kammermusikensembles, in denen sich die Musiker immer wieder erproben können und bestätigen müssen. Deshalb argumentieren wir bei diesen Kandidaten ausschließlich im Sinne der Eliteförderung.

Sie selbst sind Experte für balinesische Musik und haben als DAAD-Gastdozent in einem Forschungsprojekt an der Universitas Pendidikan Indonesia (UPI) in Bandung traditionelle Musikkulturen Indonesiens dokumentiert und für den Musikunterricht didaktisch aufbereitet. Wie gelingt die Annäherung an eine völlig fremde musikalische Sprache?

Das braucht vor allem Zeit und ist vergleichbar mit zeitgenössischen Kompositionen: Der Code der musikalischen Sprache ist zunächst unbekannt; der Hörer kann sich ihr nur affektiv widmen. Bei meiner ersten Bekanntschaft mit balinesischer Musik während meines Studiums habe ich deshalb nur das gehört, was ich aus meiner eigenen Musikkultur kenne. Doch nach und nach – insgesamt habe ich zehn Jahre in Indonesien gelebt – hat sich durch eine intensive Praxis mein Hörverhalten geändert. Als DAAD-Langzeitdozent habe ich ironischerweise unter anderem balinesische Musik in Bandung gelehrt und an einem Revisionsprojekt der Musikerziehung mitgearbeitet. Indonesien hatte bis in die 1990er-Jahre hinein seine unglaublich vielfältige und hochentwickelte Musikkultur nicht in den nationalen Lehrplan integriert – das haben wir grundsätzlich geändert.

Interview: Christina Pfänder (17. Januar 2018)