Mit dem Carlo-Schmid-Programm aufs internationale Parkett
DAAD/Stefan Falke
Durch das sechsmonatige Praktikum bei der UN haben sich die Karriereziele von CSP-Stipendiatin Inga Christina Müller gefestigt
Die Anforderungen sind hoch. Dafür bekommen Bewerberinnen und Bewerber die Chance auf ein Praktikum bei internationalen Einrichtungen, werden finanziell unterstützt und haben zahlreiche Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen. Inga Christina Müller hat als Stipendiatin des Carlo-Schmid-Programms ihren Chef überrascht – und es so aufs Podium der Vereinten Nationen geschafft.
Podiumsgäste und eine Reihe Mittzwanziger strömen zur Tür, drinnen im Konferenzraum 12 des Uno-Gebäudes sind UN-Delegierte aus Deutschland noch ins Gespräch vertieft. Eben ist die Veranstaltung „Achieving Inclusion: Showcasing the Work of Youth Delegates“ zu Ende gegangen, eine Nebenveranstaltung zur jährlichen Konferenz der UN-Fachkommission für soziale Entwicklung. Inga Christina Müller hat sie für den Weltverband der nationalen UN-Gesellschaften (WFUNA) mitorganisiert. Und nicht nur das: Sie hat im Panel über Jugenddelegierte gesprochen, die den jungen Menschen ihres Landes bei der Generalversammlung der UN eine Stimme geben. Dieser Dienstag im Februar 2019 ist ihre Premiere als Rednerin auf dem Parkett der Vereinten Nationen. „Dass ich eine solche Gelegenheit bekam, war ein großes Lob“, sagt Müller. „Auch, weil mein Team mir zutraut, dass ich diese Position gut füllen kann.“
Engagement zahlt sich aus
Ein halbes Jahr vorher, im September 2018, kommt Müller als Fellow des Carlo-Schmid-Programms (CSP) im Youth Team der WFUNA in New York an. Das Programm fördert herausragende Absolventinnen und Absolventen sowie Studierende aus Deutschland, die eine Karriere im Bereich der internationalen Beziehungen oder der Entwicklungszusammenarbeit anstreben und ein Praktikum in einer internationalen Organisation absolvieren wollen (siehe Kasten). Zwei Tage später beginnt die UN-Vollversammlung. Müller fackelt nicht lange und organisiert gleich eine Nebenveranstaltung: Sie bucht einen Raum, organisiert das Catering, schreibt Einladungen – und hält zwei Wochen später eine Präsentation darüber, wie eine Generation von Jugenddelegierten ihr gesammeltes Wissen an die Nachfolgegeneration weitergeben kann. 17 Tage nach Praktikumsbeginn hält Müller ihren ersten Vortrag über den Aufbau von nationalen UN-Jugenddelegiertenprogrammen – nicht in New York, sondern beim 3. Global Youth Forum der WFUNA in der Dominikanischen Republik. Eigentlich war das nicht Teil ihres Praktikums. Aber Carlo-Schmid-Fellows erhalten neben dem Stipendium für Reise- und Unterhaltskosten auch eine Weiterbildungspauschale von 600 Euro. Müller bezahlt davon die Reise nach Punta Cana – und kehrt mit wertvollen Kontakten zu Vertretern der Mitgliedsländer sowie einem guten Überblick über die Arbeit der WFUNA zurück.
Das CSP sucht Macherinnen und Macher
Im Arbeitsbereich von Pablo Angulo-Troconis hat sich Inga Christina Müller um die Partizipation von Jugendlichen bei den Vereinten Nationen gekümmert
Mit diesem Einsatz hat Müller sogar ihren Chef überrascht, Pablo Angulo-Troconis. „Normalerweise dauert es eine Weile, bis jemand ein Projekt wirklich begreift und dann auch übernehmen kann. Das war bei Inga nicht so“, sagt der Leiter der Abteilung für Nachhaltige Entwicklung bei der WFUNA. „Sie nahm die Dinge sofort in Angriff, trieb sie voran, sorgte dafür, dass wir nichts vergessen, und brachte eigene Vorschläge ein.“
Damit hatte Inga Müller genau die Erwartungen bestätigt, die Angulo-Troconis an eine Carlo-Schmid-Stipendiatin hat und die der Grund waren, warum er dort ein Praktikum ausgeschrieben hatte. Weil sich sein Arbeitsprofil erweitert hatte, brauchte er jemanden, um die Arbeit der WFUNA im Bereich Partizipation von Jugendlichen bei der UN ausbauen zu können. „Uns war es sehr wichtig, jemanden zu bekommen, der unabhängig arbeitet und sich mit seiner Fachkompetenz von durchschnittlichen Praktikanten abhebt, jemanden, der direkt Aufgaben übernehmen kann und proaktiv in einer Führungsrolle zu dem Projekt beiträgt“, so Angulo-Troconis. Auf der Suche erinnerte er sich an das CSP. Bei seiner Arbeit war Angulo-Troconis bereits einigen Stipendiatinnen und Stipendiaten begegnet. Schon von der Vorauswahl an Kandidatinnen und Kandidaten, die das CSP ihm präsentierte, war er beeindruckt. „Man merkt, wie viel Mühe in die Auswahl guter Kandidaten gesteckt wird.“
Erfahrungen aus New York
Eigeninitiative auf internationalem Parkett
Niels Lohmann ist Mitglied der Auswahlkommission des CSP. „Allein Experte auf einem Gebiet zu sein, das reicht nicht aus“, betont er. „Es ist sehr wichtig, den Drive zu haben und dafür zu brennen, bei den Vereinten Nationen oder in der Entwicklungszusammenarbeit etwas zu bewegen.“ Zudem schaut die Auswahlkommission auf Soft Skills: „Die Kompetenzen, die sich zum Beispiel um Kommunikation und Teamfähigkeit drehen, sind mindestens genauso wichtig wie der spezielle fachliche Hintergrund.“ Lohmann kennt die Anforderungen internationaler Teams von seinem Hauptberuf: Er arbeitet im Personalbereich des Freiwilligenprogramms der Vereinten Nationen (UN Volunteers).
Ihm sind die Bewerber oftmals zu angepasst. „Viele gehen zu sehr davon aus, dass es ein Schema gibt, in das man sich als Bewerber einfügen sollte. Stattdessen achten wir als Kommissionsmitglieder vielmehr darauf, authentische Bewerber vor uns zu haben, die uns glaubwürdig darstellen können, warum sie jetzt in diesem Moment bei den Vereinten Nationen mitwirken möchten.“ Lohmann erinnert sich daran, dass im Bewerbungsgespräch ein Bewerber zu singen begann – und es prima passte. Er begrüßt es, dass das Carlo-Schmid-Programm zwar ein Magnet für ein hochkarätiges Kader ist und einen entsprechenden Ruf genießt, aber durch sein Auswahlsystem gleichzeitig Menschen eine Chance gibt, die nicht einer „Elite“ oder einem klassischen Bewerberkreis angehören.
Eine Investition in Hoffnungsträger
Das Renommee des CSP, das ihr später in New York so viele Türen öffnen würde, hatte auch Inga Müller erst einmal zweifeln lassen, ob jemand mit ihrer Biografie dort überhaupt eine Chance bekäme. Doch ihre Professorin und eine Doktorandin an ihrem Lehrstuhl, die CSP-Alumna ist, ermutigten sie.
Inga Christina Müller ist die Älteste von vier Geschwistern. Internationale Politik war selten ein Thema am Abendbrottisch. Doch kaum hatte sie ihr Studium in Braunschweig begonnen, weckten engagierte Dozenten am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen ihr Interesse an Global Governance. Müllers Begeisterung blieb nicht unbemerkt: Ihr Engagement brachte ihr einen Job als studentische Hilfskraft ein. „Das hat dazu geführt, dass ich mich auf einer wissenschaftlichen Ebene immer mehr mit internationalen Normen- und Standardsetzungsprozessen beschäftigt habe und das Bedürfnis hatte, mich dann auch dafür zu engagieren“, so Müller.
Weil ihr das Geld für Konferenzen und unbezahlte Praktika fehlte, verlegte sie ihr internationales Engagement in die Freizeit. Als aktives Mitglied bei der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen leitete Müller bald einen Arbeitskreis und stieg schließlich in den Vorstand auf – neben Master-Studium und Job am Lehrstuhl für Internationale Organisationen und Politikfelder in Potsdam. Ihre Ideen direkt auf dem UN-Parkett einzubringen, das erschien ihr dennoch unmöglich.
Bei der Auswahl der Praktikumsstelle, auf die sie sich bewerben wollte, schaute Müller weder nach dem Status noch nach dem Ort. Vor allem suchte sie nach einer Stelle, die nicht nur ihr, sondern der umgekehrt auch sie etwas zu bieten hatte: „Man muss sich fragen: Womit kann ich rechtfertigen, dass ich so eine Stelle verdiene? Denn ich bekomme ja nicht nur eine Praktikumsstelle, ich bekomme auch ein Stipendium aus Steuerzahlermitteln, die in junge Menschen investiert werden, bei denen das Potenzial gesehen wird, sich durch das CSP noch weiterzuentwickeln.“
Erfahrungen, die unbezahlbar sind
Für Inga Christina Müller hat das funktioniert: „Ohne die Unterstützung des CSP und des dazugehörigen Stipendiums hätte ich niemals ein Praktikum im Kontext der Vereinten Nationen machen können, weil ich es nie selbst hätte finanzieren können, insbesondere nicht hier in New York“, sagt Müller. Zwar hatte sie die UN schon vorher als mögliches Arbeitsfeld in Betracht gezogen. Inzwischen aber haben sich ihre Karriereziele geschärft. „Jetzt ist mir klar: Die Arbeit bei den Vereinten Nationen ist wirklich etwas, wo ich künftig mein Wirkungsfeld sehe.“
Und auch für ihren Chef Pablo Angulo-Troconis war das Carlo-Schmid-Programm die richtige Entscheidung. Müller, die schließlich im Assessment-Center des CSP das Stipendium gewann, war auch seine erste Wahl gewesen. Sein einziger Kritikpunkt: Er findet sechs Monate als Praktikumszeitraum zu kurz. Nur sehr ungern lässt er Müller so bald wieder ziehen.
Petrina Engelke (26. März 2019)
Weitere Informationen
Carlo-Schmid-Programm – Das Auswahlverfahren
- Internationale Organisationen wie die OECD, der WWF, der Internationale Strafgerichtshof oder diverse UN-Organe bewerben sich mit konkreten Job-Beschreibungen beim CSP.
- Die Konkurrenz ist groß: Auf rund 100 Praktikumsstellen bewerben sich jährlich circa 600 hochqualifizierte Menschen.
- Nach einer mehrmonatigen Vorauswahl werden die besten zwei Kandidaten pro Stelle zum Assessment-Center des CSP in Bonn eingeladen. Hier werden sie von einer Auswahlkommission interviewt und bei einer Gruppendiskussion mit anderen Kandidatinnen und Kandidaten beobachtet. „Wir suchen Bewerber, die nicht bloß ein paar Monate in New York bei den Vereinten Nationen erleben möchten, sondern klar darlegen können, inwiefern das Praktikum mit ihrer Motivation und Karriereplanung in Richtung internationale Entwicklungszusammenarbeit zusammenhängt“, sagt Niels Lohmann, Mitglied der Auswahlkommission. Er rät Bewerbern, nicht nur nach den attraktivsten Standorten oder bekanntesten Organisationen Ausschau zu halten, sondern eine klare Antwort auf die Frage zu finden, was man in der jeweiligen Stelle sucht – und diese Antwort sowohl im Bewerbungsschreiben als auch vor der Auswahlkommission zu vermitteln.
- Ähnlich lautet der Rat von CSP-Stipendiatin Inga Müller an zukünftige Bewerber: Bloß nicht einschüchtern lassen. „Man sollte sich auf seine eigenen Stärken konzentrieren und diese gut darstellen und vermitteln können.“
- Informationen zum Programm