Zwischen Brezen und Borschtsch
Vom „Europa macht Schule“-Projekt zum Schüleraustausch zwischen Bayern und der Westukraine. Bamberger Schüler entdecken mit „Europa macht Schule“ (EmS) die Westukraine. Initialzündung für den deutsch-ukrainischen Schüleraustausch war das ehrenamtliche Projekt einer ukrainischen Gaststudentin im Rahmen von EmS – ein Programm, das europäische Begegnungen fördert.
Eine blau-gelbe Fahne weht durch die Schulaula, bunte Plakate und Luftballons in den ukrainischen Landesfarben leuchten im Foyer; in einigen Klassenzimmern und auf den Fluren erklingen ukrainische Wendungen. Kurzzeitig wirkt das Gymnasium im bayerischen Bamberg so, als läge es mitten in der Ukraine. Das E.T.A. Hoffmann-Gymnasium in Bamberg feiert den ersten deutsch-ukrainischen Schüleraustausch, inspiriert durch ein Projekt von „Europa macht Schule“.
Initiator: ein „Europa macht Schule“-Projekt in Bamberg
Alles begann mit einem Schulprojekt einer ukrainischen Erasmus-Studentin im Rahmen des Programms „Europa macht Schule“ (EmS) im Jahr 2015/2016. Dieses wird vom gleichnamigen Verein und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) koordiniert. Es steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten, wird vom Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Pädagogischen Austauschdienst (PAD) unterstützt. EmS setzt seit seiner Gründung vor mehr als zehn Jahren auf studentisches Engagement als grundlegendes Element.
Genau dieses Engagement hat die Ukrainerin Iryna Arabadzhian mehr als bewiesen: In Bamberg zum Erasmus-Studium angekommen, stellte sie die Ukraine, ihr Heimatland, einer Schulklasse vor und kam so schnell mit den Jugendlichen ins Gespräch, die schließlich gemeinsam mit ihr einen abwechslungsreichen Abend zum Thema „Eine Reise durch die Ukraine“ vorbereiteten. Präsentationen, szenisches Spiel, Tanz, Musik und kulinarische Genüsse machten den Abend vor geladenen Gästen zu einem Erlebnis für die Schulgemeinschaft. Bei der Umsetzung des Programms wurde Iryna vom ehrenamtlichen Standort-Team unterstützt, das – wie an allen EmS-Standorten – aus deutschen Studierenden besteht. Das Ziel der EmS-Projekte: Europa erlebbar machen, Vorurteile abbauen und die Neugier auf den europäischen Nachbarn stärken. In Bamberg und später in den ukrainischen Dörfern Kamin und Subra ist dies mehr als gelungen.
Vom Projekt zum nachhaltigen Schüleraustausch
Dank der glücklichen Kombination aus der herausragenden persönlichen studentischen Initiative und offenen Ohren sowie engagierter Unterstützung seitens der Schule entwickelte sich so aus einem EmS-Projekt ein beträchtliches Vorhaben: einen Schüleraustausch mit der Westukraine ins Leben zu rufen. Zuvor hatte das Gymnasium zwar an zahlreichen Comenius- beziehungsweise Erasmus+ Projekten teilgenommen, die Ukraine als Nicht-EU-Land aber war auf der Landkarte bislang unsichtbar geblieben. Der persönliche Austausch im Programm „Europa macht Schule“ bewirkte schließlich die Initialzündung für alle weiteren Aktivitäten. Maßgeblichen Anteil am Gelingen dieses Pilotprojekts hatte der neu gegründete Verein „Bamberg: UA“, dem dieser Schüleraustausch ein großes Anliegen ist und der nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell Großes geleistet hat. Die Gruppe fungierte zudem als Vermittlerinstanz bei der Suche nach geeigneten Schulen in der Ukraine. Bewusst wählten die ukrainischen Studierenden gemeinsam mit dem deutschen Gymnasium zwei Schulen, die bisher keine institutionalisierte Verbindung zu Deutschland hatten. Den Schülerinnen und Schülern sollte der Austausch eine besondere Chance geben, die ihnen sonst verwehrt geblieben wäre.
Brezen und Borschtsch: Der Austausch wird konkret
Für knapp zwei Wochen lud das E.T.A. Hoffmann-Gymnasium im Frühjahr 2018 insgesamt 15 Schülerinnen und Schüler aus Subra und Kamin in der Westukraine erstmalig nach Bamberg ein. Auf dem Programm stand allem voran der interkulturelle Austausch. Während die ukrainischen Gäste selbstgebackenes und kunstvoll dekoriertes Brot und Salz als Geschenk mitbrachten, gab es in Bamberg als Willkommensgruß Brezen und Borschtsch, vorbereitet vom Verein „Bamberg: UA“ sowie hilfsbereiten Eltern. Untergebracht wurde der europäische Familienzuwachs in Gastfamilien. Das unterhaltsame und sportliche Programm spielte sich hauptsächlich in Bamberg, der Umgebung und natürlich im deutschen Schulalltag ab. Im September 2018 erfolgte der Gegenbesuch der deutschen Schülerdelegation. In der Ukraine wurden auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch – mit Übersetzung durch das kompetente Studierendenteam Iryna und Olena – kulturelle Unterschiede beleuchtet, Grenzerfahrungen gemeistert und europäische Freundschaften geschlossen.
Der europäische Mehrwert
„Der Austausch mit unserem Gymnasium bedeutet für die ukrainischen Schülerinnen und Schüler vor allem Hoffnung – für ihr Land, aber auch persönlich. Er ist ein Lichtblick für die Zukunft. So können diese Kinder und Jugendlichen verstehen, dass man durch Bildung etwas erreichen kann“, sagt Gymnasiallehrerin Angela Kestler, die den Austausch gemeinsam mit dem ehemaligen Schulleiter Wolfgang Schubert hauptverantwortlich durchführt. Gleichzeitig sei die Offenheit und Gastfreundlichkeit gegenüber Fremden in der Ukraine für die deutschen Schülerinnen und Schüler eine herausragende Erfahrung gewesen, die deren Bild von Europa positiv beeinflusse. Die Schule ist überzeugt vom Mehrwert des Austauschs mit der Ukraine – auch im Vergleich zu den Programmen, die den Schulalltag der UNESCO-Projektschule schon lange Zeit bereichern. Die Ukraine wecke eine Neugier gegenüber einem Land, in das man normalerweise nicht mit den Eltern in Urlaub fahre. „Die Erfahrungen haben unsere Schülerinnen und Schüler dazu angeregt, kritisch darüber nachzudenken, was ‚Europa’ ausmacht“, berichtet Kestler, die gerade erst in der Ukraine zu Besuch war. „Sie begegneten jungen Schülerinnen und Schülern, die begeistert von deutschen Adventsbräuchen und Dichtern wie Goethe, Schiller und Heine sprechen – all das baut eventuelle Vorurteile gegenüber osteuropäischen Staaten ab und verweist auf Gemeinsamkeiten.“ Dies ist auch das Ziel von „Europa macht Schule“: Europa erleben, kennenlernen und ins Klassenzimmer bringen – in diesem Fall weit darüber hinaus. Im Bamberger E.T.A. Hoffmann-Gymnasium werden voraussichtlich noch längere Zeit blau-gelbe Fahnen einziehen: jedes Mal, wenn der durch „Europa macht Schule“ inspirierte Schüleraustausch stattfindet. Zuvor gibt es jedoch einen weiteren ukrainischen Abend zum Erfahrungsaustausch und Kennenlernen des Projekts für Neueinsteiger. Auch die Vorbereitungen für den nächsten Austausch laufen schon wieder auf Hochtouren: Dann begegnet das bayerische Bamberg erneut den ukrainischen Dörfern Subra und Kamin.
Chantal Grede (22. Februar 2019)
Weitere Informationen
Europa macht Schule – das Programm
„Europa macht Schule“ ist ein Programm zur Förderung der Begegnung unter Europäerinnen und Europäern, das auf ehrenamtlicher Basis durchgeführt wird. Gaststudierende aus allen Teilen Europas werden dafür zu Mini-Botschaftern ihres Landes. Gemeinsam mit einer Schulklasse in Deutschland realisieren sie ein Projekt zu ihrem Heimatland. Ziel ist es, den Gedanken des europäischen Austauschs lebendig werden zu lassen und für mehr Wissen übereinander zu sorgen. Auf diese Weise werden Europa, seine Menschen und seine Kulturen, für alle Beteiligten persönlich erlebbar.
Das Programm wird an über 35 Hochschulstandorten in Deutschland von ehrenamtlichen, studentischen Teams koordiniert. Unterstützt werden sie dabei vom Verein Europa macht Schule e.V. sowie von der hauptamtlichen Koordinationsstelle im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Das Programm wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.
Kontakt:
Hans Leifgen
Programmleitung „Europa macht Schule“
+49 228 882 8629
europamachtschule@daad.de
www.europamachtschule.de
Der Artikel erschien in voller Länge im DAADeuroletter Nr. 65 vom Dezember 2018
(S. 58).