SDG-Graduiertenkolleg Vietnam: Vier Partner für mehr Nachhaltigkeit
Universität Rostock/ITMZ
Unterzeichnung des Double-Degree-Vertrags (v.l.: Prof. Wolfgang Schareck, Rektor der Universität Rostock, und Prof. Hoang Minh Son, Präsident der Technischen Universität Hanoi-HUST)
Die Universität Rostock und das Leibniz-Institut für Katalyse sowie die Technische Universität Hanoi und die Hanoi University of Science bündeln ihre Stärken in einem SDG-Graduiertenkolleg, das sich mit der Schlüsseltechnologie Katalyse befasst. Für beide Seiten entsteht eine gewinnbringende Kooperation.
„Normalerweise“, sagt Dirk Hollmann, „finden internationale Wissenschaftspartnerschaften nur in kleinem Rahmen zwischen einzelnen Personen statt und meist zwischen Industrieländern.“ Damit hebt der promovierte Chemiker an der Universität Rostock die Besonderheiten des Graduiertenkollegs zwischen Deutschland und Vietnam hervor, das er als deutscher Verantwortlicher leitet: Es handelt sich um eine institutionelle strategische Vierfach-Partnerschaft zwischen der Universität Rostock, dem ihr verbundenen Leibniz-Institut für Katalyse, der Technischen Universität Hanoi (Hanoi University of Science and Technology = HUST) sowie deren Kooperationspartner, der Hanoi University of Science (VNU-HUS). „Durch die Partnerschaft können wir die Stärken aller vier Partner bündeln“, sagt Hollmann.
Breite Wirkung durch Langzeit- und Kurzzeitstipendien
Der Name des Programms, RoHan SDG Graduate School „Catalysis as Key towards Sustainable Ressource Management“, spiegelt die Zusammenarbeit: RoHan steht für die Verbindung von Rostock und Hanoi im Bereich Chemie und Katalyse. Über Langzeit- und Kurzzeitstipendien strebt die Kooperation eine möglichst breite Wirkung an. „Das übt einen nachhaltigeren Einfluss sowohl auf die Wissenschaft als auch die Wirtschaft aus“, sagt Hollmann.
Das Programm gehört zu den sieben vom DAAD geförderten bilateralen SDG-Graduiertenkollegs. Diese sollen helfen, die 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals = SDGs) umzusetzen. Die finanziellen Mittel für die Förderung stellt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zur Verfügung.
Feierliche Unterzeichnung des Double-Degree-Vertrags (v.l.: Prof. Udo Kragl, Prorektor für Forschung und Wissenstransfer, Prof. Wolfgang Schareck, Rektor der Universität Rostock, Prof. Hoang Minh Son, Präsident der Technischen Universität Hanoi-HUST, Michael Paulus, Leiter des Rostock International House, Dr. Dirk Hollmann, Leiter des RoHan-Projektes)
An internationale Forschung anknüpfen
„Für uns in Vietnam ist die Zusammenarbeit mit Rostock von grundlegender Bedeutung“, sagt Assistenzprofessorin Le Minh Thang von der HUST. Sie betreut in der Kooperation die vietnamesische Seite: „Der Austausch bringt uns stärker in Kontakt mit dem internationalen Forschungsstand.“ Unter anderem freut sich Le Minh Thang darüber, dass den vietnamesischen Partnern Labore mit modernen Geräten eingerichtet wurden. „Jetzt können wir auf dem gleichen Level forschen“, sagt sie, „und Studierende, die zum Austausch in Rostock waren, können ihre Studien in Hanoi nahtlos fortsetzen.“ Mit der Kenntnis und dem Austausch, der nun unter Professoren und Studierenden möglich sei, „gewinnt das Thema Nachhaltigkeit in Vietnam neue Impulse.“ Für sie leistet die universitäre Zusammenarbeit außerdem einen Beitrag zur Frauenförderung. „Die erweiterten Möglichkeiten ermutigen Frauen zum Chemiestudium. Sie können sich leichter für das Fach entscheiden. Der Zugang über die Beschäftigung als Chemikerin bei einem Unternehmen ist in Vietnam schwieriger, da die Arbeitsbedingungen für Frauen oft nicht einfach sind.“
Vorlesung in Vietnam
Doppelabschlussprogramm in Planung
Derzeit sind 50 Studierende, Promovierende, Postdocs sowie Professorinnen und Professoren in die Zusammenarbeit eingebunden. Endgültig sollen es 65 werden. Darüber hinaus unterzeichneten die beteiligten Partner eine Kooperation zur Entwicklung eines Double Degree, eines in beiden Ländern anerkannten Abschlusses. Die Teilnehmenden sollen ab September 2019 jeweils ein Studienjahr im Gastland verbringen. Der Masterabschluss wird von beiden Universitäten ausgestellt und anerkannt.
Nach der Unterzeichnung des Double-Degree-Vertrags im Juni 2019 betonten der Rektor der Universität Rostock, Prof. Wolfgang Schareck, und der Direktor der Technischen Universität Hanoi, Prof. Hoang Minh Son, die langfristige Wirkung auf die Internationalisierungsstrategien und die Zusammenarbeit der Universitäten. Der Prorektor für Forschung und Wissenstransfer und Leiter des Doppelabschlussprogramms am Institut für Chemie, Prof. Udo Kragl, nannte das Abkommen „ein Paradebeispiel, wie internationale Kooperationen auf eine neue Ebene gehoben werden“.
Forschung an Katalysatoren für die Abwasserreinigung (v.l.: Dr. Dirk Hollmann, Ngo Anh Binh, Julia Haak)
Katalyse als Schlüsseltechnologie
In den Projekten geht es um Katalyse, eine Technologie, die den Alltag entwickelter Gesellschaften prägt. Die gemeinsamen Forschungen gelten globalen Problemen wie der Wasser- und Abgasreinigung. Deutschland gilt den vietnamesischen Forschern als Vorreiter für neue Technologien. „Grundwasser und Flüsse in Vietnam sind durch Abwässer aus der Textil- und Großindustrie vergiftet, so dass nur Wasser aus Flaschen trinkbar ist“, sagt Hollmann. „Darüber hinaus herrscht in den Großstädten Smog durch Verkehr und Industrie.“ Bei der Lösung hilft Katalyse ebenso wie sie die Speicherung von Strom und die Herstellung vieler Stoffe für den Alltag möglich macht. Sie ist eine Schlüsseltechnologie für Herstellung und Verwertung und unterstützt so Nachhaltigkeit, der die sieben vom DAAD geförderten Graduiertenkollegs verpflichtet sind. „Um die Klimaerwärmung zu dämpfen, um einen ausgewogenen Energiehaushalt zu erreichen und erneuerbare Quellen zu erschließen, brauchen wir Katalyseforschung“, sagt Prof. Matthias Beller, der Leiter des Leibniz-Instituts für Katalyse. Es ist das größte Institut seiner Art in Europa.
Einweihung des RoHan Catalysis Lab an der Technischen Universität Hanoi (HUST) mit Dr. Dirk Hollmann (4.v.r.), Prof. Udo Kragl (3.v.r.) und Prof. Le Minh Thang (2.v.r.)
Rasante Entwicklung in Vietnam
Deutschland nimmt eine Führungsrolle bei der Katalyseforschung ein. Und ihre Entwicklung ist unverzichtbar für ein aufstrebendes Land wie Vietnam. Es zählt zu den sich am schnellsten entwickelnden Ländern der Erde. Seit mehreren Jahren steigen die Studierendenzahlen stark. Beim PISA-Ranking erreichte Vietnam für ein Entwicklungsland außergewöhnliche Ergebnisse, darunter Platz 8 weltweit in Naturwissenschaften. Der Sektor der nachhaltigen Entwicklung wächst nach einheimischen Quellen jährlich zwischen 16 und 17 Prozent. Die Forschung hat Mühe, nachzukommen. Es gibt keine Schulpflicht, und die Eltern müssen die Bildung ihrer Kinder selbst bezahlen. Andere Formen des wissenschaftlichen Studiums sind in Vietnam differenzierter entwickelt als in vielen Industrieländern, hat Hollmann beobachtet. Zum Beispiel Online-Kurse, die es erlauben, von überall aus zu studieren.
Koordinatoren des RoHan-Projektes (v.l.: Dr. Esteban Mejia, Prof. Udo Kragl, Prof. Le Minh Thang, Prof. Le Thanh Son, Dr. Dirk Hollmann)
Lange Tradition zwischen beiden Ländern
Die Beziehungen zwischen den Universitäten reichen mehr als eine Generation zurück. Auf 100.000 wird die Zahl der Vietnamesen beziffert, die in der DDR studiert, gearbeitet oder eine Ausbildung gemacht haben. Rostock hat den Kontakt über die Wende von 1989 hinweg gepflegt und daraus die breit angelegte Hochschulzusammenarbeit entwickelt, die jetzt beginnt, ganz neue Früchte im Blick auf Nachhaltigkeit abzuwerfen.
Wolfgang Thielmann (27.08.2019)