Internationale Studierende passgenau zum Studienerfolg begleiten

DAAD

Deutschland hat für internationale Studierende eine hohe Attraktivität.

Deutsche Hochschulen sind ein beliebtes Ziel für internationale Studierende. Von diesen erreichen allerdings viele nicht den angestrebten Studienabschluss. Die Hochschulen stellen sich deshalb die Frage, wie sie für internationale Studierende den Zugang zum Studium so gestalten und diese so vorbereiten und unterstützen können, dass ihr Aufenthalt in Deutschland erfolgreich verläuft. Projekte wie das Verbundprojekt „Digitaler Campus“ oder der DAAD-Service „My GUIDE“ sollen helfen, den individuell passenden Weg zum Studium in Deutschland zu finden.

Die Abbruchquote bei internationalen Studierenden liegt mit 49 Prozent im Bachelor- und 26 Prozent im Masterstudium an Hochschulen deutlich über der Quote deutscher Studierender (27 beziehungsweise 17 Prozent). In der DAAD-Studie „Studienvorbereitung und -einstieg internationaler Studierender in Deutschland: Maßnahmen, Strukturen und Praxisbeispiele“ untersuchte Dr. Jesús Pineda, Referat Forschung und Studien des DAAD, aktuelle Entwicklungen und schlägt Modelle für studienvorbereitende Maßnahmen vor, die künftig entwickelt und implementiert werden könnten. 

Die Studie zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der teilnehmenden deutschen Hochschulen studienvorbereitende Maßnahmen für internationale Studierende vor Ort anbietet. Sie dokumentiert allerdings auch, dass digitale Möglichkeiten hierbei bislang unzureichend genutzt werden. „Viele Initiativen werden nach wie vor analog durchgeführt und somit die Chancen der Digitalisierung zur zeitsparenden und kostengünstigen Studienvorbereitung vor der Ankunft in Deutschland noch nicht genutzt“, sagt Dr. Pineda. Weiterhin wurde deutlich, dass insgesamt nur 21 Prozent der Angebote der 112 (von insgesamt 210) teilnehmenden Hochschulen digital konzipiert sind und zur Verfügung gestellt werden. Es sei davon auszugehen, dass der Anteil der Online- sowie Blended-Learning-Angebote in den kommenden Jahren zunehmen wird. Hierbei sei zu erwarten, dass die Betreuung und Begleitung von Studierenden noch stärker personalisiert werden. „Durch digitale Maßnahmen können Studierende in allen Phasen ihres Bildungsprozesses wie Auswahl, Bewerbung, Entscheidung, Vorbereitung, Ankunft, Studieneinstieg bis hin zum Abschluss wirksam unterstützt werden“, so Dr. Pineda. Dies könne Hochschulen und Hochschulsysteme in die Lage versetzen, besser auf eine heterogene Bewerberlage und die entsprechenden Herausforderungen zu reagieren. Zudem sei so auch eine neue Generation von Studierenden mit neuen Bedürfnissen und Erwartungen zu erreichen und zu begleiten.

Hürden abbauen
Dass die aktuellen Herausforderungen nachhaltig bewältigt werden müssen, unterstreicht auch Christiane Schmeken, Direktorin der Abteilung Strategie im DAAD. „Deutschland liegt auf Platz 4 der Zielländer und hat für internationale Studierende offensichtlich eine hohe Attraktivität, nicht zuletzt als sicheres Land und aufgrund der weitgehend gebührenfreien Hochschulbildung. Das ist gut so, denn aufgrund unserer demografischen Entwicklung sind wir auf junge Fachkräfte angewiesen.“ Den erfolgreichen Abschluss des Studiums sieht sie als wichtiges, aber nachgelagertes Ziel, dem ein sehr hürdenreicher, bürokratischer Weg ins Studium vorausgeht. Gerade Nicht-EU-Bewohner – etwa aus so wichtigen Ländern wie China, Indien oder Russland – bräuchten eine zusätzliche Vorbereitung, etwa in Studienkollegs. Diese leisteten im Wesentlichen gute Arbeit, so Schmeken, würden aber seit Jahren in vielen Bundesländern reduziert oder abgeschafft, ohne dass in gleichem Maß alternative Angebote aufgebaut würden. Hinzu kommt ein strukturelles Problem: „Unser Hochschulzugang orientiert sich an der Vergleichbarkeit ausländischer Schulsysteme mit dem deutschen, nicht an der individuellen Begabung der Studieninteressierten“, unterstreicht sie. Dieses systemische Filtern und die damit verbundenen Auflagen stünden einer echten Bestenauslese im Wege. „Wer wirklich gut ist, geht woanders hin.“ Christiane Schmeken plädiert daher für ein Umsteuern, weg von der Beurteilung von Schulabgangszeugnissen hin zu testbasierten Auswahlverfahren. Diese sollten einen Mix aus Kenntnissen und Kompetenzen abprüfen. Neben der Reform des Hochschulzugangs müsse auch die Vorbereitung aufs Studium neu konzipiert werden: „Die Studienvorbereitung der Zukunft sollte wie bisher Wissen vermitteln, aber auch Lern- und Handlungsstrategien, welche die Studierenden für das Studium in Deutschland benötigen.“

Internationalisierung, Interdisziplinarität und Digitalisierung verknüpfen

DAAD

Christiane Schmeken, Abteilungsdirektorin Strategie DAAD: „Unser Hochschulzugang orientiert sich noch zu wenig an der individuellen Begabung der Studieninteressierten.“

Spracherwerb als Voraussetzung
Zusätzlich zum Fachstudium stellt der Erwerb der deutschen Sprache eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Aufenthalt dar: „Allein um im Alltag klarzukommen, braucht man die Sprache. Umso mehr, wenn man nach seinem Abschluss auf dem für viele internationale Studierende attraktiven deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen will“, sagt Schmeken. Auch hier können digitale Angebote und Lösungen unterstützen, deren Vorteil in der Skalierbarkeit liegt, etwa der „Digitale Campus“.

Der „Digitale Campus“
Das Projekt „Digitaler Campus“ hat es sich zum Ziel gesetzt, bestehende digitale Angebote zur Information, Anwerbung, Rekrutierung sowie sprachlichen, fachlichen und kulturellen Vorbereitung internationaler Studierender in einem Webportal miteinander zu verknüpfen und in einheitlicher Form sichtbar zu machen. Für sich genommen stellen diese Themen die deutschen Hochschulen aktuell vor große Herausforderungen und haben unmittelbare Auswirkungen auf den späteren Studienerfolg. Gerade die Vielzahl an bestehenden, aber nicht miteinander verbundenen Services wird für internationale Studieninteressierte zum Problem. „Es wird immer wichtiger, junge Talente auch im Ausland für ein Studium in Deutschland digital anzusprechen und zu gewinnen“, weiß Alexander Knoth, Leiter des Referats Digitalisierung und beim DAAD unter anderem für die strategische Weiterentwicklung von Digitalisierungsvorhaben zuständig. Konsortialpartner bei dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt sind neben dem DAAD, die RWTH Aachen, die TU Berlin, die TH Lübeck, die Gesellschaft für akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e.V. (g.a.s.t.), Kiron Open Higher Education und das Goethe-Institut.

Alexander Knoth

DAAD/Leo Peters

Alexander Knoth, Leiter des Referats Digitalisierung: „Unser Ziel ist es, den Weg internationaler Studierender nach Deutschland digital zu ebnen.“

Die beteiligten Projektpartner orientieren sich bei der Entwicklung des Portals am Studierendenverlauf, der „Student Journey“, um durch das Zusammenführen schon bestehender digitaler Informations- und Qualifizierungsangebote internationale Studierende effektiv auf ein Studium in Deutschland vorzubereiten. Zugleich soll der Digitale Campus den Nutzerinnen und Nutzern das funktionelle Rüstzeug bereitstellen, um personenbezogene Daten und Dokumente selbstgesteuert verwalten und Zugang zu einer Vielzahl von Lehr-, Lern- und Kollaborationsmöglichkeiten bekommen zu können. Die kostenfreien Angebote des DAAD können dabei ebenso in den Digitalen Campus integriert werden wie unter Umständen kostenpflichtige Leistungen. „Unser Ziel ist es, den infrastrukturellen Rahmen zur Verfügung zu stellen, um den Weg internationaler Studierender nach Deutschland digital zu ebnen, indem ganz unterschiedliche Angebote nach außen in einheitlichem Gewand präsentiert und nutzbar werden“, berichtet Knoth. Sukzessive entsteht so ein Serviceportfolio, das die (zukünftigen) Studierenden bei der Bewältigung der einzelnen Etappen der Student Journey unterstützt. „Die Herausforderung liegt in der Überführung unserer Produktvision in eine dezentrale technische Architektur.“

Der Mehrwert des Projekts besteht einerseits darin, einen Beitrag für die Gewinnung vielversprechender Studierender für Deutschland bei möglichst höherem Studienerfolg zu leisten und andererseits die nahtlose Digitalisierung von Prozessen in Studium und Lehre im deutschen Hochschulsystem voranzutreiben.

In Zukunft könne man dabei selbstverständlich auch andere Einsatzstellen entlang der Journey mitdenken, etwa die Übergänge vom Bachelor- zu einem Master-Studiengang oder vom MA zur Dissertation. „Noch ist viel Konzeptionsarbeit zu leisten, um letztlich eine digitale State-of-the-Art-Betreuung über alle Stufen hinweg zu gewährleisten.“ In diesem Zusammenhang spielen Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Learning-Analytics-Konzepte für die Personalisierung eine wichtige Rolle, um individuelle Lernpfade digital abbilden und begleiten zu können. 

DAAD-Initiative „My GUIDE“: das passende Studium suchen und finden
Schon im Herkunftsland unterstützt die Plattform „My GUIDE“ seit Ende 2019 internationale Studieninteressierte digital dabei, sich in der Vielfalt deutscher Studienangebote zurechtzufinden. My GUIDE ist ein kostenfreier Service des DAAD, der es internationalen Studieninteressierten ermöglicht, passende Studienangebote an deutschen Hochschulen zu finden. „Während das Portal Digitaler Campus die ganze Student Journey abbildet, steht My GUIDE ganz am Anfang des Verlaufs“, erklärt Dr. Michael Harms, Direktor der Abteilung Kommunikation beim DAAD. „My GUIDE hilft mir bei der Frage, welches Studium für mich das richtige ist, welche Voraussetzungen mir fehlen und wie ich mich – auch digital – vorbereiten kann. My GUIDE ist quasi das ‚Backbone‘ des Digitalen Campus.”

Internationale Studierende passgenau zum Studienerfolg begleiten

DAAD/Wolfgang Hübner-Stauf

Dr. Michael Harms, Direktor der Abteilung Kommunikation beim DAAD: „Wir nehmen die Studieninteressierten an die Hand und zeigen ihnen den Weg nach Deutschland.“

Gezielt informieren und anfragen
Die große Differenzierung der rund 20.000 Studienangebote mit ihren vielen Spezialisierungen könne auch zu einer Überforderung bei der Suche nach dem passenden Studiengang führen, betont Harms. Hier hilft My GUIDE, indem es die eigenen Interessen und Qualifikationen mit den jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen abgleicht. Dies geschieht durch eine Verbindung des Hochschulkompasses der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Zulassungsdatenbank von uni-assist und DAAD. „My GUIDE bietet zusätzlich über ein integriertes Formular die Möglichkeit der gezielten Kontaktaufnahme mit den entsprechenden Stellen an den Hochschulen bezüglich des Wunschstudiengangs, direkt aus dem System heraus“, erläutert Harms. „Das ist im Interesse der Hochschulen, die nun passgenauere, vorstrukturierte, aussagekräftigere Anfragen bekommen.“ Das Kontaktformular wurde deshalb auch in enger Abstimmung mit den Hochschulen entwickelt. Die Resonanz gibt den Initiatorinnen und Initiatoren recht: Mit über 100.000 Nutzerinnen und Nutzern, davon knapp 11.000 registrierte, und mehr als 1,3 Millionen Seitenaufrufen zeigt die neue Lösung, dass sowohl Interesse als auch großes Potenzial besteht. Bislang wurden aus dem System heraus 2.000 Kontaktanfragen an die Hochschulen generiert. Ein weiterer Vorteil der digitalen Plattform: My GUIDE kann auch bei der Beratung in den Herkunftsländern eingebunden werden. „Das kann man noch weiter ausbauen: Denken Sie etwa an die Möglichkeit von Geo-Positionierung, über die ich dann im Heimatland direkt meinen lokalen Ansprechpartner finden kann.“

Zukunftsmusik
Dabei soll die Entwicklung aber nicht stehenbleiben. „Wir wollen über das Dashboard von My GUIDE noch mehr Funktionalitäten zur Verfügung stellen und weitere Angebote integrieren“, so Harms. Ziel sei es, zusammen mit den Partnern des Digitalen Campus ein kohärentes Portal vernetzter Plattformservices aufzubauen. „Wir nehmen die Studieninteressierten an die Hand und zeigen ihnen den Weg nach Deutschland.“

Stephan Kuhn (17. November 2020)