Freunde besser verstehen
DAAD/Stefan Falke
Benedikt Brisch blickt täglich auf das UN-Hauptquarter am East River
In mehr als 60 Ländern ist der DAAD durch sein Netzwerk vertreten. Dazu gehören auch seine 15 Außenstellen in Europa, Afrika, Amerika und Asien. Wie erleben die Leiterinnen und Leiter dieser Außenstellen die politische, wirtschaftliche, soziale und vor allem die hochschulpolitische Lage in den jeweiligen Ländern vor Ort? Den Auftakt zu unserer neuen Serie in DAAD Aktuell macht Benedikt Brisch, der seit Januar 2019 die DAAD-Außenstelle in New York leitet.
Das Leben im Big Apple ist einfach anders als das in Bonn. Das erlebt Benedikt Brisch (51) jetzt Tag für Tag. In seiner Bonner Zeit beim DAAD war es ein Katzensprung von seinem Haus bis zum Büro. Heute benötigt er dafür knapp anderthalb Stunden. Er fährt morgens mit dem Commuter Train von Mamaroneck bis zur Grand Central Station, zum Büro der DAAD-Außenstelle sind es anschließend nur wenige Blocks. Gelegentlich setzt er sich dann auf sein Fahrrad und strampelt die letzte Meile bis zum Büro am East River. „Es gibt immer mehr Radwege in Manhattan und einige besonders schöne Abschnitte zum Radfahren an den Uferpromenaden“, erzählt Brisch.
Von Moskau über Bonn nach New York
New York ist für Brisch seit Januar eine neue Station in seiner 20-jährigen Berufslaufbahn beim DAAD. Aufgrund seines Studiums der Osteuropäischen Geschichte, Slawistik und Politikwissenschaften an der Universität Köln lag es nahe, dass er sich zunächst auf die DAAD-Programme in Osteuropa konzentrierte. Im Jahr 2000 ging er erstmals an eine DAAD-Außenstelle: Bis 2004 war er in Moskau tätig. Nach seiner Rückkehr in die Bonner Zentrale gehörten Regionen wie Zentralasien, Westeuropa und Nordamerika zu seinen Aufgabenbereichen. „Die Zeit nach dem Fall der Mauer war besonders spannend, weil Deutschland auf neue Nachbarn zugehen und zu ihnen neue internationale und wissenschaftliche Beziehungen knüpfen konnte. Ich habe deswegen viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen kennengelernt, erzählt Brisch.
Gelegentlich fährt Benedikt Brisch die letzte Meile von der Grand Central Station bis zu seinem Büro mit dem Fahrrad
Neues Land – neue Herausforderungen
Heute blickt er von seinem Büro direkt auf das UN-Hauptquartier am East River und muss sich nun in den USA neuen Herausforderungen stellen, die nicht minder komplex sind als seinerzeit die in Osteuropa: „Die amerikanische Hochschullandlandschaft ist eine der attraktivsten weltweit. Hier wird Spitzenforschung betrieben. Das beweisen die vielen Nobelpreise, die an amerikanische Wissenschaftler verliehen werden. Doch Umfragen zeigen auch, dass das Vertrauen der Gesellschaft in die Hochschulen in Teilen der Bevölkerung gesunken und die Zahl der Neueinschreibungen ausländischer Studierender seit 2017 rückläufig ist.“ Das liege nicht allein an den politischen Veränderungen seit 2016, sondern auch an weiter steigenden Studiengebühren, der wirtschaftlich angespannten Situation in wichtigen Herkunftsländern wie Brasilien oder Indien und der Sorge um die persönliche Sicherheit auf dem Campus angesichts von zahlreichen Schießereien im Land/an den Hochschulen. „Und die Konkurrenz schläft nicht. Das als liberal und weltoffen geltende Kanada mit seinen Spitzenuniversitäten verzeichnet immer mehr internationale Studierende“, erzählt Brisch. Die Folge: Nach dem der Anteil ausländischer Studierender an US-amerikanischen Hochschulen stark gewachsen ist, kommt es jetzt zu einer Abflachung dieser Wachstumskurve. In der amerikanischen Gesellschaft wird ein großer Fokus auf die Berufs- und Gehaltsaussichten gelegt, wodurch den MINT-Fächern häufig der Vorrang gegeben wird. Die Geisteswissenschaften dagegen geraten unter Druck, manche Studiengänge werden eingestellt. Auch die Philologien sind davon betroffen. „Die Neigung, Fremdsprachen zu studieren, ist an den amerikanischen Hochschulen leider immer weiter zurückgegangen“, berichtet Brisch.
Benedikt Brisch entwickelt mit seinem Team immer wieder neue Ideen, um den Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland in den USA noch bekannter zu machen
Werbetouren durch die USA und Kanada
Dies gelte auch für die sogenannte „Outgoing Mobility“: Lediglich etwa 2 Prozent der amerikanischen Studentinnen und Studenten studieren im Ausland. „Die Erfahrung, in internationalen Teams zusammenzuarbeiten, kann man auch an der amerikanischen Universität machen, dafür müssen Amerikaner nicht ins Ausland gehen“, sagt Brisch. Dennoch ist es gelungen, das Interesse amerikanischer Studierender am Studium in Deutschland zu steigern. „Es ist sehr erfreulich, dass die Zahl der Amerikaner, die zum Studium nach Deutschland gehen, kontinuierlich gewachsen ist. Es ist wichtig für das deutsch-amerikanische Verhältnis, dass zukünftige amerikanische Entscheidungsträger Deutschland aufgrund ihrer Studienerlebnisse gut kennen.“ Deswegen sind Brisch und seine 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den USA und auch in Kanada viel unterwegs. „Wir betreiben auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent aktives Marketing für die deutsche Hochschul- und Forschungslandschaft, nehmen an Messen teil, pflegen viele Kontakte zu den Wissenschaftsorganisationen und besuchen amerikanische und kanadische Universitäten von der Ost- bis zur Westküste.“ Ab Mai ist Brisch wieder viel unterwegs mit Stationen in Washington D.C., Portland (US-Bundesstaat Oregon) und San Francisco, um Kontakte und Netzwerke zu pflegen und auszubauen. Das tut er übrigens auch in seiner zweiten Funktion: Brisch leitet das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) New York, das 2010 gegründet wurde, um Deutschlands Position als Land der Forschung, Wissenschaft und Innovation zu stärken und Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft eine Plattform für transatlantischen Austausch und Zusammenarbeit zu bieten. „Auf diese Weise können wir Deutschland als Innovationsstandort bei den US-Amerikanern noch bekannter machen, die vor allem von der Leistungsfähigkeit des deutschen Mittelstands und seiner Innovationsfähigkeit beeindruckt sind.“
Benedikt Brisch im Gespräch mit seinem DAAD-Kollegen Dietrich Fenner
Das Amerikabild der Deutschen
Das Marketing vor Ort begleitet eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. So soll noch ein weiterer Effekt ausgelöst werden, der mit der allgemeinen Verunsicherung über die aktuelle Weltlage zusammenhängt: „Die transatlantischen Beziehungen waren schon einmal in besserer Verfassung. Wir müssen auf beiden Seiten des Atlantiks mehr darüber nachdenken, was unsere gemeinsamen Werte sind und wie unsere demokratischen Systeme funktionieren sollen. Grundvoraussetzung dafür sind Begegnungen auf jedem Level, um einander besser zu verstehen und keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen“, sagt Brisch, der in diesem Zusammenhang eine aktuelle Studie des Pew Research Centers zitiert. Das Ergebnis der Studie: 70 Prozent der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner sagen, das Verhältnis der USA zu Deutschland sei gut. Dagegen geben 73 Prozent der Deutschen an, das Verhältnis Deutschlands zu den USA sei schlecht. „Natürlich wird das Amerikabild in Deutschland immer von den aktuellen US-Präsidenten geprägt. Aber Studierende und Forscher aus Deutschland sammeln in den USA vor allem positive Erfahrungen und fühlen sich in einer der attraktivsten Hochschullandschaften der Welt sehr gut aufgehoben“, erzählt Brisch und meint: „Wir gehen davon aus, dass dies längerfristig auch auf die deutsche Gesellschaft ausstrahlt.“
Freundlich, offen und hilfsbereit
„Natürlich ist ein Auslandsaufenthalt immer eine Umstellung. Aber die Amerikaner machen es einem sehr leicht. Sie sind freundlich, offen und hilfsbereit“, erzählt Brisch, der diese Erfahrung immer wieder selbst macht. Er ist mit seiner Ehefrau, den drei Kindern und dem kompletten Hausstand von Bonn nach Mamaroneck umgezogen. Inzwischen ist die Familie in der neuen Heimat gut angekommen. „Die Kinder fahren jetzt morgens statt mit dem Fahrrad mit dem typischen gelben Bus zur neuen Schule, der German International School New York in White Plains, und fühlen sich in der neuen Umgebung sehr wohl. “ Dafür gibt es noch einen weiteren Grund: Hund, Katze, Meerschweinchen und die sechs Fische der Familie Brisch waren mit an Bord, als es über den großen Teich ging. Alle sind putzmunter.
Michael Siedenhans (16. Mai 2019)
Kurz nachgefragt bei Benedikt Brisch
Ihr Lieblingsort in New York?
Mit der Familie: der Central Park. Er ist für uns ein idealer Ort, um auszuspannen. Und für mich persönlich: mein Fahrradsattel, weil ich mit dem Fahrrad die vielen Facetten von New York entdecken kann. Zum Beispiel die Uferpromenade entlang des Hudson River.
Ihr Lieblingssport in New York?
Wir wohnen in Mamaroneck neben einem Park, in dem jedes Wochenende von morgens bis abends Kinder und Jugendliche Baseball spielen − das ist faszinierend.
Ihr Lieblingsrestaurant in New York?
Die Vielfalt der New Yorker Restaurantszene finde ich toll. Aber die Familie mag am liebsten das klassische Familienrestaurant: den amerikanischen Diner mit Hamburgern oder Pfannkuchen.