Mit dem NRWege-Stipendium zum Studienerfolg

TH Köln

NRWege ins Studium: Das Programm fördert junge Menschen mit Fluchthintergrund seit 2020 auch mit Stipendien.

Mit dem Programm NRWege ins Studium unterstützt der DAAD seit 2017 Hochschulen in Nordrhein-Westfalen bei der Integration von Studierenden und Studieninteressierten mit Fluchthintergrund. Seit 2020 können die aktuell 28 Hochschulen im Rahmen von NRWege ins Studium auch Stipendien vergeben. Ein Angebot, das gut ankommt, wie Gespräche mit Studierenden und Hochschulen zeigen.

Das Programm NRWege ins Studium ist eine Erfolgsstory. Seit dem Start 2017 haben über 7.000 Personen an studienvorbereitenden und -begleitenden Kursen teilgenommen (Stand Dezember 2020). Jährlich finden bis zu 10.000 Beratungsgespräche statt, die geflüchtete Studierende und Studieninteressierte auf den Einstieg ins Studium vorbereiten und sie während des Studiums begleiten. Finanziert wird das Programm vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW). 

In der ersten Programmphase stand vor allem der Spracherwerb im Vordergrund. Zur zweiten Ausschreibungsrunde 2020 wurde das Programm erweitert: So haben die Hochschulen ihre Beratungsleistungen um bedarfsorientierte Angebote wie Schreibschulen oder die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ergänzt. Darüber hinaus wurde das Programm auch für internationale Studierende ohne Fluchthintergrund geöffnet.

Finanzielle Absicherung während des Studiums
„Zur Sicherung des Studienerfolgs ist nicht nur die curriculare Vorbereitung, sondern auch die finanzielle Absicherung wichtig“, sagt Katharina Latsch, Teamleitung für die Programme NRWege ins Studium und NRWege Leuchttürme im DAAD. „Die Sorge um die Finanzierung von Lebensunterhalt und Studium ist bei vielen geflüchteten Studierenden besonders groß und daher ein wichtiges Thema in unzähligen Beratungsgesprächen der letzten Jahre.“ Um einigen Studierenden diese Sorge zu nehmen und eine Konzentration auf das Studium zu ermöglichen, können die nordrhein-westfälischen Hochschulen seit 2020 im Rahmen von NRWege ins Studium Stipendien an besonders begabte und motivierte Studierende mit Fluchthintergrund vergeben. Trotz oder auch gerade wegen der Corona-Pandemie haben die Hochschulen im ersten Jahr knapp vierhundert Stipendien zugeteilt. 

Stipendium schafft neue Kontaktmöglichkeiten
Dass dieses Angebot eine Bedarfslücke schließt, bestätigen sowohl die Stipendiatinnen und Stipendiaten als auch die Hochschulen. „Durch das Stipendium erhalten wir nun auch Kontakt zu Studierenden, die vorher noch keines unserer Angebote genutzt haben, was ich sehr erfreulich finde“, sagt Samia Jalal-Tiede, Koordinatorin für das NRWege-Programm an der FH Münster. Als Ansprechpartnerin für studieninteressierte Geflüchtete kennt sie die Bedürfnisse der Zielgruppe. Die meisten erhalten keine finanzielle Unterstützung durch die Familie, sondern müssen sich im Gegenteil teilweise noch um jüngere Geschwister kümmern. „Finanzierung war immer ein Thema“, so Jalal-Tiede. Positiv findet sie, dass mit dem Stipendium auch Studierende gefördert werden können, die BAföG erhalten – wenn auch nur in Form eines Teilstipendiums –, sowie Studierende, die bereits einen Abschluss aus ihrem Heimatland mitbringen und daher keinen Anspruch auf BAföG haben. „Diese Öffnung führt dazu, dass wir sehr viele Bewerbungen erhalten.“ 2020 vergab die FH Münster bereits 31 Stipendien. 2021 hat die Zahl der Bewerbungen nochmals zugenommen. „Das Stipendium spricht sich rum“, bemerkt Jalal-Tiede.

NRWege ins Studium: weitere Informationen zum Stipendium

Stipendium
Das Stipendium im Rahmen von NRWege ins Studium beträgt maximal 861 Euro monatlich, es können Teilstipendien vergeben werden. Unterstützung erhalten Studierende in der Phase des Studieneinstiegs (erstes Semester), im Studium ab dem zweiten Semester und in der Abschlussphase.

Bewerbung
Interessentinnen und Interessenten bewerben sich direkt bei ihrer Hochschule. Diese legt auch die Auswahlkriterien im Detail fest. Eine Kommission entscheidet darüber, wer ein Stipendium erhält.

„Es war, als wäre ein Engel erschienen“

Mit „NRWege“ ins Studium

Privat

Rawan Kastali (26) studiert Anglistik und Germanistik auf Lehramt an der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

„Ich bin 2015 mit meinen beiden jüngeren Brüdern von Aleppo nach Deutschland gekommen. In meiner Heimat hatte ich schon zwei Jahre englische Literatur studiert. Drei Monate nach der Ankunft habe ich an der Bushaltestelle einen Flyer gesehen: ‚Möchten Sie Deutsch lernen?‘ Dort bin ich gleich hingegangen. Am liebsten würde ich alle Sprachen der Welt sprechen, weil ich glaube, dass Sprachen den Schlüssel zur Welt und für die Integration darstellen. Was mir auch beim Deutschlernen geholfen hat, war das Radio: Ich habe jeden Tag Nachrichten und die Wettervorhersage gehört. 2018 bestand ich die C1-Prüfung im zweiten Anlauf und studiere seit April 2018 in Bochum. Leider hatte ich bei der Anmeldung einen Fehler gemacht und konnte so erst im zweiten Semester mit Anglistik weitermachen. Deshalb erhielt ich 2020 ein Semester lang kein BAföG und wollte mir einen zweiten Nebenjob suchen oder mich für ein Stipendium bewerben. Doch wegen Corona war es schwer, Arbeit zu finden. Ich erzählte meiner Chefin Lisanne Blümel vom International Office der RUB von meinen finanziellen Sorgen. Dort arbeite ich seit Oktober 2019 als studentische Hilfskraft, unterstütze bei den Veranstaltungen, übersetze und begleite andere studieninteressierte Geflüchtete als Tutorin. Sie machte mich auf das Stipendium des DAAD aufmerksam. Es war, als wäre ein Engel aus dem Himmel zu mir gekommen: Ich erhalte jetzt ein Studienstipendium für mehrere Semester. Mein Ziel ist es, Lehrerin zu werden. Ich hoffe, dass ich durch meine Erfahrungen einen besseren Zugang zu Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund habe. Neben Sprachkursen finde ich den Kontakt zu anderen Menschen wichtig für die Integration. Es reicht nicht, dass man die anderen versteht – man braucht auch Freunde, die einem etwas über das Gastland erzählen. Integration ist immer dann erfolgreich, wenn beide Seiten zusammenarbeiten.“

Viele positive Rückmeldungen
Aufgrund des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 war es für das Team um Ulrike Herrlich, Teamleitung von RUBiss international student services im International Office der Ruhr-Universität Bochum, anfangs schwer, das Stipendium im Rahmen des NRWege-Programms bekannt zu machen. Trotzdem vergab die RUB 2020 schon 60 Stipendien. „Wir freuen uns sehr über diese Möglichkeit. Denn das Stipendium trägt unser Beratungsangebot ins Studium und schafft die Möglichkeit, die Gruppe der geflüchteten Studierenden noch intensiver zu betreuen.“ Bereits seit 2017 bietet die Ruhr-Universität studienvorbereitende und -begleitende Kurse im Rahmen von NRWege ins Studium an, die seitdem stetig weiterentwickelt wurden. „Wichtig ist uns dabei stets die soziale und systemische Integration. Die Teilnehmenden müssen verstehen, wie das Studium in Deutschland abläuft“, betont Herrlich. So findet vor dem Intensivsprachkurs, der auf die Sprachprüfung vorbereitet, ein Vorbereitungskurs statt, bei dem der Schwerpunkt auf der sozialen Integration liegt. „Wir bekommen viele positive Rückmeldungen, insbesondere für die finanzielle Unterstützung und Beratung.“

„Wir können dankbar sein für die Hilfe“

Mit „NRWege“ ins Studium

Privat

Mohamad Al-Trjman (28) hat im Januar 2021 sein Maschinenbaustudium an der Universität Paderborn abgeschlossen.

„Vor meiner Ankunft in Deutschland im Oktober 2015 hatte ich in meiner Heimatstadt Homs bereits ein Bachelorstudium in Maschinenbau absolviert. Mein Ziel war es, in Deutschland mein Masterstudium fortzusetzen. Ich musste bei null anfangen. Ich begann sofort, Deutsch zu lernen, zunächst alleine. Später habe ich jede Chance genutzt, deutsche Gesprächspartnerinnen und -partner zu finden, und half deshalb beispielsweise bei der Caritas. 2017 bestand ich meine C1-Prüfung nach DSH (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang) und begann im Oktober das Master-Studium. Vor allem 2019 besuchte ich viele Workshops an der Uni Paderborn: Wie erstellt man einen Lebenslauf? Wie formuliert man ein Motivationsschreiben? Worauf muss man bei der Körpersprache achten? Was ist bei wissenschaftlichen Aufsätzen zu beachten? Diese Angebote halfen mir sehr, auch bei meiner Abschlussarbeit und der erfolgreichen Bewerbung für ein Abschlussstipendium im Rahmen des NRWege-Programms. Vorher hatte ich einen Job als Werkstudent, der wegen Corona nicht verlängert wurde. Mein BAföG war ausgelaufen, sodass ich nur noch einen Vertrag als wissenschaftliche Hilfskraft mit 8,5 Stunden an der Uni hatte. Ohne das Stipendium hätte ich einen zweiten Minijob gebraucht. So aber konnte ich mich auf die Masterarbeit fokussieren und bekam eine gute Note. Aktuell suche ich eine Stelle, entweder als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder in der Industrie, am liebsten als Berechnungsingenieur in der Automobilindustrie. Wir Geflüchtete können sehr dankbar sein für die Hilfe, die Deutschland und der DAAD leisten. Inzwischen betrachte ich Deutschland als meine Heimat, denn hier fühle ich mich wohl und sicher. In Syrien war das leider nicht mehr der Fall.“

Hervorragende Ergänzung zu allen DAAD-Projekten
Was Mohamad Al-Trjman erlebt hat, beobachtet Frederike Kallmeyer, Koordinatorin der Flüchtlingsangelegenheiten an der Universität Paderborn, seit dem vergangenen Jahr häufiger: „Viele Studierende haben 2020 ihre Nebenjobs wegen Corona verloren. Wenn dann noch das BAföG ausläuft, wissen sie nicht, wie sie ihr Studium finanzieren sollen. Das Stipendium war das fehlende Bindeglied.“ Entsprechend groß war der Andrang, als die Universität im Oktober damit startete. „Wir hatten fast doppelt so viele Bewerbungen wie Stipendien“, erzählt Kallmeyer. „Der Schwerpunkt lag ganz klar bei den Abschlussstipendien. Das hatten wir so nicht erwartet.“ Sie führt das darauf zurück, dass viele Geflüchtete, die 2016 Sprachkurse absolvierten, nun mit dem Studium fertig werden. „2020 hatten wir wahnsinnig viele interne Bewerberinnen und Bewerber, die bereits an vielen Maßnahmen des DAAD teilgenommen haben. Inzwischen bekommen wir auch mehr Bewerbungen von anderen.“ Der Schwerpunkt an der Universität Paderborn hat sich inzwischen von Deutschkursen auf andere Angebote verlagert. So bietet die Uni alle zwei, drei Monate unter dem Titel „Brücke ins Studium“ eine Infoveranstaltung für Teilnehmende an Deutschkursen an. „Außerdem informieren wir regelmäßig über Stipendien und die damit verbundenen Verpflichtungen. Häufig erhalten wir zum Beispiel die Nachfrage: ‚Muss ich ein Stipendium zurückzahlen?‘“ Kallmeyer und ihr Team fordern die Teilnehmenden auch dazu auf, andere Angebote wahrzunehmen, wie etwa das Buddy-Programm, den Schreibworkshop oder Workshops zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. „Das Stipendium”, findet Kallmeyer, „ist eine wahnsinnig gute Maßnahme und eine hervorragende Ergänzung.“ 

Peter Nederstigt (22. April 2021)