Indonesien will Ausbildungsqualität steigern
Jalan Sudirman
Jakarta, der Wirtschaftsmotor Indonesiens, entwickelt sich schnell. Über zehn Millionen Menschen leben in der Stadt, über 32 Millionen in der Metropolregion
Der Weg zu einer starken Wirtschaftsmacht ist nur mit einer gut ausgebildeten jungen Generation erreichbar. Indonesien will daher verstärkt ausländische Lehrende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Hochschulen des Landes gewinnen.
Am 17. April fanden in Indonesien Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Bereits nach den ersten Hochrechnungen schien klar, dass der bisherige Präsident, Joko Widodo, allgemein nur „Jokowi“ genannt, auch für die nächsten fünf Jahre das Präsidentenamt ausüben würde. Allerdings erkannte der unterlegene Gegenkandidat, Ex-General Prabowo Subianto, das Wahlergebnis nicht an. In der Folge kam es zu Protestdemonstrationen und organisierten Unruhen, bei denen neun Personen starben und Hunderte verletzt wurden. Das unterlegene Wahlkampfteam reichte auch eine Klage wegen Wahlbetrugs vor dem indonesischen Verfassungsgericht ein. Diese wurde inzwischen abgelehnt, die zweite Amtszeit Jokowis kann daher als gesichert gelten.
Der Wahlkampf selbst war friedlich verlaufen, trotz der politischen, sozialen und religiösen Spannungen, die die indonesische Gesellschaft belasten. Eine Gesellschaft von 263 Millionen Menschen, mit einem stark wachsenden Anteil an junger Bevölkerung. Die Regierung hat das Ziel verkündet, das Land bis 2045 zur viertstärksten Wirtschaftsmacht weltweit zu entwickeln. Aber auf dem Weg dorthin müssen die immer noch großen sozialen Probleme des Landes angegangen, die immer wieder bedrohte Toleranz muss gesichert werden. Das gilt auch für das gegenseitige Verständnis zwischen den Religionen des Landes. Dominierend ist der Islam, dem ca. 87 Prozent der Bevölkerung angehören, aber auch evangelische und katholische Christen, Hindus und Buddhisten bilden große und oft regional dominierende Gruppen. Ebenso steht auch die Frage der Ausbildung der jungen Generation im Raum. Denn es ist unbestritten, dass der Weg Indonesiens zu einer starken Wirtschaftsmacht nur mit einer gut ausgebildeten jungen Generation erreichbar ist. Oder, im Umkehrschluss: Gelingt es nicht, die Jugend des Landes mit einer sehr guten Ausbildung für den globalen Wettbewerb zu wappnen und ihnen berufliche Entwicklungschancen zu vermitteln, drohen neue soziale Probleme und die Abwanderung junger Talente ins Ausland. Dies ist, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, beiden Präsidentschaftskandidaten klar.
Viele Hochschulen, geringe Qualität
Kein Wunder, dass sich im Bereich der Bildung die Programme kaum voneinander unterscheiden und vor allem ein Ziel haben: die Erhöhung der Qualität der Ausbildung an Schulen und Hochschulen. Derzeit gibt es in Indonesien fast 4.700 Hochschulen. Viele davon sind kleine private Einrichtungen, die nur wenige Fächer anbieten. Nicht alle Hochschulen unterstehen dem Ministerium für Forschung, Technologie und Hochschulbildung (RISTEKDIKTI), allein 1.200 Hochschulen sind dem Religionsministerium unterstellt. Der Fächerkanon dieser Hochschulen – neben islamischen Einrichtungen gehören hierzu auch katholische, evangelische, hinduistische oder buddhistische Institutionen – konzentriert oder beschränkt sich häufig auf religiöse Fächer. Von den genannten 4.700 Hochschulen sind nur ca. 430 staatliche Einrichtungen, an denen aber über 40 Prozent der Studierenden eingeschrieben sind. Bei der großen Mehrzahl handelt es sich dagegen um private Institutionen. Das Hauptproblem der indonesischen Hochschulen ist die niedrige Qualität der Ausbildung.
Gut ausgebildetes Lehrpersonal fehlt
Das rasche Wachstum der Hochschullandschaft, getrieben von einer rasant wachsenden Tendenz zur Hochschulbildung, welche ihrerseits durch die schrittweise Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards und die Entstehung einer indonesischen Mittelschicht bedingt wird, hat zur Gründung vieler neuer Hochschuleinrichtungen geführt. Dem Ausbau der Hochschulen steht allerdings ein großer Mangel an gut ausgebildetem Lehrpersonal gegenüber. Nur 14 Prozent des Hochschulpersonals sind derzeit promoviert, 68 Prozent haben einen Master-Abschluss, 12 Prozent verfügen über einen Bachelor-Abschluss. Forschung findet nur an einigen wenigen guten Einrichtungen statt. Zu diesen zählen zum Beispiel die Universitas Gadjah Mada (UGM) in Yogyakarta, die Universitas Indonesia in Jakarta und das Institut Teknologi Bandung (ITB).
Thomas Zettler leitet die Außenstelle des DAAD in Jakarta, Indonesien
Die indonesische Regierung hat die Probleme erkannt und versucht, mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern. Dabei spielt auch der Kostenaspekt eine Rolle: Man möchte zukünftig weniger auf teure staatliche Stipendienprogramme für ein Auslandsstudium setzen, sondern vermehrt ausländische Dozenten und Wissenschaftler für eine zeitweise oder dauerhafte Tätigkeit in Indonesien gewinnen. So hat man zum Beispiel das „World Class Professor Program“ aufgelegt, mit dem ausländische Wissenschaftler für einen begrenzten Aufenthalt an eine indonesische Hochschule eingeladen werden können. Sie sollen dort gemeinsam mit indonesischen Wissenschaftlern lehren, forschen und publizieren. Erstmals soll es auch ausländischen Hochschulen ermöglicht werden, eigene Ausgründungen in Indonesien zu betreiben. Durch gesetzliche Regelungen, die den Zugang von Ausländern zum indonesischen Arbeitsmarkt erleichtern, sollen zusätzlich vermehrt ausländische Dozenten für eine Tätigkeit an indonesischen Hochschulen gewonnen werden. Die Umsetzung vieler Reformen geht indes nur langsam voran. Es gibt zudem nicht nur Befürworter der Internationalisierungsbestrebungen: In der Presse wurden bereits einzelne Befürchtungen geäußert, einheimische Dozenten und einheimische Hochschulen könnten durch ausländische Konkurrenten verdrängt oder lokale kulturelle Werte durch allzu großen ausländischen Einfluss infrage gestellt werden. Trotz solcher Ängste und Sorgen besteht kaum ein Zweifel daran, dass Indonesien sich auf dem Weg zu seinen ehrgeizigen wirtschaftlichen und politischen Zielen auch in den nächsten Jahren weiter öffnen und ein noch wichtigerer Partner für unsere Hochschulen werden wird.
Circa 140 Partnerschaften zwischen deutschen und indonesischen Hochschulen bestehen derzeit. Fast 5.000 Indonesier studieren momentan in Deutschland. Zehntausende Indonesier haben in der Vergangenheit längere Studien- oder Arbeitsaufenthalte in Deutschland absolviert. Allein der DAAD zählt über 3.100 indonesische Alumni. Viele von ihnen arbeiten an den besten Hochschulen des Landes. Eine gute Basis für die deutsch-indonesischen Hochschulbeziehungen.
Thomas Zettler
Der Beitrag ist zuerst erschienen in „Politik und Kultur“ (Zeitung des Deutschen Kulturrates, Ausgabe 5/2019).
Update: 5. Juli 2019