Lehrreiche Erfahrungen

DAAD/Teichmann

Bestens vorbereitet auf die Vielfalt im Klassenzimmer: Lehramt.International fördert die Internationalisierung der Lehramtsausbildung

Lehramtsausbildende Hochschulen entwickeln seit knapp einem Jahr interkulturelle Lerngelegenheiten für angehende Lehrkräfte – „Lehramt.International“ macht es möglich. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Programm des DAAD stieß von Beginn an auf viele offene Ohren und Unterstützende aus dem Hochschulkosmos, darunter auch Prof. Axinja Hachfeld, Universität Konstanz, die die Bedeutung einer transnationalen Ausbildung von Lehrenden herausstellt.

Deutschland ist vielseitig – und so auch seine Klassenzimmer. Etwa 30 Prozent aller Schulkinder haben einen Migrationshintergrund. Mehrsprachigkeit ist eher Regel als Ausnahme. Eine solche Vielfalt ist bereichernd, gleichzeitig geht sie auch mit hohen Ansprüchen an die Lehrkräfte einher. Um auf die Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler einzugehen und sie bestmöglich in ihrem Lernen und ihrer Entwicklung zu unterstützen, braucht es eine Lehrkraft, die kompetent und konstruktiv mit Diversität umgeht. Eine Lehrkraft, die sich mit kulturellen Unterschieden auskennt, die sich bestenfalls selbst einmal fremd gefühlt hat und nicht nur aus moralischem Eifer heraus argumentiert, sondern aus überzeugender Erfahrung. In einer Gesellschaft, die mit zunehmendem Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit konfrontiert ist, können sie so als „Botschafterinnen und Botschafter der Welt“ im Klassenraum wirken. Genau hier setzt das DAAD-Programm „Lehramt.International“ zur Internationalisierung der Lehramtsausbildung an.

Programm speziell für die Lehramtsausbildung
Es gibt wohl kaum jemanden, der nach einer Studienzeit im Ausland – sei es für ein Auslandssemester oder -praktikum – nicht von einer bereichernden Erfahrung spricht. Daher war es nur logisch, dass Anfang 2019 mit „Lehramt.International“ ein spezifisches Programm für künftige Lehrkräfte ins Leben gerufen wurde. „Wir haben durch verschiedene Veranstaltungen, Tagungen und Umfragen genau den Bedarf der Studierenden und Hochschulen abgefragt. Diese Herangehensweise hat es uns ermöglicht, ‚Lehramt.International‘ passgenau und zielgruppenorientiert aufzubauen“, sagt Programmkoordinatorin Caroline Nehls.

Neu bei „Lehramt.International“ – und dem gleichzeitig gestarteten „HAW.International“ zur Förderung der Internationalisierung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften – ist zudem die Mehrgleisigkeit des Programms: Gezielt werden verschiedene Stakeholder-Gruppen durch unterschiedliche Angebote angesprochen. So werden einerseits die deutschen Hochschulen mit Fördergeldern unterstützt, um die Internationalisierung der Lehramtsausbildung im Rahmen von Modellprojekten voranzutreiben. Dazu gehören Kooperationen mit anderen Hochschulen, die systemische Integration von Mobilitätsfenstern in bestehende Studiengänge oder auch Maßnahmen der „Internationalisierung zuhause“. Angehenden Lehrkräften soll es durch ein gesondertes Stipendienprogramm ungeachtet ihrer Hochschulen leichter gemacht werden, während des Studiums beziehungsweise vor dem Einstieg in das Referendariat, Praxiserfahrungen an schulischen Einrichtungen im Ausland zu sammeln.

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privat

Caroline Nehls, Programmkoordinatorin beim DAAD, bescheinigt Lehramt.International eine besonders hohe Attraktivität
 

Hohe Nachfrage von Studierenden und Hochschulen
Das Interesse sowohl auf Hochschulseite als auch bei den angehenden Lehrkräften war von Beginn an enorm. Knapp 1.000 Bewerbungen für Individualstipendien gingen im ersten Jahr beim DAAD ein. Über 600 Stipendien wurden inzwischen bewilligt. „Mit einer so großen Nachfrage haben wir nicht gerechnet“, sagt Nehls. Aber das Programm sei auch sehr attraktiv. „Zunächst handelt es sich um ein Vollstipendium. Alle Fächer, Zielländer und Schulformen sind möglich. Man kann sich individuell aussuchen, an welche Schule man geht. Die Zeiträume sind zwischen einem und zwölf Monaten frei wählbar; Bewerbungen auch relativ kurzfristig möglich. Das macht ‚Lehramt.International‘ flexibler als viele andere Förderungen.“ Einen hohen Zuspruch findet auch die Förderung von Modellprojekten an Hochschulen: Hier gingen 48 Projektanträge ein, von denen schließlich 19 gefördert werden.

Für die Profilierung bei der Jobsuche als Lehrkraft sind internationale Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen bislang nicht maßgebend, anders als bei fast allen anderen Studienrichtungen. Auch ist für nur wenige Unterrichtsfächer ein Studienaufenthalt oder Praktikum im Ausland curricular vorgeschrieben. Meist ist dies bei Fremdsprachen der Fall – jedoch nicht in allen Bundesländern. Deshalb geht „Lehramt.International“ auch auf politischer Ebene auf Entscheidungsträger zu, um den Dialog darüber zu fördern, wie bestehende Hindernisse für eine systematische Internationalisierung der Lehramtsausbildung reduziert werden und neue Anreize gesetzt werden können.

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privat

Für Erziehungswissenschaftlerin Prof. Axinja Hachfeld von der Universität Konstanz stellt das Programm Lehramt.International genau die richtigen Weichen

Agentinnen und Agenten des Wandels
Welche Bedeutung interkulturelle Kompetenz für Lehrkräfte hat, bestätigt Prof. Axinja Hachfeld von der Uni Konstanz. „Der Umgang mit Heterogenität erfordert unter anderem diagnostische Kompetenz, um Schülerinnen und Schüler gemäß ihrer Stärken individuell zu fördern. Diese Kompetenz muss im Rahmen der Ausbildung entwickelt, aber auch erlebt werden“, sagt die Juniorprofessorin für Unterrichtsforschung mit Schwerpunkt Heterogenität. Denn Diversität in der Schule erfordere auch Diversität in der Lehramtsausbildung. Voraussetzung sei eine engere Verzahnung aller beteiligten Akteure in der Hochschule und in der Praxis. „Wir haben das Potenzial, die zukünftigen Lehrkräfte zu Agentinnen und Agenten des Wandels zu machen“, so Hachfeld. „Und das Programm ‚Lehramt.International‘ des DAAD stellt hier die richtigen Weichen.“

Oliver Knoch (5. Dezember 2019)