Auf dem Weg zum globalen PhD

DAAD/Andreas Paasch

Diskutierten die Zukunft der Doktorandenausbildung (v. l.): Moderator Philipp Schrögel, Stefan Rotter (Leiter des Bernstein Center an der Universität Freiburg), Arvind Kumar (KTH Royal Institute of Technology, Stockholm), Beverly Crawford (University of California, Berkeley), Anette Pieper (Direktorin der Abteilung Projekte im DAAD) sowie die PhD-Studierenden Anna Seidel und Casper Claassen

Eine internationalisierte Doktorandenausbildung in Deutschland macht fit für einen globalen Arbeitsmarkt und moderne Wissensgesellschaften. Zum Austausch über Erfahrungen, Erfolge und zukünftige Herausforderungen lud der DAAD im April 2018 nach Berlin zur Tagung „International Graduate Education in Germany and Abroad – A global PhD“.

„Warum öffnen die Deutschen trotz Klimaanlage und selbst im Winter immer erst mal die Fenster?“ Gefragt nach seiner befremdlichsten Erfahrung in Deutschland, sorgte Casper Claassens Gegenfrage auf der Berliner DAAD-Konferenz zum globalen PhD für große Heiterkeit. Aber auch jenseits dieser Anekdote erntete der PhD-Student aus Südafrika zustimmendes Nicken von den teilnehmenden deutschen und internationalen Doktoranden. Claassen berichtete von seinen zahlreichen positiven Erfahrungen als Doktorand in Berlin an der Hertie School of Governance – und viele im Saal hatten ähnliche Erfahrungen gemacht.

Einfach und effektiv: international promovieren

Claassen erzählte zum Beispiel von einfachen und kostenlosen Bewerbungs- und Einschreibungsverfahren, von der unkomplizierten Unterstützung vor Ort, dem leichten Erhalt von relevanten Informationen. „Vor allem hätte ich nicht erwartet, dass ich innerhalb der ersten zwei Monate im Ausland sogar Zugang zu wertvollen internationalen Konferenzen haben würde“, betonte der Südafrikaner. „Das hat meine Forschung inhaltlich bereichert und sehr stimuliert.“

Möglich wird die unkomplizierte Doktorandenbetreuung durch das DAAD-Programm „International promovieren in Deutschland – for all“ (IPID4all). „Unter unseren unzähligen Programmen ist IPID4all ein Juwel“, sagt Dr. Anette Pieper, Direktorin der Abteilung Projekte im DAAD. Das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2014 aufgelegte IPID4all-Programm ist eine Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung in Wissenschaft und Forschung.

Tagung zu IPID4all (Berlin 2018)

DAAD/Andreas Paasch

Tagungsteilnehmer in Berlin: Austausch über den globalen PhD

„Kein Land der Welt kann heute unsere globalen Probleme alleine lösen“, so Peter Greisler, Leiter der Unterabteilung Hochschulen im BMBF, in Berlin. „Jede Lösung erfordert die Kooperation der besten Köpfe weltweit.“ Die Integration von deutscher Wissenschaft und Forschung in die globalen Wissensflüsse sei ein zentrales Ziel der Bundesregierung, denn „wissenschaftliche Exzellenz gedeiht aus Wandel und Wettbewerb zwischen den Besten der Welt“. 25 deutsche Hochschulen erhalten zur Stärkung dieser Exzellenz eine Förderung im Programm IPID4all und können damit die Internationalisierung der Promotionsphase an ihre Internationalisierungsstrategien anpassen und weiterentwickeln.

Wertvoll: einmal fremd unter Fremden sein

Das flexible Programm mit seiner modularen Struktur ermöglicht es Promovierenden aus aller Welt, sich in Deutschland mit Top-Forschung zu vernetzen, und bietet zudem interdisziplinäre und kulturübergreifende Trainingsprogramme ebenso an wie Workshops zu internationaler Publikation und Karriereplanung. IPID4all gibt auch deutschen Doktoranden die Chance, für ihre Forschung ins Ausland zu gehen und einmal im Leben, so Anette Pieper, „fremd unter Fremden zu sein“, für viele eine der wertvollsten Erfahrungen für einen jungen, sich global bewegenden Menschen überhaupt.

Tagung zu IPID4all (Berlin 2018)

DAAD/Andreas Paasch

Beverly Crawford: Appell an die akademische Jugend

„Ihr habt die Kraft, die Welt zu verändern“ – auch die flammende Auftakt-Rede zur Rolle des Wissens in einer Ära der „Post-Wahrheiten“ der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Professor Beverly Crawford von der University of California in Berkeley öffnete die Herzen der anwesenden Doktorandinnen und Doktoranden. Nie sei es notwendiger gewesen als heute, dass sich kluge junge Köpfe global zusammenschließen und vernetzen, appellierte Crawford an die akademische Jugend. In einer Zeit, in der Menschen der Wissenschaft nicht mehr vertrauten, in der „alternative Fakten“ mit hoher Geschwindigkeit über das Internet geteilt würden, die Bedeutung von „Wahrheit“ sich verschiebe, der Unterschied zwischen Information und Desinformation verwische und Mobilität von Wissenschaftlern aus politischen Gründen wieder eingeschränkt werde, müsse die akademische Jugend eine neue Rolle für sich definieren.

Es gelte, für Wahrheit und Wissen zu kämpfen: „Wir als Akademiker und Intellektuelle müssen uns dabei auch über die Ausbildung klar werden, die wir geben und bekommen. Wenn wir internationales Wissen sammeln, lernen wir dabei auch, wie wir dieses Wissen verteidigen?“ Es gebe viel zu tun, mahnte Crawford, aber Austausch und Verständigung seien dafür die beste Voraussetzung. Und so sorgte die Keynote für rege Beteiligung an allen anschließenden Diskussionen.

Inspirierend für alle: das Gespräch über Verbesserungen

Im Mittelpunkt der Tagung stand auch die Zukunft des Programms. „Die positiven Erfahrungen zeigen, dass eine Weiterführung von IPID4all über das Jahr 2019 hinaus lohnt“, sagt Birgit Siebe-Herbig, Leiterin des Referats Internationalisierungsprogramme im DAAD. Zugleich gelte es, mögliche Verbesserungen zu ermitteln. „Für uns ist die Rückmeldung zu konkreten Erfahrungen und Bedürfnissen besonders wichtig“, so Siebe-Herbig. „Was braucht es für einen globalen PhD? Fehlen Maßnahmen oder liegen wir mit unseren Angeboten richtig?“ Intensiv debattiert wurde an Thementischen zum Beispiel über optimale Unterstützung. Ein wichtiger Punkt, der das Programm auszeichnet: die Freiheit der Hochschulen beim Einsatz von Förderbudgets – und die Mitsprachemöglichkeit der Doktoranden.

Auch die Digitalisierung, die Rekrutierung internationaler PhD-Studierender und die binationale Betreuung von Dissertationen im sogenannten Cotutelle-Verfahren wurden diskutiert. Letzteres war auch Thema des Abschlusspanels. „Das klingt für Sie sehr attraktiv“, richtete Professor Arvind Kumar vom KTH Royal Institute of Technology in Stockholm das Wort an die Doktoranden. „Aber es ist auch wichtig, sich immer klar zu machen, dass es viel Organisation für den Einzelnen bedeutet, um erfolgreich zu sein.“ Für die deutsche Doktorandin Anna Seidel von der Universität Münster war der Forschungsaufenthalt in Kanada jedenfalls sehr erfolgreich: „Ich habe mein Netzwerk gestärkt, und der Austausch mit meinen kanadischen Dozenten dauert an.“

Bettina Mittelstraß (26. April 2018)