Randall Hansen: Überzeugter Transatlantiker – und Medienstar wider Willen
Riley Stewart
Randall Hansen in der Munk School of Global Affairs: ernste Themen, überraschende Aufmerksamkeit
Viele Jahre nach der Veröffentlichung seines Buches „Fire and Fury“ steht Professor Randall Hansen im Rampenlicht – wegen einer Verwechslung mit Michael Wolffs gleichnamigem, kritischen Bestseller über Donald Trump. Hansen ist unter anderem Interimsdirektor der Munk School of Global Affairs an der University of Toronto und Forschungsleiter der vom DAAD unterstützten Joint Initiative in German and European Studies (JIGES). Der Verwechslung kann er auch gute Seiten abgewinnen.
Professor Hansen, vor fast zehn Jahren veröffentlichten Sie unter dem Titel „Fire and Fury“ ein Buch über die Bombardierung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Genau so heißt auch der neue Anti-Trump-Bestseller von Michael Wolff. Es gab Verwechslungen; Sie wurden zum Medienstar. Wie fühlt sich das an?
Randall Hansen: Überraschend, und auch ein bisschen absurd. Das Ganze fing mit ein paar Anrufen von Journalisten an und wurde dann von den sozialen Medien angeheizt. Das hat mir gezeigt, wie sehr sich die Medienlandschaft in den vergangenen 20 Jahren verändert hat. Der Höhepunkt war, dass der berühmte Talkmaster Stephen Colbert die Namensgleichheit in seiner Show auf CBS erwähnt hat.
Dem Verkauf Ihres Buchs hat das gutgetan?
Die Verkaufszahlen sind drastisch gestiegen, ich weiß noch gar nicht um wie viel konkret. Der Verlag hat eine neue Auflage gedruckt und wird außerdem ein Hörbuch herausbringen. Ich freue mich, dass das Thema auf diese Weise mehr Beachtung findet. Es liegt durchaus Ironie darin, dass ausgerechnet Trump indirekt ein Buch fördert, das die Schrecken des Krieges schildert.
Zweimal „Feuer und Zorn“: die Bücher von Randall Hansen und Michael Wolff
Woher kam Ihr Interesse an Deutschland?
Ich war Mitte der 1990er-Jahre in Hamburg und bemühte mich um eine junge Dame; sie ist, nebenbei gesagt, heute meine Frau. Ihre Mutter war während der Bombennächte im Sommer 1943 ein kleines Mädchen. Sie erzählte mir, wie die Familie ins Freie flüchtete und die Flammen von den Häusern einer Straßenseite auf die gegenüberliegende übersprangen, so dass sie unter einem Feuerhimmel rannten. Ich bin diese Bilder nicht mehr losgeworden. Ich hatte gewusst, dass Deutschland bombardiert worden war, aber das Ausmaß war mir nicht bewusst.
Warum aber das Buch, zehn Jahre später?
Als 2003 näher rückte, rief ich in Hamburg an und fragte, wie die Stadt mit dem Jahrestag umgehen würde. Sie planten nur eine kleine Gedenkfeier mit dem britischen Botschafter – kein Glockengeläut, keine Flaggen auf Halbmast oder dergleichen. Das fand ich merkwürdig. In Dresden erinnert man jedes Jahr an die Luftangriffe. Kurzentschlossen flog ich nach Hamburg und bat Menschen, mir ihre Erinnerungen zu schildern. Sie hungerten geradezu danach, ihre Geschichten erzählen zu können.
Sie waren zuvor schon mit einem DAAD-Stipendium in Berlin gewesen, in den Jahren 1999 und 2000. Wie haben Sie diesen Aufenthalt erlebt?
Dort hatte ich einen anderen Forschungsschwerpunkt: Einwanderung und Integration. Der Aufenthalt hat mich sehr vorangebracht. Ich konnte Interviews mit Politikern, Behördenvertretern und Aktivisten führen und hatte Zugang zu den Archiven. Besonders beeindruckt hat mich die Staatsbibliothek am Potsdamer Platz. Sie ist ein perfekter Ort, um Geschichte zu erforschen: in den 1970-er Jahren im Niemandsland erbaut, heute umgeben von Nachwende-Architektur. Man betritt sie und ist in einer eigenen Welt. In einer nordamerikanischen Bibliothek unterhalten sich die Leute, telefonieren oder chatten. Deutsche gehen in eine Bibliothek, um zu arbeiten, und wenn sie fertig sind, gehen sie nach Hause. Sehr produktiv. Bei uns Nordamerikanern geht alles durcheinander, weshalb wir noch um halb elf Uhr nachts E-Mails schreiben (lacht).
Sie beschäftigen sich auch mit den transatlantischen Beziehungen. Wie beurteilen Sie das gegenwärtige Verhältnis von Deutschland und den USA?
Zurzeit bewegt sich nicht viel, aber selbstverständlich bleiben die Beziehungen wichtig. In unserer multipolaren Welt sind die Europäische Union und die transatlantischen Beziehungen zwei unverzichtbare Stabilisatoren. In beiden Bereichen kommt es auf Deutschland an, besonders jetzt, angesichts des Brexit. Ich halte Präsident Trump für instabil und gefährlich. Aber auf der Ebene der Bundesstaaten beispielsweise wird versucht, das gute Verhältnis in die Zeit nach Trump hinüberzuretten.
Das kann, wenn er wiedergewählt werden sollte, noch einige Jahre dauern.
Was bleibt uns übrig, als abzuwarten und weiter miteinander zu reden? Auch das Gespräch mit Trump sollte nicht abreißen. Ich glaube nur nicht, dass sehr viel dabei herauskommt. Er ist kapriziös und wankelmütig, am Morgen kann für ihn die Welt ganz anders aussehen als am Abend zuvor. Wichtig ist, auf den unteren Hierarchieebenen gute Kontakte zu bewahren.
University of Toronto
Ort des transatlantischen Austauschs: die Munk School of Global Affairs in Toronto, an der auch die vom DAAD unterstützte Joint Initiative in German and European Studies (JIGES) ihren Sitz hat
Ein Projekt, das auf wissenschaftlicher Basis zum Austausch beiträgt, ist die Joint Initiative in German and European Studies (JIGES), deren Forschungsleiter Sie sind. Was tun Sie konkret?
JIGES ist der Kern unserer europagerichteten Arbeit. Der DAAD unterstützt uns großzügig. Wir veranstalten Konferenzen, Workshops und Seminare; jedes Jahr geht rund ein Dutzend Studenten zu Forschungsaufenthalten nach Deutschland. Die Themen reichen von Vertreibung und Flucht, Einwanderung und Integration bis zum Zweiten Weltkrieg und dem Widerstand gegen Hitler. Zu unseren deutschen Partnern gehören das Institut für Zeitgeschichte in München, die Leibniz-Institute in Regensburg und Marburg oder die Hertie School of Governance in Berlin.
Haben Sie angesichts Ihrer vielfältigen Forschungsarbeit eigentlich auch Zeit, das viel diskutierte Buch von Michael Wolff zu lesen?
Ich habe es online bestellt. Aber es ist ausverkauft!
Interview: Christine Mattauch (6. Februar 2018)
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Die DAAD-geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien