Corona in Ostafrika

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Die Länder Afrikas müssen nicht nur eine Gesundheitskrise bewältigen, sondern auch eine wirtschaftliche und damit einhergehend gesellschaftliche Krise.

Was die Corona-Krise für die einzelnen Länder bedeutet und wie der DAAD darauf reagiert, berichten die Leiterinnen und Leiter unserer Außenstellen. Heute schildert Beate Schindler-Kovats, Leiterin der DAAD-Außenstelle Nairobi, die Situation in Ostafrika.

Die Corona-Pandemie trifft Afrika besonders hart. Die WHO rechnet mit dem Höhepunkt der Krise im Juli und August. Die Gesundheitssysteme in vielen afrikanischen Ländern stehen mitten in der Covid-19-Pandemie vor dem Kollaps. Und das ist nicht das einzige Problem auf dem Kontinent, der regelmäßig von Seuchen und Naturkatastrophen heimgesucht wird: Wegen der Heuschreckenplage, Überschwemmungen in Folge des Klimawandels und der wirtschaftlichen Krise droht eine Hungersnot.

Die Situation
Zeitversetzt hat das Corona-Virus Mitte März den afrikanischen Kontinent erreicht und auch hier das öffentliche Leben lahmgelegt. Alle Länder Ostafrikas befinden sich im Lockdown, es gibt Ausgangssperren, Maskenpflicht, Reiseeinschränkungen, Grenzschließungen und der internationale Passagierflugverkehr ist eingestellt.

Kenia hat es besonders schlimm getroffen: „Wegen Corona“ sind ganze Stadtteile in der Hauptstadt Nairobi und in der Küstenregion unter Quarantäne gestellt, aber nicht nur die rasante Ausbreitung des Virus bereitet Sorge. Das Land wird derzeit von einer biblischen Heuschreckenplage heimgesucht, drei Viertel der Landesfläche wird wahrlich kahlgefressen. Zusammen mit den heftigen Regenfällen und Überschwemmungen in den letzten Monaten ist damit die Nahrungsmittelversorgung gefährdet.

Die Schulen und Hochschulen sind seit Mitte März geschlossen, teilweise wird online unterrichtet. Private Hochschulen stellen sich schneller und flexibler auf die neue Situation ein, traditionelle und große Hochschulen dagegen tun sich schwer, Maßnahmen für alle Fachbereiche verbindlich festzulegen. Die Universität Addis Abeba in Äthiopien hat Kurse des zweiten Semesters komplett von Präsenzveranstaltungen auf Vorlesungen per E-Mail und andere Onlineplattformen umgestellt. Auch Verteidigungen und Graduierungsfeiern etc. sollen virtuell stattfinden und live übertragen werden.

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Die Mitarbeiter Girma und Tilahun am Information Point im äthiopischen Addis Abeba.

Corona in Afrika
„Nur“ 91.598 Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus hat die WHO am 20. Mai 2020 in Afrika mit seinen 1,3 Milliarden Menschen registriert. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher, auch weil bisher kaum getestet wurde. Die WHO geht davon aus, dass sich das Virus in Afrika nicht so schnell ausbreiten wird wie in anderen Teilen der Welt. Durch die langsamere Verbreitung werde sich die Pandemie aber über einen längeren Zeitraum erstrecken, warnen die Experten. Es gibt zwei Szenarien: Die einen glauben, dass Afrikas Erfahrung in der Seuchenbekämpfung, das tropische Klima und die junge Bevölkerung die Ausbreitung eindämmen werden. Andere meinen, dass dem afrikanischen Kontinent eine humanitäre Katastrophe historischen Ausmaßes droht. Die Angst vor einer nicht kontrollierbaren Covid-19-Pandemie ist in Afrika groß, auch weil die Gesundheitssysteme in vielen afrikanischen Ländern vor dem Kollaps stehen. Ballungsräume sind erwartungsgemäß besonders stark betroffen. Dennoch verleiten die Zahlen in Ruanda, Tansania und auch dem Südsudan dazu, schon jetzt die Präventivmaßnahmen zu lockern. Tansania will am 1. Juni die Hochschulen wieder öffnen.

Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft
Die Länder Afrikas müssen nicht nur eine Gesundheitskrise bewältigen, sondern auch eine wirtschaftliche und damit einhergehend gesellschaftliche Krise, deren Auswirkungen schlimmer sein könnten als das Virus. Die Lockdowns haben schon jetzt massive wirtschaftliche Folgen hinterlassen. Die voraussichtliche Rezession wird den Kontinent besonders stark treffen und unter Druck setzen, weil viele Länder Afrikas vom Export von Nahrungsmitteln, Bodenschätzen oder vom Tourismus abhängen. Viele Menschen im informellen Sektor leben von Ein-Tages-Jobs, die komplett weggebrochen sind. Bauern und Kleinbauern können wegen der Transporteinschränkungen und Ernteausfälle Waren nicht mehr verkaufen. Viele im Westen lebende Migrantinnen und Migranten haben ihre Jobs verloren und können kein Geld mehr nach Hause schicken.

Damit wachsen soziale Unzufriedenheit und Wut. Politische Machtkämpfe spielen sich vor dem Hintergrund der drohenden Hungerkrise ab. Die Regierungen verteilen zwar – mit ausländischer Unterstützung – Hilfsgüter und Essenspakete, doch die Zahl der Bedürftigen ist zu groß und die Lieferungen werden mancherorts zu politischen Zwecken missbraucht. Die EU (Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweden und Dänemark) haben ein Krisenunterstützungspaket von über 140 Millionen Euro geschnürt, um die Ernährungssicherheit in Kenia und den Nachbarländern zu stärken. Dazu gehören Hilfen für Bauern und landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer, Unterstützung im Kampf gegen Heuschrecken, humanitäre Hilfe und Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung. Mindestens 21 Millionen Euro gehen nach Kenia.

In die Kritik geraten sind auch Polizei und Sicherheitskräfte, die versuchen, die geltenden Ausgangssperren mit Gewalt und Schlagstöcken durchzusetzen. Mit dem Einsatz von Tränengas zwingt man die Bewohner zum Einhalten der Ausgangssperren. Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus werden als Vorwand für Repressionen genutzt.

Wie arbeitet die Außenstelle Nairobi?
Die DAAD-Außenstelle ist weiterhin geöffnet, die Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Rotationsprinzip im Büro und im Homeoffice: Sprechstunde, Information und Beratung finden online statt, Auswahlen werden virtuell durchgeführt. „Dank Corona“ bietet die Außenstelle nun auch Webinare für die gesamte Region an, das Interesse ist groß und die digitale Kommunikation funktioniert gut.
 
23 Auswahlen mit 16 Institutionen im Sur-Place- und Drittlandstipendienprogramm in Kenia, Südsudan, Tansania, Uganda und Äthiopien wurden im April kurzfristig auf Onlineformate umgestellt. Die Partner und Gutachter haben die Herausforderung sehr engagiert und positiv angenommen. Aktuell wissen wir nicht, wann wir wieder Präsenzaktivitäten planen können. Ungewiss ist auch, wann die Hochschulen und unsere Partner vor Ort erreichbar sind.

Erstaunlich gut funktioniert die digitale Kommunikation und Vernetzung: Wöchentlich trifft sich das Team der Außenstelle – zum Teil mit den Kolleginnen und Kollegen des Information Points in Addis Abeba – per Skype-Meeting, daneben gibt es viele bi- und multilaterale Gespräche via Zoom, Skype, Adobe Connect etc.

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Wöchentlich trifft sich das Team der Außenstelle zum Skype-Meeting.

Corona als Chance?
„Corona“ setzt auch neue Energien frei: Hochschulpartner entwickeln digitale Studienprogramme, fragen nach Kooperationen mit deutschen Partnern für digitale Lehrformate oder Veranstaltungen, die Reihe „Corona & me“ vernetzt Alumni und Geförderte untereinander. Maßnahmen zur Förderung virtueller Lerninhalte und Methoden, die die negativen Effekte von Schul- und Hochschulschließungen sowie den Verlust von Humankapital mindern, müssten jetzt schnell aufgesetzt werden.

Noch sind Partner und Bildungsverantwortliche in einer Art „Schockstarre“ und die Hochschulen müssen noch lernen, innovativ mit der neuen Situation umzugehen. Aber wie man das vom afrikanischen Kontinent kennt, wird die Coronakrise auch innovative und kreative Potentiale anregen und Modelle für die Zukunft entwickeln.

Beate Schindler-Kovats (26. Mai 2020)