Ein konfuzianisches Bildungsbewusstsein
DAAD/Stefan Hase-Bergen
Kein anderer Fluss in Asien fasziniert so sehr wie der Mekong
Vietnam macht die Hochschulen wettbewerbsfähig. Ein Studium in Deutschland hat für Vietnamesen traditionell eine hohe Bedeutung und ist in den letzten Jahren noch beliebter geworden. Zum Wintersemester 2017/2018 stieg die Zahl der zum Studium nach Deutschland gekommenen Vietnamesen um überdurchschnittlich hohe 17 Prozent auf 4.800.
Umgekehrt sind Vietnamesen für deutsche Hochschulen sehr attraktiv, da sie zu den besonders guten internationalen Studierenden zählen, die in der Regel diszipliniert, fleißig und sehr erfolgreich studieren, ähnlich wie Studierende aus anderen ostasiatischen Staaten wie China, Japan oder Korea. Das mag auch damit zusammenhängen, dass diese Gesellschaften stark konfuzianisch geprägt sind und über ein besonders hohes Bildungsbewusstsein verfügen. In den Familien wird ein sehr großer Wert auf gute Bildung gelegt, und sie sind auch bereit, viel Zeit und Geld in die Ausbildung ihrer Kinder zu investieren. Die wiederum zahlen mit hoher Lerndisziplin und viel Ehrgeiz zurück.
Vietnam verfügt über eine boomende Wirtschaft mit einem jährlichen Wachstum von sechs bis sieben Prozent. Insbesondere nach Einführung der marktwirtschaftlichen Reformpolitik „Doi Moi“ 1986 hat das nach dem Ende des Vietnam-Krieges – der in Vietnam zu Recht als „Amerikanischer Krieg“ bezeichnet wird – darniederliegende Land es geschafft, sich aus der totalen Armut zu befreien und sich zu einem „Middle Income Country“ zu entwickeln. So konnte eine wachsende Mittelschicht entstehen, die hohe Bildungsansprüche stellt. Die verschiedenen Regierungen unter Führung der Kommunistischen Partei Vietnams reagierten in den letzten 15 Jahren mit einem enormen Ausbau der Hochschulkapazitäten, wobei jedoch die Bildungsqualität nicht in gleichem Maße mitwachsen konnte. Daher schicken immer mehr Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder zum Studium ins Ausland: nach Japan, in die USA, nach Australien und China, zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich oder eben auch nach Deutschland.
Das Vietnamesisch-Deutsche Zentrum in Vietnam
Die vietnamesische Regierung unternimmt aktuell große und sehr ernsthafte Anstrengungen, um die heimischen Hochschulen wettbewerbsfähiger zu machen. Denn zurzeit würden sich die vietnamesischen Hochschulen langsamer als die Gesellschaft insgesamt entwickeln, so eine Analyse von vietnamesischen Hochschulrektoren auf einem DAAD-Workshop. Als wesentlicher Hebel für eine Verbesserung wird eine zunehmende Autonomie der bisher unter starker Kontrolle des Ministry of Education and Training (MoET) und anderer Ministerien stehenden Hochschulen gesehen. Das MoET hat dafür das Hochschulgesetz überarbeitet, es wurde nach monatelangen Diskussionen in der Gesellschaft im November von der
Nationalversammlung verabschiedet. Diese von der Regierung forcierte Autonomie stellt die Hochschulen jedoch vor große Herausforderungen, denn damit ist zunächst eine hohe finanzielle Unsicherheit verbunden, da eine automatische Grundfinanzierung durch den Staat für autonome Hochschulen nicht mehr vorgesehen ist. Vielmehr sollen die Hochschulen sich über höhere, aber staatlich weiterhin gedeckelte Studiengebühren, über Drittmittel vor allem in der Forschung und Kooperationen mit der Wirtschaft finanzieren. Das wird umso schwieriger, als in den letzten Jahren die Studierendenzahlen leicht zurückgegangen sind und damit der Wettbewerb um die Studierenden unter den Hochschulen wächst.
Viele Hochschulrektoren betonen, dass sie ihre Hochschulen in erster Linie über eine bessere Qualität für diesen Wettbewerb fit machen wollen. Allerdings wissen sie oft nicht, wie sie die Autonomie an ihren Hochschulen in Bereichen wie Führungsstruktur, Personal oder vor allem auch in der Lehre und Forschung umsetzen können, nachdem sie jahrzehntelang nur die Vorgaben der Ministerien umsetzen durften.
Stefan Hase-Bergen leitet die Außenstelle des DAAD in Vietnam
Hochschulautonomie sowie eine freie und unabhängige Wissenschaft werden von den meisten Hochschulen als Chance begriffen, um vor allem die Qualität in Lehre und Forschung zu verbessern. Dass das funktionieren kann, beweisen einige der 23 Pilothochschulen, die bereits die Autonomie erlangt haben. So haben sich mit den beiden Nationaluniversitäten in Hanoi und Saigon erstmals zwei vietnamesische Hochschulen unter den besten 1.000 Hochschulen im QS-Ranking platzieren können. Die Hanoi University of Science and Technology – geleitet von dem in Dresden ausgebildeten DAAD-Alumnus Professor Hoang Minh Son – orientiert sich bei ihren Studienplänen zunehmend an kompetenzorientierter
Lehre, ihre Absolventen sind auf dem heimischen Arbeitsmarkt weit über dem Durchschnitt erfolgreich. Zugleich intensiviert sie ihre Forschungen, während die meisten Hochschulen in Vietnam in erster Linie noch der Lehre verhaftet sind. Die Danang University of Economics möchte sich in Lehre und Forschung durch eine konsequente Internationalisierungsstrategie weiterentwickeln und nutzt dafür die gewonnene Gestaltungsfreiheit.
Ab 2020 sollen, so die Zielsetzung des MoET, alle Hochschulen in Vietnam autonom sein. Dafür suchen viele von ihnen nun Partner weltweit, um zu lernen, um Studierende und Lehrende auszutauschen und um zunehmend auch in der Forschung zusammenzuarbeiten. Angesichts der hohen Bedeutung, die Bildung und Wissenschaft im konfuzianisch geprägten Vietnam haben, sowie des ernsthaften Ringens um eine wirkungsvolle Hochschulentwicklung bieten sich für die traditionell geschätzten deutschen Hochschulen nun sehr gute Möglichkeiten, langfristige Kooperationen in einem Hochschulmarkt mit viel Potenzial einzugehen.
Stefan Hase-Bergen
Der Beitrag ist zuerst erschienen in www.politikundkultur.net (Ausgabe: Nr. 1/2 2019).