Ein kulinarisches Mittel gegen Heimweh
Studierendenwerk Thüringen
Küchenchef Michael Stolle mit Studierenden: Teamarbeit für ein besonderes Projekt
„So is(s)t die Welt“ lautet der Titel eines außergewöhnlichen Kochbuchs: Das Studierendenwerk Thüringen hat es gemeinsam mit internationalen Studierenden veröffentlicht. Das Buch ist auch Teil der Initiative „mensaInternational – so is(s)t die Welt“, die vor Kurzem mit dem Preis des Auswärtigen Amtes für exzellente Betreuung ausländischer Studierender in Deutschland ausgezeichnet wurde.
Kennen Sie „Poulet DG“? DG steht für „Directeur Général“, aber das köstliche Hähnchen ist nicht Generaldirektoren vorbehalten. Im Gegenteil: Wer im Kochbuch „So is(s)t die Welt“ des Studierendenwerks Thüringen nachschlägt, findet – auf Deutsch und Englisch – alle Angaben und Zutaten, um die kamerunische Spezialität nachzukochen. Man erfährt, wie lange die Marinade aus Ingwer, Petersilie, Knoblauch und Sellerie im Kühlschrank ziehen muss oder wie sich die Beilage „Kongolesische Frittierte Kochbananen“ zubereiten lässt. Michael Stolle, Küchenchef der Mensa Schmalkalden des Studierendenwerks Thüringen, schreibt etwa: „Wenn ihr einen Holzlöffel in das heiße Öl haltet und sich kleine Bläschen bilden, hat das Frittieröl die optimale Temperatur.“ Der Küchenchef ist allerdings bei Weitem nicht der Einzige, der diese und andere Spezialitäten vorstellt.
Studierendenwerk Thüringen
Kamerunischer Klassiker: Poulet DG
Christelle Audrey Tchentcheu Moutcheu aus Kamerun, die für das Studium „Master in Economics“ an der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena nach Deutschland gekommen ist, präsentiert in dem außergewöhnlichen Kochbuch die afrikanischen Gerichte; unterstützt haben sie unter anderem Studierende aus der Demokratischen Republik Kongo. Zugleich bilden diese Gerichte nur eines von zwölf Kapiteln. Vom Einstieg mit einem chinesischen Reisgericht bis zum Ausklang mit einer bulgarischen Süßspeise – die Vielfalt der Rezepte ist beeindruckend. Ihre Auswahl erklärt sich aus der Initiative des Studierendenwerks Thüringen, in seinen Mensen eine internationale Menülinie einzuführen. Die ausgewählten Regionen und Nationalitäten entsprechen den Herkunftsländern der Studierenden, die an Thüringer Hochschulen gemäß einer Nachfrage bei den Internationalen Büros prozentual am stärksten vertreten sind. Auch sollten die Rezepte sowohl Fleisch- als auch vegetarische Gerichte sowie Suppen und Desserts umfassen. Im großen Stil wurde gemeinsam gekocht.
DAAD/Franziska Klein
Preis des Auswärtigen Amtes für exzellente Betreuung ausländischer Studierender in Deutschland (v. l.): Legationsrat Marko Naoki Lins (Auswärtiges Amt), Ralf Schmidt-Röh (Geschäftsführer des Studierendenwerks Thüringen), Kunal Jamsandekar (am Projekt beteiligter indischer Student der FSU Jena), Anja Pforte (stellv. Abteilungsleiterin Mensen & Cafeterien des Studierendenwerks Thüringen), Michaela Peter (Leiterin der Jenaer Cafeteria vegeTable des Studierendenwerks Thüringen) und DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland
„Wir luden internationale Studierende aus zwölf verschiedenen Esskulturen ein, um gemeinsam mit unseren Köchen authentische Gerichte zuzubereiten“, erläutert Dr. Ralf Schmidt-Röh, Geschäftsführer des Studierendenwerks Thüringen. Die Initiative „mensaInternational“ sei eine Antwort auf das „kulinarische Heimweh nach den vertrauten Gerüchen und Speisen der heimischen Küche“. Dafür bildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Studierendenwerks gemeinsam mit internationalen, später auch deutschen Studierenden ein „interdisziplinäres“ Team. „Das verlief nicht immer reibungslos. So brachte beispielsweise die richtige Konsistenz von chinesischem Klebreis schiere Verzweiflung, auch das Formen von Pelmeni war keine leichte Aufgabe.“ Die russischen Teigtaschen mit Hackfleischfüllung haben es gleichwohl ebenfalls in die Mensaspeisepläne und das Kochbuch geschafft: „Solche Herausforderungen konnten mit Unterstützung der Studierenden im interkulturellen Austausch gemeistert werden“, zieht Schmidt-Röh eine mehr als zufriedene Bilanz.
„Neugier aller Beteiligten“
Christelle Audrey Tchentcheu Moutcheu bestätigt, wie wichtig der Austausch rund um die Herdplatte ist. Beim gemeinsamen Probekochen hat ihr besonders „die Neugier aller Beteiligten“ gefallen. „Sie wollten alles lernen und waren offen zuzuhören“, erzählt die junge Frau, die wegen der „hohen Qualität der Lehre und Forschung“ nach Deutschland gekommen ist.
Akademische Qualität genügt allerdings nicht für den Erfolg ausländischer Studierender, notwendig ist auch eine gute fachliche und soziale Betreuung. Deshalb wird seit zwanzig Jahren der Preis des Auswärtigen Amtes für exzellente Betreuung ausländischer Studierender in Deutschland vergeben; im Jubiläumsjahr 2018 ging er nun an die Initiative „mensaInternational“. „Im Ausland zu studieren, sich in einer neuen Umgebung fern der eigenen Heimat zurechtzufinden, sind reizvolle Herausforderungen, die den akademischen Austausch prägen“, sagt Professor Margret Wintermantel, Präsidentin des DAAD, der den Preis gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt verleiht. „Damit diese Erfahrungen und Eindrücke als Erfolg und als Bereicherung erlebt werden, ist eine Willkommenskultur und ein Betreuungsangebot an der Gasthochschule entscheidend. Das Studierendenwerk Thüringen liefert mit seiner Initiative ein vorbildliches Beispiel hierfür.“
Neue Gerichte in Vorbereitung
Die positiven Effekte sind vielfältig: Seit der Einführung der neuen Menülinie beobachtet das Studierendenwerk einen stärkeren Besuch internationaler Studierender in seinen Mensen, auch habe sich der Prozess der interkulturellen Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv auf Angebot und Atmosphäre in den Einrichtungen ausgewirkt. Ein Prozess, der weitergeht: Erst seit Kurzem bereichern polnische Gerichte die Menülinie; aktuell werden zum Beispiel ecuadorianische Gerichte erprobt.
Studierendenwerk Thüringen
Kolumbianische Kochkunst: Hähnchen gefüllt mit Backpflaumen im Speckmantel
Lateinamerika ist im Buch „So is(s)t die Welt“ übrigens schon mit kolumbianischen Speisen vertreten; präsentiert werden sie von Paola Andrea Ramos Ruiz, Masterstudentin der Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar. Auch sie hebt hervor, wie wichtig ihr die „gute Kommunikation“ im Rahmen des Projekts ist. Und bei den Lebensmitteln ist ihr der internationale Austausch ohnehin wichtig: „Wenn ich könnte, würde ich all unser Obst nach Deutschland mitbringen, und wenn ich zu Hause in der Karibik bin, würde ich aus Deutschland ganz viel Brot mitnehmen. Deutsches Brot ist schon sehr lecker.“
Johannes Göbel (14. Dezember 2018)
Weitere Informationen
Das deutsch-englische Buch „So is(s)t die Welt“ ist bereits in zweiter Auflage erschienen und im Online-Shop der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhältlich.