Tauchen Sie ein in die virtuelle Realität!
Hardik Jain
Ein stereoskopischer Cardboard-Viewer mit Virtual-Reality-Funktion und mobilem Bildschirm liefert einen Einblick in die Android-App "Birthday VR"
Die immersive Umgebung bietet Raum für verschiedene relevante Anwendungen, von der Medizin bis zum Schutz von Kulturgütern. Ein Gastbeitrag von Hardik Jain aus Indien, Teilnehmer des DAAD-Stipendiatentreffens in Cottbus vom 6. bis zum 8. Juli.
Stellen Sie sich die folgende Szene vor:
Sie sind Herzchirurg und betreten einen Operationssaal, in dem ein Patient auf seinen Eingriff wartet. Sie tragen weiße Handschuhe und überprüfen auf grafischen Displays den Gesundheitszustand des Patienten. Sie bitten Ihren Assistenten, Ihnen das Skalpell zu reichen. Nachdem Sie tief Luft geholt haben, setzen zum ersten Schnitt an. Sie führen den Eingriff nach Ihrem besten Wissen und Gewissen durch. Nach dem erfolgreichen Eingriff entfernen Sie Ihr Head-Display, um Ihrer Freude freien Lauf zu lassen. Und stellen fest, dass Sie Gamecontroller in den Händen halten und inmitten eines leeren Raums einen virtuellen Patienten operiert haben. Willkommen in der virtuellen Realität!
Dieses Szenario wird immer mehr zum Alltag, da zunehmend viele Krankenhäuser für die Ausbildung zukünftiger Chirurgen virtuelle Techniken verwenden. Anstatt einen Operationssaal zu betreten, setzen Sie ein Head-Display auf, anstatt zu einem Skalpell zu greifen, halten Sie einen Gamecontroller in der Hand. Heute benötigen Sie nicht mehr einen Patienten im Krankenbett, Sie müssen sich nur entscheiden, welche Art von Eingriff Sie ausüben möchten, und die virtuelle Realität (VR) macht es möglich.
Intuitiv verstehen wir die virtuelle Realität als eine Dimension, die nicht real, jedoch realitätsnah ist. Wir nehmen die Welt über die äußeren Sinne unseres Körpers wahr. Diese Sinne helfen uns, mit unserer Umgebung zu interagieren. Mit anderen Worten: Wir können die Realität nur dank einer Kombination dieser sensorischen Informationen wahrnehmen. Unser Gehirn verwendet sie, um die Realität abzubilden. Wenn wir unseren Sinnen virtuelle Informationen liefern, verändert sich unsere Wahrnehmung der Realität. Da diese nicht existierenden Informationen als echt empfunden werden, wird dieses Phänomen virtuelle Realität genannt.
Die virtuelle Realität im technischen Überblick
Aus technischer Sicht ist die virtuelle Realität eine elektronisch geschaffene dreidimensionale Umgebung, die wir mit interaktivem Feedback erforschen können. Was benötigen wir jedoch, um uns Zutritt in die virtuelle Welt zu verschaffen? Wie bereits erwähnt, müssen unsere Sinne getäuscht werden, damit wir die virtuelle Welt betreten können. Zu diesem Zweck benötigen wir ein immersives Head-Mounted Display (HMD) und Gamecontroller.
Bei einem einfachen VR-Display besteht die Bildfläche aus zwei Hälften, damit die beiden Augen leicht unterschiedliche Inhalte wahrnehmen können. Beide Augen können diese Inhalte durch jeweils eine Bikonvexlinse fokussieren. Diese fokussierte und eingeschränkte Ansicht ruft beim Benutzer eine immersive Wahrnehmung der virtuellen Realität hervor. Dennoch muss der Input der realen Welt auf die virtuelle Umgebung abgestimmt sein. In einer mobilen VR wird für die Orientierung ein Kreiselinstrument verwendet, und Kopfdrehungen können mithilfe von Beschleunigungssensoren simuliert werden. Magnetometer oder Touchscreens sorgen dafür, dass in dieser virtuellen Umgebung Aktionen ausgelöst werden.
Der genaue Ursprung der virtuellen Realität ist häufig umstritten, was zum Teil auf die unterschiedliche Formulierung des Begriffs zurückzuführen ist. In den 1970er-Jahren wurden gezielte Forschungen rund um die virtuelle Realität eingeleitet. In der Anfangsphase beabsichtigte die Industrie, mobile VR-Geräte zu konstruieren, die benutzerfreundlicher sein sollten. Erst in diesem Jahrzehnt entstanden verschiedene berühmte Designs wie Oculus Rift, HTC Vive oder Sony PlayStation VR. Hierbei handelte es sich jedoch um konsolenbasierte HMDs, die für die Wiedergabe einer virtuellen Umgebung einen High-End-Computer erforderten. Um ein größeres Publikum zu erreichen, brachte Google einen stereoskopischen Do-it-yourself-Viewer für Smartphones auf den Markt, der unter dem Namen Cardboard Viewer bekannt ist. Da die modernen Smartphones über leistungsfähige Prozessoren und essentielle Feedback-Sensoren verfügen, lässt sich die virtuelle Realität quasi mit einem Fingertipp heraufbeschwören.
Neue Möglichkeiten
Wenn wir die Möglichkeiten der virtuellen Realität betrachten, so ist das Gaming die bloße Spitze des Eisbergs. Die immersive Umgebung bietet Raum für verschiedene relevante Anwendungen, insbesondere für solche, die eine realistische Wiedergabe bisher kaum unterstützen. Simulation von Kriegsführung (auf dem Schlachtfeld), Höhentraining für das Militär und Kompetenzübungen wie Flug- oder Fahrzeugsimulationen sind nur einige Beispiele. Raumfahrtbehörden auf der ganzen Welt verwenden seit Jahrzehnten VR-Plattformen für die Ausbildung ihrer Astronauten. Auf dem Medizinsektor hat die virtuelle Realität einen bedeutenden Beitrag geleistet – bei der Ausbildung von Ärzten und Rettungssanitätern, in der Zahnheilkunde und in der Präventivmedizin, bei der Humansimulation usw. Die VR kann sich auch für den Schutz von Kulturgütern als von Vorteil erweisen, wenn die echten Stätten aufgezeichnet und einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Athleten machen von der virtuellen Realität Gebrauch, um ihre Leistungen auf dem Feld zu verbessern, und auch das Publikum könnte von einer immersiven Betrachtung des Spiels profitieren. Diese Aufzählung ließe sich weiter fortsetzen, wäre jedoch ohne die Erwähnung der Massenmedien – insbesondere von Kino, TV-Formaten und Musik – unvollständig.
Insgesamt sind die Zukunftsaussichten der virtuellen Realität sehr vielversprechend. Da in diese Technologie viel investiert wird, dürfen wir mit einer Senkung der Preise rechnen. Obwohl eine genaue Zeitschätzung schwierig ist, könnte die virtuelle Realität uns bald in jedem Bereich unseres Lebens begegnen. Wenn Sie das nächste Mal zwischen mehreren Urlaubszielen schwanken: Begeben Sie sich einfach auf eine virtuelle Tour und treffen Sie die richtige Entscheidung! Kurz gesagt: Es ist höchste Zeit, sich mit der virtuellen Realität auseinanderzusetzen.
privat
Der indische DAAD-Stipendiat Hardik Jain promoviert derzeit in „Computer Vision and Remote Sensing“ an der Technischen Universität Berlin. Zuvor hat er einen Masterabschluss in „Electrical Engineering“ am Indian Institute of Technology in Roorkee erworben und als Junior Research Fellow am Indian Institute of Technology in Gandhinagar gearbeitet.