Austausch mit der Ukraine: Starke Netzwerke
Olga Tucha/The German-Ukrainian Academic Society e.V.
Partner, auch für die Zukunft: Treffen des Deutsch-Ukrainischen Forums für Nachwuchswissenschaftler im Dezember 2017 in Kiew
Das Kiewer DAAD-Informationszentrum feiert Ende April mit einem großen Alumnitreffen sein 20-jähriges Bestehen. Und auch die Deutsch-Ukrainische Akademische Gesellschaft setzt sich für nachhaltigen Austausch ein.
„Ein Blick über Grenzen hinaus: Die Rolle der Hochschulen in der Zivilgesellschaft“: Das Tagungsthema zur Feier des 20-jährigen Bestehens des DAAD-Informationszentrums (IC) Kiew passt zur aktuellen Entwicklung der ukrainischen Hochschullandschaft. Diese befindet sich in einem spannenden Reformprozess, seitdem im Jahr 2014 ein neues Hochschulgesetz verabschiedet wurde. Eines der Kernelemente ist die forcierte Öffnung und Internationalisierung der Wissenschaft in der Ukraine.
„Das Interesse ukrainischer Hochschulen an Kooperationen mit deutschen Partnern ist mit dem neuen Gesetz ebenso deutlich gestiegen wie das Interesse ukrainischer Studierender an einem Studium in Deutschland“, konstatiert Dr. Gisela Zimmermann, die das IC seit zwei Jahren leitet. Durch den bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine sei die traditionsreiche ukrainisch-russische Forschungskooperation zum Erliegen gekommen. „Es findet nun eine starke Orientierung nach Europa statt, mit Deutschland, neben Polen und den baltischen Staaten, als besonders begehrtem Partner“, sagt Zimmermann. Das ukrainische Bildungsministerium habe im Rahmen der Hochschulreform Wert auf eine größere Autonomie der Hochschulen gelegt, was internationale Kooperationen erheblich vereinfache.
Umfassende Beratung
Für das gestiegene Interesse an Deutschland ist das IC Kiew der richtige Ansprechpartner. Es berät nicht nur ukrainische Studierende und Doktoranden zu Studien- und Stipendienmöglichkeiten, sondern informiert auch Hochschulen beider Staaten in Fragen der bilateralen Zusammenarbeit – zu Programmen wie den Ostpartnerschaften, den Fachbezogenen Partnerschaften, den Praxispartnerschaften, den Germanistischen Institutspartnerschaften oder dem Programm der Deutschsprachigen Studiengänge (DSG).
Ein Beispiel für einen DSG ist der zweijährige sozialwissenschaftliche Masterstudiengang Deutschland- und Europastudien der Nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie (NaUKMA) und der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena. Das erste Studienjahr verbringen die Studierenden an der Mohyla-Akademie in Kiew, wo mindestens die Hälfte der Kurse in deutscher Sprache angeboten wird. Im zweiten Jahr kommen die Studierenden für ein Auslandssemester nach Jena – und können so ihren Masterabschluss in Politikwissenschaft sowohl an der NaUKMA als auch an der FSU erwerben. Entscheidend für den Erfolg des seit zwölf Jahren bestehenden Programms ist die Mobilität in beide Richtungen: Neben regelmäßigen Lehreinsätzen der Jenenser Hochschullehrer wird das Programm durch einen von der FSU Jena entsandten Koordinator umgesetzt und durch das DAAD-Fachlektorat sowie einen DAAD-Sprachassistenten an der NaUKMA unterstützt.
Für Professoren und Nachwuchswissenschaftler
Die Zusammenarbeit beider Staaten stärken will auch die Deutsch-Ukrainische Akademische Gesellschaft e.V., die sich im Juli 2016 gründete. Zählte die Gesellschaft zu Beginn 16 Mitglieder, sind es mittlerweile 44, darunter zahlreiche Professorinnen und Professoren an renommierten Institutionen. „Wir wollen ein verlässlicher Partner sein, der deutsche und ukrainische Studierende und Wissenschaftler zusammenbringt und vernetzt“, erklärt Dr. Oksana Seumenicht, die das Netzwerk initiierte.
DAAD/Reiner Zensen
Oksana Seumenicht: "Deutschland ist mittlerweile der bevorzugte Kooperationspartner ukrainischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler"
Ein besonders sichtbares Zeichen dafür ist neben regelmäßigen Sommerschulen das Deutsch-Ukrainische Forum für Nachwuchswissenschaftler, das im Dezember 2017 in der Ukraine und Anfang Februar 2018 in Deutschland in Kooperation mit der Eberhard Karls Universität Tübingen stattfand. Gefördert durch den DAAD, kamen 45 Teilnehmer aus Deutschland und der Ukraine zunächst in Kiew zusammen, um sich über ihre Forschung auszutauschen und mehr über die Finanzierungsmöglichkeiten bilateraler Kooperationen zu erfahren. Anschließend konnten zehn ausgewählte deutsch-ukrainische Forschungstandems in Berlin mit Hilfe von Experten an ihren Kooperationsanträgen feilen.
Der Konflikt in der Ostukraine sowie der Verlust der Universitäten und Forschungseinrichtungen im Donbass und auf der Krim für die deutsch-ukrainische Zusammenarbeit haben das Interesse deutscher Wissenschaftler nicht beeinträchtigt, erzählt Seumenicht. „Die Bereitschaft zur Kooperation mit der Ukraine ist unvermindert hoch. Seit 2015 ist die Ukraine mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm 'Horizont 2020' assoziiert, und bezogen auf die Zahl gemeinsamer Publikationen ist Deutschland mittlerweile der bevorzugte Kooperationspartner ukrainischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Insbesondere in den MINT-Fächern sind die Ukrainer weiterhin sehr stark und damit als Forschungspartner attraktiv.“
Neue Kontakte
Das beiderseitige Interesse dürfte sich auch wieder auf Veranstaltungen zeigen, die die Deutsch-Ukrainische Akademische Gesellschaft für die Zukunft plant. Im Rahmen ihrer Jahrestagung am 4. und 5. Oktober in Dresden findet zum dritten Mal ein Doktorandenwettbewerb statt. Hier präsentieren Nachwuchsforscher, die mit ukrainischen Partnern zusammenarbeiten oder die Ukraine erforschen, ihre Arbeit und knüpfen somit neue Kontakte. „Uns ist es wichtig, jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der nächsten Generation eine Perspektive zu geben“, sagt Oksana Seumenicht. „Diese Nachwuchsarbeit wollen wir auch weiterhin stärken.“
Benjamin Haerdle (18. April 2018)