Leibniz-Preise für DAAD-Alumni: Professor Nicola Fuchs-Schündeln im Porträt
Uwe Dettmar
Nicola Fuchs-Schündeln: "Volkswirte gehen oft davon aus, dass man mit Präferenzen geboren wird"
Inspiration für ökonomische Fachfragen: Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, erhält den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2018 für ihren frischen Blick auf Forschungsthemen.
Nicola Fuchs-Schündeln ist einen ungewöhnlichen Weg gegangen, bis sie schließlich Volkswirtin wurde. Sie studierte zunächst in Köln „Regionalwissenschaften Lateinamerika“ und kam 1995 mit einem DAAD-Stipendium an die Universität der nordargentinischen Provinz Tucumán. Dort belegte sie die Fächer Wirtschaft und Romanistik und machte gleichzeitig ein Praktikum in einer lokalen Sparkassenfiliale, die Kredite an kleine und mittlere Unternehmen vergab. Zu dem Zeitpunkt herrschte in Lateinamerika eine Wirtschaftskrise, die von Mexiko ausgegangen war: die sogenannte Tequila-Krise. Nicola Fuchs-Schündeln erlebte die Sorgen der Bankkunden – und das veränderte ihren beruflichen Lebensweg.
„Ein Schlüsselerlebnis“
Der DAAD-Aufenthalt in Argentinien stellte für Nicola Fuchs-Schündeln eine Weiche. „Ich erkannte damals, wie wichtig die wirtschaftliche Entwicklung für das Wohlbefinden der Menschen ist“, erzählt die ausgezeichnete Volkswirtin. „Das war ein Schlüsselerlebnis für mich.“ Zurück in Deutschland, schrieb sie sich zusätzlich zu ihrem regionalwissenschaftlichen Studium für Volkswirtschaftslehre ein und schloss beide Fächer ab. Ihr Zugang zu den Wirtschaftswissenschaften ist wohl gerade deshalb ein besonderer. „Für mich sind die Fragen des Faches zutiefst sozialwissenschaftlich geblieben. Auch wenn wir eher quantitativ und mit abstrakteren Modellen arbeiten, geht es doch im Kern um das Wohlergehen der Menschen.“
Angeborenes Gerechtigkeitsempfinden?
Der Mensch steht im Zentrum von Nicola Fuchs-Schündelns Forschung. Viele Fragen drehen sich um private Haushalte, um Konsum-, Spar- und Arbeitsverhalten. Wie entscheiden sich Menschen und warum? Wie formen sich ihre ökonomischen Präferenzen? Gerade diese Frage wurde in der Ökonomie lange vernachlässigt, sagt Fuchs-Schündeln. „Volkswirte gehen oft davon aus, dass man mit Präferenzen geboren wird: mit einem Gerechtigkeitsempfinden zum Beispiel, das dann unsere Vorstellungen davon prägt, wie viel Umverteilung wir vom Staat wünschen oder nicht“, erläutert die Leibniz-Preisträgerin und weist mit ihrer sozialwissenschaftlichen Herangehensweise in eine andere Richtung.
Im „deutsch-deutschen Labor“
Nicola Fuchs-Schündeln nutzt die deutsche Teilung und Wiedervereinigung, um zu hinterfragen, ob 45 Jahre in zwei unterschiedlichen ökonomischen Systemen einen prägenden Einfluss auf die Präferenzen der Menschen hatten oder nicht. „Und ich stelle tatsächlich einen Effekt des Systems und der darin erlebten Erfahrungen fest – staatliche Eingriffe und Umverteilung werden zum Beispiel in Ostdeutschland auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung eher befürwortet als in Westdeutschland.“ Für die Volkswirtin ist das „deutsch-deutsche Labor“ hochspannend: „Wir können es nutzen, um unsere ökonomischen Theorien zu testen.“
Offenheit der Perspektiven
Auch an internationale Themen geht die DAAD-Alumna multiperspektivisch heran. Eines ihrer Forschungsprojekte untersucht europaweit das Arbeitsverhalten. Ein Ergebnis: Bei der Gruppe der verheirateten Frauen tauchen die größten Unterschiede auf. Warum? „Ich habe mir die Besteuerungssysteme von Ehepaaren angesehen, die entscheidende Unterschiede aufweisen und mehr oder weniger Anreize für das Arbeitsverhalten von Frauen schaffen.“ Weil sie die Offenheit der Perspektiven pflegt, gehört die preisgekrönte Volkswirtin, deren Karriere sie auch an die renommiertesten Universitäten der USA geführt hat, zu den besonders inspirierenden Köpfen ihres Fachs.
Bettina Mittelstraß (16. März 2018)
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