Frankreich für internationale Studierende attraktiver machen
Campus France
Frankreichs neue Internationalisierungsstrategie soll das Land für internationale Studierende attraktiver machen
Im Wettbewerb um die besten Köpfe setzt die französische Regierung unter Emmanuel Macron ab dem Wintersemester 2019 auf die Internationalisierungsstrategie „Bienvenue en France“.
Frankreich war 2015 für internationale Studierende das beliebteste nicht-englischsprachige Zielland und belegte in den Rankings nach den USA, Großbritannien und Australien Platz vier (239.409 ausländische Studierende) knapp vor Deutschland (235.858 ausländische Studierende). Ein Jahr später schrumpfte der Abstand: Laut der UNESCO studierten 2016 in Frankreich 245.000 ausländische Studierende, in Deutschland 244.000. Und im Studienjahr 2017 drehte sich das Bild: Nach Angaben des französischen Bildungsministeriums waren 343.000 internationale Bildungsin- und ausländer immatrikuliert. An deutschen Hochschulen dagegen mittlerweile insgesamt etwa 358.900. Was war passiert? Der DAAD und die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) hatten 2013 das Mobilitätsziel von 350.000 Studierenden ausgerufen und eine neue Willkommenskultur angekündigt. Diese trug in Deutschland nun Früchte.
Höchste Zeit für eine Strategie
Auch wenn alle Zahlen mit Vorsicht zu betrachten sind, weil jede Quelle ihre Daten unterschiedlich erhoben hat, war es aus Sicht der Franzosen höchste Zeit, auf die Entwicklung zu reagieren und eine eigene Strategie zu entwickeln. Mitte November 2018 präsentierte Premierminister Édouard Philippe die Internationalisierungsstrategie „Bienvenue en France“. Das Ziel: bis 2027 die Zahl der internationalen Studierenden in Frankreich von 324.000 auf 500.000 pro Jahr zu erhöhen. „Durch die neue Strategie soll einerseits ein Studium in Frankreich für Studierende aus den frankophonen Ländern Afrikas attraktiv bleiben, andererseits die Attraktivität für Studierende aus den aufstrebenden Ländern wie Indien, Brasilien, Indonesien oder Vietnam erhöht werden, um langfristig bessere diplomatische Beziehungen zu diesen Ländern zu knüpfen“, erklärt Florent Bonaventure, Kommunikationsdirektor von Campus France, der staatlichen Agentur für die Förderung des französischen Hochschulsystems im Ausland.
Florent Bonaventure, Kommunikationsdirektor von Campus France
Mehr Service und englischsprachige Studiengänge
Das Programm „Bienvenue en France“ macht für Bildungsausländer die Aufnahme eines Studiums in Frankreich vor allem einfacher: schnelles Online-Visaverfahren, weniger Verwaltungshürden, Studienmöglichkeiten in Englisch in fast allen Fächern und eine einheitliche Willkommenskultur. An den Hochschulen unterstützen sogenannte „guichets uniques“ (Welcome Desks) die Studierenden vor Ort bei der Suche nach Wohnraum oder bei der Einschreibung. „Dieser Service ist eine Innovation für französische Universitäten, bei denen die Betreuung der internationalen Studierenden noch nicht so fest verankert ist wie in Deutschland“, sagt Christiane Schmeken, Direktorin Strategie beim DAAD. Weiterhin soll das Angebot an Französisch-Sprachkursen, Lehrangeboten auf Englisch und Online-Sprachkursen verdoppelt werden. „Bislang bieten die französischen Hochschulen etwa 1.400 Lehrangebote in Englisch an. In Zukunft wird sich das ändern“, sagt der Campus-France-Sprecher Bonaventure, „das Ziel ist es, französische Universitäten dabei zu unterstützen, mehr englischsprachige Studiengänge auf Bachelor- und Master-Level zu entwickeln.“
Christiane Schmeken, Direktorin Strategie beim DAAD
Chance für Hochschulen in der Provinz
„Bienvenue en France“ soll auch ein Marketinginstrument werden. Dafür wurde das „Bienvenue-en-France“-Label eingeführt – für alle Hochschulen, die sich besonders für die Betreuung internationaler Studierender engagieren. „Diese Idee ist besonders charmant für Hochschulen in der Provinz“, sagt Dr. Christian Thimme, Leiter der Pariser DAAD-Außenstelle. „Sie können es gezielt einsetzen, um mit ihrem Standort und ihren Lehrinhalten bei den ausländischen Studierenden zu punkten. Das kann ein Vorteil sein im Wettbewerb mit den Hochschulen in der Metropole Paris.“ Diesen Effekt bestätigt Bonaventure: „Das Label wird bereits landesweit eingesetzt, um die Services für internationale Studierende bekanntzumachen. Dies kann auch Hochschulen in der Provinz helfen, sich stärker zu positionieren.“
Dr. Christian Thimme, Leiter der Pariser DAAD-Außenstelle
Französische Hochschullandschaft im Ausland stärken
Um die gewünschten Zielgruppen zu erreichen, wird für „Bienvenue en France“ vor allem im Ausland geworben. „Dafür nutzen wir das internationale Netzwerk von Campus France mit seinen weltweit 256 Büros, die in den französischen Botschaften und Konsulaten vertreten sind. Dort machen wir auf Veranstaltungen unser Programm noch bekannter“, sagt Bonaventure. Ein weiteres Element der Werbestrategie sei die Unterstützung von Schwellenländern beim Aufbau ihrer Bildungsinstitutionen: „Das Ziel ist es, gemeinsam mit lokalen Partnern neue Programme, Diplome, aber auch Universitätsgelände zu entwickeln und aufzubauen, die an die lokalen Bedürfnisse und deren Kontext angepasst sind. Die Idee ist es, das lokale Hochschulumfeld zu unterstützen, beim Kapazitätsaufbau zu helfen und Absolventen vor Ort französische Qualitätsdiplome anzubieten.“
Kontroverse über höhere Studiengebühren
„Bienvenue en France“ hat aber auch für Kontroversen in der französischen Öffentlichkeit und für Proteste an französischen Hochschulen gesorgt. Der Grund: die Erhöhung der Studiengebühren und der damit voraussichtlich verbundene erschwerte Hochschulzugang für internationale Studierende aus einkommensschwachen Familien. Denn ab dem Wintersemester 2019 sollen nicht-europäische Studierende, die sich erstmals in Frankreich einschreiben, nicht mehr die gleichen Gebühren wie französische bzw. europäische Studierende zahlen. Die Studiengebühren werden pro Semester für sie von aktuell 170 Euro fürs Grund-, 243 Euro für ein Master- und 380 Euro für ein Promotionsstudium auf 2.770 Euro für ein Grund- und 3.770 Euro für ein Masterstudium steigen. Die Regierung begründete die Erhöhung der Studiengebühren damit, dass auf diese Weise die Universitäten dabei unterstützt werden, ihre Services für Studierende zu verbessern. Gleichzeitig stellte die französische Regierung eine Verdreifachung der Stipendien für internationale Studierende von 7.000 auf 21.000 Stipendien pro Jahr (15.000 staatliche, 6.000 hochschulinterne Stipendien) in Aussicht.
Kritik aus Afrika
Auch in den frankophonen Staaten Afrikas wurde die Studiengebührenerhöhung scharf kritisiert. So forderte Dr. Lassana Konaté, Direktor für Forschung und Innovation im Bildungsministerium Senegals, dass die afrikanischen Staaten gemeinsam mit Frankreich verhandeln müssten, um höhere Studiengebühren zu verhindern. „Wenn wir das nicht tun, werden sich die Gebühren um das 15- bis 16-fache erhöhen und viele afrikanische Studenten in Frankreich schwierige Zeiten erleben.“ Inzwischen haben sich die Wogen geglättet, so Florent Bonaventure. Das hat mehrere Gründe: Die Verdreifachung der Stipendien hat die Regierung inzwischen bestätigt. Und jede Universität darf nun selbst darüber entscheiden, ob sie die Studiengebühren erhöht. „Außerdem hat die Öffentlichkeit erkannt, dass der Wissenschaftsstandort Frankreich sich außerhalb Europas wettbewerbsfähiger darstellen muss, um internationale Studierende anzuziehen.“
Die Universität Aix-Marseille gilt als jüngste Universität Frankreichs und entstand aus dem Zusammenschluss dreier bereits zuvor bestehender Universitäten
Benchmark Deutschland, Schweden und Großbritannien
Mit dem Programm „Bienvenue en France“ hat Frankreich seinen eigenen Weg beschritten, um sich in Wissenschaft und Forschung international zu vernetzen und so auf die Megatrends wie den demografischen Wandel, die Internationalisierung und die Digitalisierung zu reagieren. „Unsere Benchmarks waren Deutschland, Schweden und Großbritannien, die früher als wir Internationalisierungsstrategien entwickelt haben. Das beste davon haben wir mit unseren eigenen Ideen vermischt“, erzählt Bonaventure. Christian Thimme vom DAAD-Büro Paris begrüßt das Maßnahmenbündel: „Es verbessert eindeutig die Willkommenskultur an den französischen Hochschulen und macht es für die internationalen Studierenden einfacher, sich im neuen Land zurecht zu finden.“ Neben Werbemaßnahmen komme es aber vor allem auf die Qualität des Studien- und Forschungsangebots an, bemerkt Christiane Schmeken: „Mir gefallen der Slogan und der Marketingaspekt für die Hochschulen in der Provinz. Um noch bessere Bewerber aus noch mehr Ländern zu gewinnen, zählt aber in erster Linie die Qualität der Lehre und der Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Daran muss noch gefeilt werden, damit Frankreich auch die Zahl seiner internationalen Doktorandinnen und Doktoranden sowie Post-Docs weiter erhöht. Deutschland hat hier in den letzten Jahren viel investiert, nicht zuletzt im Zuge der Exzellenzstrategie. Dies war auch notwendig, denn wir sind aufgrund unserer föderalen Struktur und unserer Sprache gegenüber den anglo- und frankophonen Ländern im Nachteil.“
Michael Siedenhans (29. Juli 2019)
Weitere Informationen
„Bienvenue en France“ – Zahlen und Fakten
- Ziel bis 2027: Zahl der internationalen Studierenden in Frankreich von 324.000 auf 500.000 zu steigern.
- Ab 2019 fließen fünf Millionen Euro in die Unterstützung und Finanzierung der Präsenz der französischen Hochschullandschaft im Ausland, danach jährlich 20 Millionen Euro.
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