Den Friedensprozess in Kolumbien unterstützen

Luis Sierra

Stefan Peters leitet seit April 2018 das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut in Bogotá

Professor Stefan Peters ist Direktor des Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstituts (Instituto Colombo-Alemán para la Paz, CAPAZ), das vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts finanziert wird und am 18. und 19. September seine erste internationale Konferenz veranstaltet. Ein Gespräch über Konfliktlösungen nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg und die besondere Bedeutung der Bildung in den ländlichen Regionen Kolumbiens.

Herr Professor Peters, welche Bilanz ziehen Sie knapp zwei Jahre nach dem Abschluss des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Rebellen?

Stefan Peters: Positiv ist zum einen, dass die Entwaffnung der ehemaligen Rebellen größtenteils sehr diszipliniert verlaufen ist und dass sich die Zahl der Konfliktopfer deutlich verringert hat. Zudem wurden verschiedene Maßnahmen der „transitional justice“ – also eine Art Übergangsjustiz – aufgebaut. So gibt es beispielsweise eine Sondergerichtsbarkeit, die sich mit den Verbrechen während des Bürgerkriegs auseinandersetzt: mit Blick auf die Farc, aber auch auf den Staat und andere Akteure, wie etwa Landbesitzer. Des Weiteren wurde eine Wahrheitskommission gegründet, ebenso eine Einheit, die Menschen sucht, die in der Zeit des Bürgerkriegs verschwunden sind. Jedoch sind hier schon die ersten Probleme zu erkennen.

Welche Probleme meinen Sie?

Es knirscht beim Aufbau der Institutionen: So ist etwa bei der Einheit zur Suche der Verschwundenen die Finanzierung völlig unklar. Hier geht es ja darum Menschen aufzuspüren, die wahrscheinlich ermordet wurden, und diesen dann eine würdevolle Bestattung zu ermöglichen. Das ist eine Aufgabe, für die man viel Personal benötigt. Zudem hat sich wieder gezeigt: Frieden ist mehr als die Demobilisierung und die Abgabe der Waffen. Weitere Reformen sind notwendig, zum Beispiel mit Blick auf die extreme soziale Ungleichheit in ländlichen Gebieten. Sehr problematisch ist außerdem, dass die Drogenwirtschaft weiterhin boomt. Hier sind keine Fortschritte erzielt worden. Gleiches gilt für die Rückgabe von Land an Menschen, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden.

Die neue Regierung kommt aus dem Lager der Skeptiker des Friedensprozesses. Was bedeutet das für dessen Umsetzung?

Das ist noch nicht so recht abzusehen. Einerseits zielen Initiativen aus den Reihen der Regierungspartei darauf ab, die Kompetenzen der Sondergerichtsbarkeit auszuhöhlen. Es gibt Befürchtungen, dass der Friedensprozess verlangsamt werden könnte. Andererseits hat der neue Präsident Iván Duque deutlich gemacht: Der Friedensprozess soll weitergehen. Das ist auch eine große Chance für ihn: Er kann die Skeptiker mit klugen Reformen mitziehen und zeigen, dass es keine Alternative zum Friedensprozess gibt.

Wie läuft die Umsetzung des Friedensprozesses in den besonders vom Konflikt betroffenen Regionen?

Gerade im Südwesten des Landes verläuft die Umsetzung sehr langsam. Das gilt etwa für die Region um die Stadt Tumaco am Pazifik. Dort kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Aktivisten, gegen Vertreter von staatlichen Organen sowie Journalisten. An der Pazifikküste entscheidet sich, wie der Friedensprozess weitergehen wird. Denn dort ist die Drogenwirtschaft angesiedelt – und ihr Handeln ist nicht nur ein Problem für diese Region, sondern für das gesamte Land.

Welche Themen muss die neue Regierung anpacken, um den Weg zu einem dauerhaften und stabilen Frieden zu bahnen?

Der Knackpunkt ist aus meiner Sicht die soziale Ungleichheit. Ob beim Vermögen, dem Landbesitz oder bei den Einkommen: Kolumbien ist eines der Länder mit der größten Ungleichheit weltweit. Und für Menschen aus den unteren sozialen Schichten ist es extrem schwierig aufzusteigen. Das verführt viele dazu, dem schnellen Geld zu folgen – so wie etwa in der Drogenwirtschaft. Ein sehr mächtiges Instrument zum Abbau der Ungleichheit ist beispielsweise die Steuerpolitik. Die Regierung nutzt Steuern jedoch bislang praktisch nicht, um die soziale Ungleichheit zu verringern. Auch durch die Rückgabe von Land an Vertriebene ließe sich dieses Ziel erreichen. Außerdem sollte die Regierung das Thema Bildung anpacken. Für einen nachhaltigen und stabilen Frieden müssen unbedingt die politische Bildung und die Hochschulbildung in den Konfliktregionen gestärkt werden. Derzeit haben die Menschen in den ländlichen Gebieten noch wesentlich schlechtere Bildungschancen.

Wie unterstützt das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut den Friedensprozess?

Zum einen entwickeln wir mithilfe praxisrelevanter Forschung konkrete Politikvorschläge: zum Beispiel dazu, wie sich Gewalt eindämmen lässt. Außerdem wollen wir die politische Bildung und die Hochschulbildung – insbesondere in ländlichen Regionen – stärken. Wir organisieren zum Beispiel Summer und Winter Schools, bei denen wir nicht nur Wissenschaftler aus Deutschland und Kolumbien vernetzen. Wir bringen auch Menschen zusammen, die sich ansonsten im Alltag nicht begegnen würden: zum Beispiel Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, ehemalige Farc-Kämpfer und Militärs. Sie sollen gemeinsam an Themen arbeiten. Wir wollen so Empathie fördern – und damit dazu beitragen, dass unterschiedliche Positionen die Menschen nicht zu Feinden machen.

Interview: Hendrik Bensch (19. September 2018)