Den Kompass an Bologna ausrichten

Oliver Reetz/DAAD

Die Richtung muss nach Bologna zeigen – nach der Stadt in Italien ist der Prozess benannt, mit dem ein gemeinsamer europäischer Hochschulraum angestrebt wird.

Das Bachelorstudium in Madrid, Praktika in Tiflis und Bergen, der Master in Tirana, die Promotion in Aachen – der internationale Austausch sowie die gegenseitige Anerkennung aller erreichten Studienleistungen in Europa und darüber hinaus bilden die Kernidee des Europäischen Hochschulraums (European Higher Education Area, EHEA). Vieles wurde bisher umgesetzt, einiges steht noch aus. Um die Strukturen weiter zu stärken, beteiligt sich der DAAD an einem Unterstützungsprogramm für Hochschulen, dem Bologna Hub Peer Support.

Ein neues Projekt, der Bologna Hub Peer Support, soll Hochschulen auf dem Weg hin zur stärkeren Implementierung der Bologna Key Commitments begleiten. Bis März 2021 können sich Hochschulen aus dem gesamten Europäischen Hochschulraum (EHEA) noch für eine Teilnahme an dem Projekt bewerben. Der DAAD, der für die operative Umsetzung verantwortlich ist, bringt die teilnehmenden Institutionen mit Bologna-Expertinnen und -Experten zusammen. Gemeinsam sollen Herausforderungen identifiziert, Erfahrungen ausgetauscht und Reformen vorangebracht werden – digital und, wenn dies nach der Corona-Pandemie wieder möglich wird, auch persönlich. Die Ergebnisse sollen Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einfachere Mobilitätsmöglichkeiten im Raum zwischen Reykjavík und Wladiwostok eröffnen sowie den wissenschaftlichen Austausch beflügeln. „Die teilweise noch ausbaufähige Umsetzung der Schlüsselreformen des Bologna-Prozesses in einigen Staaten des Europäischen Hochschulraums bleibt eine zentrale Herausforderung“, sagt Dr. Frank Petrikowski vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). „Projekte wie der Bologna Hub Peer Support befördern ganz wesentlich die Umsetzung der Bologna-Reformen in allen 49 Teilnehmerstaaten.“ Die Koordinierung des Projekts liegt beim BMBF, das auch einen finanziellen Zuschuss beisteuert. Die Europäische Union fördert es mit 300.000 Euro.

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Reiner Zensen/DAAD

Dr. Frank Petrikowski ist Referent im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Der Bologna Hub Peer Support wird vom BMBF koordiniert.

Zu den Partnern des auf zwei Jahre angelegten Vorhabens gehören die spanische Hochschulrektorenkonferenz, die Wissenschaftsministerien von Albanien, Georgien und der Ukraine sowie die European Students‘ Union, der Dachverband der Studierendenorganisationen in 40 europäischen Ländern mit Sitz in Brüssel, der fast 20 Millionen Studierende vertritt. Der Bologna-Prozess ist nach dem Tagungsort der 29 europäischen Bildungsministerinnen und -minister benannt, die 1999 eine europaweite Hochschulreform initiierten. Neben den EU-Mitgliedstaaten ist eine Vielzahl weiterer Länder in den Bologna-Prozess involviert. Ziel ist ein gemeinsamer Hochschulraum mit Vergleichbarkeit und gegenseitiger Anerkennung aller Abschlüsse sowie Qualitätssicherung auf Basis gemeinsam vereinbarter Standards, die somit auch zur Förderung der Mobilität der Studierenden beitragen. Diese Kernelemente des Bologna-Prozesses – die bereits genannten Key Commitments – wurden 2018 von den Bildungsministerinnen und -ministern der Mitgliedsstaaten in einem Kommuniqué konstatiert und müssen vollumfänglich in allen Mitgliedsstaaten des EHEA angewandt werden. Mit dem strukturierten Peer Support greift das Projekt nun eines der zentralen Instrumente auf, um das gesamte Potenzial des EHEA zukünftig entfalten zu können. Die internationale Dimension des Projekts ermöglicht es den Teilnehmenden zudem in besonderem Maße, voneinander zu lernen und in einen offenen Austausch miteinander zu treten.  

Erfahrung mit Beratungsangeboten
Der DAAD ist sehr erfahren darin, Hochschulen bei der europäischen Öffnung zu unterstützen. „Bereits seit einigen Jahren bietet der DAAD den deutschen Hochschulen Beratung durch ein Team deutscher und internationaler Bologna-Expertinnen und -Experten“, berichtet Dr. Stephan Geifes, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD. „Dieses Erfolgsmodell übertragen wir mit dem Projekt auf den europäischen Hochschulraum. Durch die qualitativ hochwertige Beratung der beteiligten europäischen Bologna-Spezialistinnen und -Spezialisten bieten wir den Hochschulen gezielte Hilfe in diesem Bereich an.“

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DAAD


Dr. Stephan Geifes ist Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD. Die Austauschorganisation bringt die teilnehmenden Institutionen mit Bologna-Expertinnen und -Experten zusammen.

25 Hochschulen können die Beratung in Anspruch nehmen; spezifische Voraussetzungen für die Teilnahme gibt es nicht. Auf sie wartet ein attraktives Angebot: In zwei Phasen werden jeder Hochschule, die sich erfolgreich beworben hat, zwei Beratungsgespräche angeboten. Bei der abschließenden Konferenz können sich alle Beteiligten untereinander austauschen.

Sehr positive Rückmeldungen auf nationaler Ebene
Mithilfe des DAAD stellt jede Partnerinstitution des Projekts ihre Expertise zur Verfügung und informiert relevante Stakeholder über ihre jeweiligen Netzwerke. Eine gleichmäßige regionale Ansprache wird somit sichergestellt. Die ersten Anmeldungen der Hochschulen spiegeln diese angestrebte geografische Diversität wider. Für den Sommer 2021 sind eine erste Evaluation und ein Zwischenfazit geplant. Die Gesamtbilanz wird nach einer zweiten Evaluation mit einer Schlusskonferenz im Jahr darauf gezogen.

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Sandra Lagler


Prof. Dr. Gabriele Abermann aus Salzburg berät seit 2009 Hochschulen bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bologna-Reform.

Die österreichische Expertin Prof. Dr. Gabriele Abermann kann auf gute Erfahrungen mit der Beratung in ihrem Land verweisen und empfiehlt Hochschulen, sich zu bewerben: „Auf nationaler Ebene gab es sehr positive Rückmeldungen zu Beratungsgesprächen im Sinne des Peer Support. Hochschulen schätzten besonders die von eigener Praxis und Erfahrung geprägte Außenperspektive auf Augenhöhe, die die internen Diskussionen zu Bologna-relevanten Themen anregte.“ Dadurch sei klar geworden, wie wichtig das strategische Zusammenspiel aller Hochschulangehörigen bei der Verbesserung der Bologna-Konzepte für die Qualität von Studium und Lehre sei. Zudem hätten die Beteiligten neue Möglichkeiten für die Umsetzung entdeckt. „Diese Chance zu einem Reflexionsprozess über Bologna-Themen durch den Bologna Hub Peer Support sollten sich Hochschulen nicht entgehen lassen“, sagt sie, die selbst zu den Beraterinnen innerhalb des Projekts gehören wird.

Wolfgang Thielmann (19. Januar 2021)

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