Hochschulen für angewandte Wissenschaften − ein Exportmodell

bcc

Mit der „Going Global“ vom 13. bis 15. Mai 2019 findet eine der weltweit wichtigsten Konferenzen für Führungskräfte in der internationalen Hochschulzusammenarbeit erstmals in Deutschland statt 

Lehre und Forschung mit einem anwendungsorientierten Schwerpunkt – das ist seit mehr als 50 Jahren das Erfolgsmodell der deutschen Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Auch international ist das Konzept immer mehr gefragt und entwickelt sich zunehmend zum Exportmodell.

Die Verbindung zwischen Wissenschaft und Technik – den marokkanischen Studenten Hamid Chayeb hat dieses Modell nachhaltig begeistert. Kennengelernt hatte er das Konzept vor einigen Jahren, als er an der Fachhochschule (FH) Aachen sein Chemie-Diplom machte. Nach seinem Abschluss kehrte er zurück in seine Heimatstadt Meknès und seitdem ließ ihn ein Gedanke nicht mehr los: Wie könnte die Universität Moulay Ismail (UMI) in Meknès von diesem Modell profitieren? Mit Kooperationsplänen für einen gemeinsamen Studiengang in der Tasche ging er auf seine ehemaligen Aachener Professoren Thomas Mang und Walter Rath zu. Für den heutigen Rektor der FH Aachen, Professor Marcus Baumann, damals Dekan des Fachbereichs Chemie, war das ein Glücksfall: Mithilfe einer Förderung des DAAD im Rahmen des Programms für Transnationale Bildung schloss die FH Aachen 2010 einen Kooperationsvertrag mit der marokkanischen Uni zur Einrichtung eines Studiengangs „Angewandte Chemie“. 2011 schrieben sich die ersten deutschen Studierenden in Meknès für den neuen Studiengang ein. Später kam – wieder unterstützt vom DAAD – der Studiengang Elektrotechnik hinzu, weitere Studiengänge und ein Double-Degree-Programm mit deutschen und marokkanischen Abschlüssen folgten. Professor Baumann: „Ich bin dem DAAD für seine Unterstützung dankbar. Allein hätten wir die Partnerschaft nicht stemmen können.“

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privat


Professor Marcus Baumann ist Rektor der FH Aachen und überzeugt, dass gerade in Schwellenländern Studiengänge mit Verbindung zur Wirtschaft nötig sind

Leuchtturm FH Aachen
Inzwischen ist die FH Aachen zum Vorzeigebeispiel der wachsenden internationalen Hochschulzusammenarbeit geworden. Mit mehr als 14.500 Studierenden, jährlich fast 2.000 Absolventinnen und Absolventen, zehn Fachbereichen, über 90 Studiengängen, neun In- und drei An-Instituten sowie vier Kompetenzplattformen gehört die FH Aachen mit den beiden Standorten Aachen und Jülich zu den größten der rund 240 Fachhochschulen Deutschlands, die sich in immer größerer Zahl „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ (HAW) nennen, analog zur englischen Entsprechung „University of Applied Sciences“.

Die Zusammenarbeit mit Marokko ist auch deshalb ein Vorzeigebeispiel, weil die FHs und die HAWs es bei der immer wichtiger werdenden Kooperation über Grenzen hinweg schwerer haben. Denn in vielen Ländern ist deren Praxisverknüpfung weitgehend unbekannt. Die wachsende Gruppe internationaler Studierender, die sich für ein Studium in Deutschland interessieren, entscheidet sich für einen Studienort meist auf der Basis von Rankings. Doch dort kommen die FHs nicht vor. Professor Baumann wünscht sich deshalb mehr Unterstützung der Politik, damit die FHs im Werben um Aufmerksamkeit größere Chancen bekommen. „Ich bin überzeugt, dass gerade in Schwellenländern, ob im Maghreb oder in Südostasien, Studiengänge mit der Verbindung zur Wirtschaft nötig sind“, sagt der Rektor. „In Marokko ist diese Botschaft angekommen: Wir können die Kette von der Forschung bis zur Anwendung lückenlos abbilden.“

DAAD: Transnationale Bildung gelingt mit Partnerschaften
Der besondere Stellenwert von FHs und HAWs wird auch im Rahmen der internationalen Konferenz „Going Global“ diskutiert. Das Treffen hochrangiger Vertreterinnen und Vertreter des Hochschulwesens findet im Mai erstmals in Deutschland statt und wurde vom British Council gemeinsam mit dem DAAD organisiert. DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland moderiert dort ein Podium zum Thema „Is the university of applied science model transferable or is it too European?”.

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DAAD/Eric Lichtenscheidt

Für DAAD-Generalsekrätin Dr. Dorothea Rüland ist ein partnerschaftlicher Ansatz zwischen deutschen und ausländischen Hochschulen wichtig

Der DAAD macht sich für die Internationalisierung der Fachhochschulen stark. „Die deutschen Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben weltweit Modellcharakter, weil sie Studium und Praxis verbinden“, sagt Dr. Dorothea Rüland. „Internationale Kooperationen zwischen FHs eröffnen sowohl für deutsche wie für ausländische Hochschulen neue Horizonte. Die deutschen Partner gewinnen wertvolle internationale Studierende, die ausländischen Hochschulen profitieren von der arbeitsmarktorientierten Ausbildung und den Kontakten nach Deutschland.“ Die Form der Zusammenarbeit müsse aber an die jeweiligen regionalen und fächerspezifischen Bedingungen angepasst werden. „Wichtig ist uns dabei ein partnerschaftlicher Ansatz“, so die Generalsekretärin.

Auch dafür ist die Kooperation der FH Aachen mit der UMI ein gutes Beispiel. Darüber hinaus setzt sich der DAAD für Transnationale Bildung durch die Förderung binationaler Universitäten ein. Erfolgreiche Beispiele sind unter anderem die Deutsche Universität in Kairo (GUC), die Deutsch-Jordanische Hochschule (GJU) in Amman oder die Türkisch-Deutsche Universität (TDU) in Istanbul. Insgesamt werden in 80 deutschen vom DAAD unterstützten Projekten Transnationaler Bildung 276 Studiengänge mit rund 32.000 Studierenden angeboten. Deutsche Hochschulen, Bildungskonzepte und Inhalte sind weltweit gefragt.

Wolfgang Thielmann (13. Mai 2019)