Internationalisierung, Interdisziplinarität und Digitalisierung verknüpfen

DAAD

Der vierte Themenbereich der Digitalisierungskonferenz befasst sich mit der Frage, welchen Einfluss Digitalisierung und Internationalisierung auf die Attraktivität von Hochschulen in der globalen Wissensgesellschaft haben.

Auf der virtuellen Digitalisierungskonferenz „Moving target digitalisation“ des DAAD betrachten die Teilnehmenden die Internationalisierung im Zeichen des digitalen Wandels unter verschiedenen Aspekten. Wie Digitalisierung und Internationalisierung die Attraktivität von Hochschulen in der globalen Wissensgesellschaft beeinflussen, verdeutlicht exemplarisch der Konferenzbeitrag der Freien Universität Berlin anhand eines neuen englischsprachigen und interdisziplinären Masterstudiengangs.

Deutschland hat am 1. Juli 2020 für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Gemäß dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ soll Europa stärker und souveräner aus der aktuellen Corona-Krise hervorgehen. Unter anderem werden dafür die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen der Bildungs- und Arbeitswelt in den Blick genommen. Internationale Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen, Partner Europäischer Hochschulallianzen, Studierende und politische Entscheidungsträgerinnen und -träger diskutieren am 5. und 6. Oktober auf der vom DAAD ausgerichteten virtuellen Digitalisierungskonferenz „Moving target digitalisation: re-thinking global exchange in higher education“ über die Internationalisierung der Hochschulbildung im digitalen Wandel.

Die fünf Themenbereiche der Konferenz:

  1. Kollaboration digital: Kooperationen und Partnerschaften
  2. Austausch und Mobilität: physisch – blended – virtuell
  3. Digitale Verwaltung und Transfer von Studierendendaten: Daten-Ökosysteme und Datensouveränität
  4. Attraktivität der Hochschulen in der globalen Wissensgesellschaft
  5. Wissenstransfer, ‚Third Mission’ und Offene Bildungspraxis
Internationalisierung, Interdisziplinarität und Digitalisierung verknüpfen

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Christiane Schmeken, Abteilungsdirektorin Strategie DAAD: „Hochschulen müssen ihr Studienangebot konsequent auf internationale Vernetzung ausrichten, um attraktiv zu bleiben und zur globalen Wissensgesellschaft beizutragen.“

Bundesweit einzigartiger Masterstudiengang zum Nahen und Mittleren Osten
„Auf der Konferenz beschäftigen wir uns unter anderem mit der Fragestellung, wie Hochschulen in der globalen Wissensgesellschaft einen relevanten Beitrag leisten und damit an Attraktivität gewinnen. Welchen Einfluss hat die digitale Internationalisierung? Hilft sie, auf sich aufmerksam zu machen, internationale Talente anzuziehen und für die Vielfalt an Perspektiven zu sorgen, die Wissenschaft im 21. Jahrhundert braucht?“, hinterfragt Christiane Schmeken, Direktorin Strategie beim DAAD. Ein Beispiel, das auf ein großes Echo gestoßen ist, ist der neue englischsprachige Masterstudiengang „Interdisciplinary Studies of the Middle East“ (ISME) der Freien Universität Berlin (FU Berlin). Er startet zum Wintersemester 2020/21 und wurde im Rahmen der Internationalisierungsbestrebungen der FU Berlin geschaffen. Sechs sogenannte kleine Fächer – Arabistik, Iranistik, Islamwissenschaft, Judaistik, Semitistik und Turkologie – haben sich dafür zusammengeschlossen. Victoria Mummelthei, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Semitistik und Arabistik der FU Berlin (Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften), koordiniert den neuen Studiengang gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Lukas Mühlethaler (Institut für Judaistik, FU Berlin). Sie stellt den Studiengang auf der Digitalisierungskonferenz vor: „Mit ISME bekommen unsere Studierenden interdisziplinäre Zugänge zur Region des Nahen und Mittleren Ostens. Das ermöglicht es ihnen, ein Verständnis für die historisch gewachsenen Verflechtungen von Sprachen mit der Literatur, Gesellschaft, Religion und Kultur in der jeweiligen Region zu entwickeln.“

Internationalisierung, Interdisziplinarität und Digitalisierung verknüpfen

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Victoria Mummelthei von der FU Berlin: „Die internationale und divers zusammengesetzte Studierendenschaft, die wir in diesem interdisziplinären Studiengang zusammenbringen, ergänzt die einmalige Multiperspektivität der Fächer – ein sich selbst verstärkender Effekt sozusagen.“

International – interdisziplinär – digital: Das macht ISME aus
Bei der Entwicklung des neuen Studiengangs haben sich die Initiatoren mit Blick auf die Internationalisierung für Englisch als Studiensprache entschieden, um sich eine neue Zielgruppe zu eröffnen. „Deutsch ist auf dem Jobmarkt ein Vorteil, für viele aber auch eine Hürde“, sagt Mummelthei. „Der englischsprachige Studiengang hat viele Interessierte aus dem Ausland angezogen. Und genau diese Heterogenität, die durch eine diverse Studierendenschaft entsteht, war uns für den neuen Studiengang wichtig.“

Den Ausschlag für die interdisziplinäre Ausrichtung gab die sehr gute internationale Vernetzung der sechs Fächer. Die vielen an Forschungsprojekten Beteiligten, bemerkt Mummelthei, profitierten von den Exzellenzverbünden der FU Berlin wie beispielsweise der Berlin University Alliance oder der Europäischen Hochschulallianz UNA Europa. Da lag es nahe, diese Expertise in einem gemeinsamen Multi-Regionen-Studiengang zu bündeln. „Mit dem neuen Studiengang machen wir die ohnehin am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften bestehende Vernetzung sowie die Forschungsstärke der sogenannten kleinen Fächer nicht nur nach außen sichtbar, sondern auch zugänglich für Studieninteressierte mit ganz unterschiedlichen disziplinären, beruflichen und Bildungshintergründen“, erläutert Mummelthei. Die Relevanz der Erkenntnisse von Fächern wie Turkologie, Semitistik, Judaistik, Islamwissenschaft, Iranistik und Arabistik erstrecke sich in transregionale und internationale Dimensionen.

Dass der Studiengang in diesem Wintersemester wahrscheinlich zunächst komplett digital stattfindet, ist der Corona-Pandemie geschuldet und wurde von den Studierenden aktiv nachgefragt. Viele von ihnen können momentan nicht nach Deutschland kommen, da sie aufgrund geschlossener Botschaften und ähnlicher Einschränkungen Schwierigkeiten haben, rechtzeitig ein Visum zu erhalten. „Ob es langfristig eine Option sein kann, bestimmte Module und Kurse nur online anzubieten, werden wir nach dem Wintersemester evaluieren“, sagt Mummelthei. Zumindest biete die Digitalisierung einigen Studierenden in der aktuellen Situation überhaupt die Möglichkeit, das Studium aufzunehmen.

Neue Studiengänge international und digital denken
Mummelthei stellt den Studiengang anhand eines Posters und eines vertiefenden Videos auf der Digitalisierungskonferenz vor. Damit will sie insbesondere Personen ansprechen, die an der Entwicklung von Studiengängen interessiert sind und ein Studium international denken wollen. Genauso wichtig sind ihr aber auch die Akteurinnen und Akteure aus der Hochschul- und Bildungspolitik: „Wenn wir in der internationalen Lehre nachhaltig die Qualität sichern möchten, bedarf es auch entsprechender Ressourcen wie zum Beispiel interkultureller Trainings, Ausbildung in der virtuellen Lehre sowie der nötigen Infrastruktur“, betont Mummelthei. Die Betreuung einer heterogenen Studierendengruppe nehme bei einem interdisziplinären Studiengang viel mehr Zeit in Anspruch als bei herkömmlichen Studiengängen. Daher müsse die Mittelverteilung zwischen Forschung und Lehre ausgewogener erfolgen. Das formuliert sie gleichzeitig als Wunsch an die Europäische Union.

Wahlfreiheiten für ein starkes Europa schaffen
Welche Wirkung ein Studiengang wie ISME für ein starkes Europa hat? Das ist für Mummelthei ganz klar: „Er gibt der Freien Universität Berlin die Möglichkeit, das ‚Freie‘ in ihrem Namen aktiv umzusetzen. Studiengänge wie ISME machen Hochschulbildung vielfältiger. Sie schaffen mehr Wahlfreiheiten, bieten viele europäische und internationale Anknüpfungspunkte und machen die Hochschule und jeweiligen Fachbereiche attraktiver.“ Die Hochschulen der Zukunft sollten sich ihrer Meinung nach der mannigfaltigen Bildungsrealitäten global bewusst sein und diese durch entsprechende Angebote abbilden, um ihren Beitrag zur Entscheidungsmöglichkeit zu leisten.

Astrid Hopp (2. Oktober 2020)

#MovingTarget2020

  • Am 5. und 6. Oktober 2020 lud der DAAD zur virtuellen Konferenz "Moving target digitalisation: re-thinking global exchange in higher education" ein. Im Fokus stand die Internationalisierung der Hochschulbildung im digitalen Wandel.
  • Das Konferenzprogramm gibt einen Überblick über die vielfältigen Perspektiven, die bei der digitalen Veranstaltung präsentiert und diskutiert wurden.