SDG-Graduiertenkollegs: Die Kunst der Nachhaltigkeit
Performing Sustainability
Tanz als Teil der Wissenschaft: Mitglieder des Graduiertenkollegs „Performing Sustainability – Cultures and Development in West-Africa“ in Ghana
Das vom DAAD aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Graduiertenkolleg „Performing Sustainability – Cultures and Development in West-Africa“ leistet Außergewöhnliches: Es stärkt die wissenschaftliche Kooperation zwischen Deutschland, Ghana und Nigeria, orientiert sich dabei an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) – und forscht nach neuen Antworten auf Gewalt und Terror.
Wenn Gewalt die Entwicklung eines Landes gefährdet – so wie dies seit Jahren im Nordosten Nigerias und in den Anrainerstaaten geschieht, wo die islamistische Terrorgruppe Boko Haram Schrecken verbreitet und bereits über zwei Millionen Menschen vertrieben hat −, dann braucht es nachhaltige Lösungsansätze. Hier setzt die Arbeit des Graduiertenkollegs „Performing Sustainability – Cultures and Development in West-Africa“ an: Zentrales Ziel ist es, Lokale Strategien zu entwickeln, um Konflikte und traumatische Erlebnisse zu bewältigen. Das Graduiertenkolleg wurde von der Universität Hildesheim Ende 2016 gemeinsam mit den Universitäten Maiduguri in Nigeria und Cape Coast in Ghana ins Leben gerufen und wird bis 2020 vom DAAD gefördert.
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Deutsch-ghanaisch-nigerianisches Netzwerk: Gruppenbild zum bisher letzten Workshop des Graduiertenkollegs an der University of Cape Coast
Im Mittelpunkt der Forschung stehen Kunst und Kultur im Kontext der „Sustainable Development Goals“ (SDG) der Vereinten Nationen. Der außergewöhnliche Schwerpunkt liegt dabei neben der nachhaltigen Entwicklung auf der Lösung von Konflikten und der Suche nach Frieden. „Langfristige Aufgabe wird es sein, Gemeinschaften wieder entstehen zu lassen“, sagt Professor Raimund Vogels, einer der drei Direktoren des Graduiertenkollegs und Musikethnologe an der Universität Hildesheim. Die Musik, so Vogels, könne dabei eine der Identifikationslinien sein.
Raimund Vogels hat selbst lange Zeit in Nigeria und Ghana gelebt und geforscht, seit 2011 ist er in Hildesheim Direktor am Center for World Music – einer beeindruckenden Einrichtung, an der Wissenschaftler mehr als 45.000 Schallplatten und 4.500 Musikinstrumente aus aller Welt zusammengetragen haben. Während in Deutschland Musik eher zur Unterhaltung und Freizeitgestaltung gehöre, sei sie für Gesellschaften wie die in Nigeria oder Ghana unglaublich wichtig, so Vogels. Neben der Sprache sei Musik die bedeutendste Möglichkeit, Emotionalität und Konflikte zu kanalisieren, ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen sowie soziale Interaktion zu fördern. „Gesellschaftliche, ökologische oder wirtschaftliche Prozesse spiegeln sich immer in der Musik wider.“
Erhalt des kulturellen Erbes
Insgesamt 21 Stipendien haben die drei an dem Graduiertenkolleg beteiligten Universitäten ausgelobt. Einer der Stipendiaten ist Umar Lawal Yusuf. Er ist Dozent an der Universität Maiduguri, mit mehr als 51.000 Studierenden eine der größten Hochschulen Nigerias. Der 37-Jährige promoviert zur Rolle und zum Einfluss der Civilian Joint Task Force (CJTF), einer staatlich geförderten Miliz, die im Bundesstaat Borno den Einfluss von Boko Haram bekämpft. „Die Aktivitäten von Boko Haram lassen das kulturelle Erbe der Region erodieren“, sagt Umar Lawal Yusuf. Er will nun herausfinden, was die CJTF in ihrem Kampf gegen die terroristische Gruppierung motiviert und wie sie dabei vorgeht. „Viele Gemeinschaften in den Dörfern Nordostnigerias wurden in den letzten sechs Jahren des Konflikts zerstört“, bestätigt auch Dr. Christopher Mtaku, der das SDG-Graduiertenkolleg in Nigeria koordiniert.
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Stipendiaten im Dialog: Gemeinsam neue Forschungswege gehen
In Ghana ist die Universität Cape Coast Partner des Graduiertenkollegs. Prisca Ama Anima promoviert dort und untersucht in ihrer Doktorarbeit, wie es minderjährigen Müttern gelingen kann, der Armut zu entkommen. „Die Armut ist ein wesentlicher Faktor, der Teenager-Schwangerschaften verursacht”, sagt sie. Um herauszufinden, wie die jungen Mütter ihren Alltag meistern, setzt sie auch auf den Austausch über Fotografien, damit die Frauen ihre Erfahrungen besser mitteilen können. „Bilder sagen oft mehr als tausend Worte”, betont die Doktorandin.
Unterstützung des DAAD
„Eine Universität, die sich als globaler Akteur sieht, sollte Kontakte zu anderen nationalen und internationalen Einrichtungen pflegen, um ihre Studierenden zu bilden sowie Workshops und Seminare anzubieten“, sagt Dr. Abba Tijani, der für das Graduiertenkolleg in Nigeria als Direktor zuständig ist. Die Unterstützung des DAAD ermögliche es, Studierende und Doktoranden auf dem Gebiet der kulturellen Nachhaltigkeit mit einer internationalen Perspektive zu schulen. Drei Monate verbringen die afrikanischen Stipendiaten an der Universität Hildesheim. Zweimal pro Jahr kommen sie zu Workshops in Nigeria und Ghana zusammen, um dort Ergebnisse, Methoden, Erfahrungen aus den Feldstudien oder alltägliche Fragen des Projektmanagements zu diskutieren. 2020, im letzten Jahr der DAAD-Förderung, werden dann Fragen zu den wissenschaftlichen Karrieremöglichkeiten im Mittelpunkt stehen.
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Nachhaltiger Austausch: Arbeitssitzung während des Workshops an der University of Cape Coast
„Durch den Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, den Kontakt zu anderen Experten auf meinem Forschungsgebiet sowie den Austausch mit anderen Stipendiaten werde ich sicherlich sehr profitieren“, hofft Umar Lawal Yusuf. Ähnlich formuliert es Prisca Ama Anima: „Das andere kulturelle Umfeld Deutschlands wird mich auch als Wissenschaftlerin weiter voranbringen.“
Direktor Raimund Vogels hofft vor allem auf die Nachhaltigkeit des Graduiertenkollegs. Das Fundament dafür hat die Universität Maiduguri bereits gelegt: Sie gründete das Centre for the Study and Promotion of Cultural Sustainability, dessen Direktor Abba Tijani ist. „Das ist eine wertvolle Strukturmaßnahme, die die Langfristigkeit der Graduiertenschule gewährleisten kann“, sagt Vogels. Das Zentrum sei wichtig, weil es neben der wissenschaftlichen Expertise über Projektinitiativen auch in die Gesellschaft ausstrahle. Vogels betont: „Kulturelle Nachhaltigkeit ist ein entscheidendes Mittel, um sozialen Zusammenhalt zu erzeugen.“
Benjamin Haerdle (24. Mai 2018)
Weiterführende Links
„Performing Sustainability – Cultures and Development in West-Africa“