Vielfältiger Austausch: Chancen in China und Japan
DAAD/Ruth Schimanowski
Authentische Eindrücke: Teilnehmer des "Sprache und Praxis"-Programms in China beim Besuch eines Windkraft-Unternehmens
Wertvolle Möglichkeiten bietet unter anderem das Programm „Sprache und Praxis“. Mit ihm können Graduierte Japan und China besser kennenlernen, Letzteres verändert sich aktuell besonders rasant. Ein Beitrag von Christian Strowa, Leiter des DAAD-Referats Stipendienprogramme Asien und Pazifik.
Die aktuell zu beobachtenden rasanten Veränderungen in China beschränken sich nicht nur auf politische und wirtschaftliche Aspekte, auch im Bereich der Hochschulausbildung und deren Internationalisierung hat China einiges vor. Mit einer kürzlich eingeleiteten neuen Exzellenzinitiative („Doppel-Exzellenz-Programm“) hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, durch die Förderung herausragender und vielversprechender Universitäten und Fachbereiche in die oberen Ränge internationaler Hochschulrankings aufzusteigen. Im Rahmen dieser Initiative werden auch Internationalisierungserfolge belohnt. Und das chinesische Bildungsministerium verkündete bereits vor einigen Jahren, bis 2020 circa 500.000 ausländische Studierende nach China holen zu wollen. Mit zuletzt 12,8 Prozent bilden chinesische Studierende nach wie vor den mit Abstand größten Anteil ausländischer Studierender („Bildungsausländer“) in Deutschland, Tendenz weiter steigend. Und das BMBF wiederum fördert im Rahmen seiner China-Strategie 2015−2020 unter anderem konkret Maßnahmen zum Ausbau der Chinakompetenz in Deutschland.
Hoher Bedarf der Wirtschaft
Gute Vorzeichen also für den Studierendenaustausch mit China, sollte man meinen, zumal auch innerhalb der deutschen Wirtschaft der Bedarf an Hochschulabsolventen mit ausgeprägter China-Expertise weiterhin hoch, wenn nicht gar steigend ist. Gleichzeitig ist jedoch bei Studierenden aus Deutschland eine eher zögerliche Entwicklung des Interesses an China zu beobachten, insbesondere was längere, selbst organisierte Aufenthalte angeht. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig: Während es seltener wird, dass sich Studierende auf Auslandsaufenthalte einlassen, die sich negativ auf die Gesamtstudienzeit auswirken, oder gar den zeitweiligen Ausstieg aus dem Berufsleben für ein weiterführendes Studium in China in Kauf nehmen, sorgt die steigende Zahl strukturierter deutsch-chinesischer Doppelabschlussprogramme dafür, dass das Auslandsjahr in China in einigen Studiengängen ohnehin zum festen Bestandteil wird. Und auch das aktuelle Bild Chinas in Deutschland – über die grundsätzliche politische Situation hinaus – wirkt zunächst einmal abschreckend. Wo früher vor allem die vielbeschriebene schlechte Luft Grund zur Zurückhaltung bot, kommen nun auch verschärfte Visabestimmungen vor allem für Praktika, Cybersecurity-Gesetz und die mögliche flächendeckende Einführung eines sozialen Punktesystems hinzu − Szenarien, die man hierzulande bisher höchstens aus Dystopien kannte.
Demgegenüber stehen die rasante Entwicklung der chinesischen Volkswirtschaft, die das Land kürzlich zu Deutschlands größtem und immer selbstbewussterem Handelspartner machte, und der zunehmende politische Einfluss Chinas. Über die wissenschaftliche Qualifikation hinaus ist also auch der generelle Kompetenzaufbau in Deutschland ein wichtiger Aspekt des Studierendenaustauschs.
Nachhaltiger Aufbau von Expertise
Deutsche Studierende sind dabei nicht grundsätzlich zurückhaltend, was Asien angeht. Japan zum Beispiel erfreut sich nach wie vor etwa gleichbleibender Beliebtheit, wenn auch auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als China. Neben wirtschaftlichen Aspekten ist spätestens seit den 1990er-Jahren auch ein gerade unter Jugendlichen verbreitetes Interesse an der japanischen (Pop-)Kultur ein treibender Faktor, wobei angesichts des geplanten Jefta-Abkommens davon auszugehen ist, dass auch die Handelsbeziehungen wieder an Bedeutung gewinnen werden. Gleichzeitig tragen die gemeinsamen kulturellen Interessen der Studierenden positiv zur Netzwerkbildung bei − ein zentraler Faktor für den nachhaltigen Aufbau von Expertise.
Gerade über Alumnivereine entstehen langfristige, generations- und fächerübergreifende Kontakte, die neben den Absolventen selbst auch der deutschen Wirtschaft zugutekommen. So bietet der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) im Rahmen seines BMBF-geförderten „Sprache und Praxis“-Programms Stipendien für Berufseinsteiger, die ihren Werdegang in Japan und China beginnen oder fortsetzen möchten. Außergewöhnlich ist das Programm deshalb, weil es sich an Graduierte richtet, die bereits über erste Berufserfahrungen verfügen und in der Regel keine wissenschaftliche Karriere anstreben. Teilnehmer bekommen neben intensivem Sprachunterricht auch ein umfassendes Begleitprogramm mit Fachseminaren, Exkursionen und Firmenbesichtigungen geboten. Ob in einer führenden Position bei einem Wirtschaftsunternehmen in Deutschland, als Architekt für eines der unzähligen Mega-Projekte in China und Japan, als Leiterin des German Center for Industry and Trade in Peking oder für eine Laufbahn im Auswärtigen Amt: Die Karrieremöglichkeiten der Alumni sind vielfältig.
Die beiden äußerst aktiven Alumnivereine sorgen zudem dafür, dass der Kompetenzgewinn und der länderbezogene Austausch über die einzelnen Berufszweige hinweg aufrechterhalten wird. Neu ausreisende Studierendengruppen können zudem bereits während ihres Auslandsaufenthalts Kontakte zu Absolventen knüpfen: Im Rahmen von „Sprache und Praxis China“ konnten mittlerweile schon über 20 Jahrgänge gefördert werden, das Parallelprogramm mit Japan feiert dieses Jahr gar sein 35-jähriges Bestehen.
Christian Strowa
Der Beitrag ist zuerst in der Zeitung des Deutschen Kulturrates erschienen: Politik & Kultur, Ausgabe 2/2018