Moshe Zimmermann: „Ein sehr intensiver Kontakt zum DAAD“
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Moshe Zimmermann: "Die Erfahrung, im Ausland nicht nur zu forschen, sondern zu lehren, trägt zur Erweiterung des Horizonts bei"
Der Historiker Professor Moshe Zimmermann zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des deutsch-israelischen Wissenschaftsaustauschs. Porträt eines leidenschaftlichen Forschers – und leidensfähigen Fußballfans.
Seit dem Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere Anfang der 1970er ist Moshe Zimmermann auf das Engste mit dem DAAD verbunden. Der mittlerweile emeritierte Professor für deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem war unter anderem Stipendiat des DAAD und erhielt 1997 in Anerkennung seiner herausragenden Dienste für die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis. 1998 brachte ihn schließlich auch eine DAAD-Gastdozentur an die Georg-August-Universität Göttingen.
1972, als 29-jähriger Doktorand, kam Moshe Zimmermann das erste Mal nach Deutschland, und das gleich nach Hamburg, die Geburtsstadt seiner Eltern, aus der sie Mitte der 1930er Jahre vor den Nationalsozialisten in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina geflohen waren. Insgesamt zwei Jahre sollte der Aufenthalt an der Elbe dauern. Unterstützt vom DAAD forschte der angehende Historiker ausgiebig in Archiven für seine Dissertation über die Emanzipation der Juden in der Hansestadt des 19. Jahrhunderts, mit der er schließlich Anfang 1977 an der Hebräischen Universität Jerusalem promoviert wurde. In der Freizeit galt sein Interesse vor allem dem Fußball und insbesondere dem HSV, den bereits sein Vater unterstützt hatte.
Moshe Zimmermann
Auch Sport im Forschungsfokus: Moshe Zimmermann im Trikot "seines" Hamburger SV
Dem Hamburger Sportverein hat Moshe Zimmermann seitdem die Treue gehalten, selbst wenn er angesichts des sportlichen Misserfolgs der letzten Jahre „entsprechend leiden“ müsse, wie er leicht ironisch feststellt. Verbunden geblieben ist er nach seinem ersten Aufenthalt in Hamburg aber ebenso dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. Tatsächlich „entwickelte sich ein sehr intensiver Kontakt zum DAAD“, so Zimmermann. „Mithilfe des DAAD habe ich zwei Studienreisen mit meinen Studenten nach Deutschland geleitet; ich war an der Auswahl von israelischen Studenten für DAAD-Stipendien beteiligt; vom DAAD erhielt ich den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis; und meine Doktoranden fuhren mit der Unterstützung des DAAD zu Forschungsaufenthalten nach Deutschland.“
Weitere Aufenthalte
Der DAAD war es auch, der Moshe Zimmermann eine seiner zahlreichen Gastprofessuren an einer deutschen Universität ermöglichte, und zwar in Göttingen. Auf Einladung von Bernd Weisbrod, der seinerseits Gastprofessor am von Zimmermann seit 1986 geleiteten Richard-Koebner-Zentrum für Deutsche Geschichte in Jerusalem gewesen war, kam der ausgewiesene Spezialist für die Geschichte des deutschen Judentums und der deutsch-jüdischen Beziehungen im Oktober 1998 für ein Semester nach Niedersachsen. „Für jemanden, dessen Karriere als Professor für deutsche Geschichte in Israel – im positiven Sinne – von Beginn an ein Spagat zwischen diesen beiden Ländern war, bedeutete Göttingen einen weiteren Schritt auf diesem Weg“, so Zimmermann.
„Die Gelegenheit, in Deutschland Kurse abzuhalten, die ich in der Regel israelischen Studierenden anbiete, eröffnete mir darüber hinaus einen neuen Zugang zur Lehrtätigkeit an der Universität überhaupt“, erklärt Zimmermann rückblickend. „Die Erfahrung, im Ausland nicht nur zu forschen, sondern zu lehren, trägt zur Erweiterung des Horizonts bei jenseits des selbst gesteckten Rahmens, an den man sich gewöhnt hat.“ Eine Konsequenz dieser Erkenntnis war, dass Zimmermann nach seiner Rückkehr an die Hebräische Universität Jerusalem in seinen Lehrveranstaltungen Themen aufgriff, die er bis dahin nicht behandelt hatte.
Neue Perspektiven
Das betraf einen Bereich, mit dem sich Zimmermann während der Zeit am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Universität Göttingen zu beschäftigen begann, nämlich die Sportgeschichte. „Wie sich bald herausstellte, war hier die Beziehung zwischen der deutschen und der jüdischen, dann der israelischen Sportgeschichte von einer besonderen Bedeutung“, erläutert Zimmermann. Über die Jahre entstanden zahlreiche einschlägige wissenschaftliche Veröffentlichungen, nicht zuletzt zur Geschichte des Fußballs, seiner großen Leidenschaft, der er bis heute frönt.
In Erinnerung geblieben ist dem politisch aktiven und engagierten Zimmermann seine Zeit in Göttingen aber auch aus einem ganz anderen Grund. Die ersten Wochen seiner DAAD-Gastdozentur fielen in die heiße Zeit des Bundestagswahlkampfs 1998. Aus nächster Nähe konnte er so das Ende der langen Dominanz der CDU und von Helmut Kohl beobachten. „Das war ein besonderes Ereignis“, so Zimmermann. „Ich habe Geschichte miterlebt, mithilfe des DAAD als Mitglied einer internationalen Wahlbeobachtergruppe von Politologen und Zeithistorikern sogar hautnah.“ Seine Berichte über die Wahl erschienen in der israelischen Tageszeitung Haaretz.
… und bewahrte Kontakte
Die Verbindung nach Göttingen hielt Moshe Zimmermann über all die Jahre aufrecht. 2009 kam er dann zum zweiten Mal für ein Semester nach Niedersachsen, diesmal ausschließlich für Forschungen. Gastgeber war wieder Bernd Weisbrod. Der Kontakt besteht ebenso zur nächsten Historikergeneration. Zuletzt war Zimmermann auf Einladung von Irene Schneider, Professorin am Seminar für Arabistik/Islamwissenschaft, im November 2016 in Göttingen. Anlass war diesmal nicht ein Vortrag zur deutschen-jüdischen Geschichte, sondern ein Thema, das ihm gleichfalls sehr am Herzen liegt und über das er auch schon geschrieben hat: die Beziehungen zwischen Israel und Palästina.
Moshe Zimmermann ist einer der führenden Historiker Israels. Bis zu seiner Emeritierung 2012 war er Professor für deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. 1998 brachte ihn eine DAAD-Gastdozentur an die Georg-August-Universität Göttingen.
Marcus Klein PhD/cleevesmedia
Weitere Informationen
Das Porträt von Professor Moshe Zimmermann ist zuerst in der Publikation „20 Jahre DAAD-Gastdozenturen“ erschienen. Der DAAD fördert seit 1997 im Gastdozentenprogramm Aufenthalte von ausländischen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern an deutschen Hochschulen. In der nun veröffentlichten Jubiläumsbroschüre werden in verschiedenen Porträts die Aufenthalte aus Perspektive der Gastprofessoren, der einladenden und betreuenden Hochschulen sowie der Studierenden geschildert.
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