DAAD-Jahresbericht 2020: In vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr
DAAD
Die globale Corona-Pandemie stellte die internationale Hochschullandschaft und damit auch die Arbeit des DAAD im vergangenen Jahr vor große Herausforderungen. Der konstruktive Umgang damit ist zentrales Thema des Jahresberichts 2020.
Im Januar 2020 mehrten sich die Berichte über eine neuartige, gefährliche Lungenkrankheit in der chinesischen Stadt Wuhan. Dass sich aus SARS-CoV-2 eine globale Pandemie entwickeln würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Doch wenige Wochen später kamen das öffentliche Leben und der Reiseverkehr zum Erliegen. Kindergärten, Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Bei den DAAD-Mitarbeitenden war plötzlich Krisenmanagement gefragt, denn viele „gestrandete“ Stipendiatinnen und Stipendiaten des DAAD brauchten Unterstützung bei der Rückkehr in ihre Heimatländer. Während der DAAD-interne Krisenstab noch aktiv war, liefen im Hintergrund schon die Vorbereitungen für das „neue Normal“. Nicht nur interne Arbeitsabläufe wurden angepasst, sondern auch neue Formate zur Unterstützung von DAAD-Geförderten, Austausch-Interessierten und deutschen Hochschulen entwickelt. Das Ziel: Die Kernaufgabe des DAAD, den internationalen Austausch zwischen Studierenden, Forschenden und Hochschulen zu fördern, sollte auch in diesen widrigen Zeiten erfüllt werden.
Neue digitale Angebote mit Blick in die Zukunft
Doch wie schafft man digitale Formate, die diesen Austausch genauso unterstützen wie ein Aufenthalt in einem anderen Land und die gleichzeitig den hohen Standards der akademischen Lehre entsprechen? Dieser Frage widmete sich der DAAD 2020 mit gleich drei Programmen: Internationale Mobilität und Kooperation Digital (IMKD) unterstützt Hochschulen dabei, digitale Lehr- und Lernformate in ihre Curricula zu integrieren. 2020 wurden sechs Hochschulen gefördert. Ein Beispiel ist das Projekt „MyScore“ der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen: Hier wurden die Blended-Learning-Angebote für drei englischsprachige Ingenieur-Masterstudiengänge ausgebaut und Virtual-Reality-Rollenspiele für die Entwicklung von Soft Skills entwickelt. Zusätzlich soll das Prüfungssystem digitaler werden. Das International Virtual Academic Collaboration Programm (IVAC) sucht nach neuen Austauschformen bei internationaler Forschung und Projektarbeit. 2020 wurden insgesamt 61 Projekte gefördert. Und das Programm IP Digital richtet sich an Hochschulen, die die Digitalisierung von internationalen Masterstudiengängen vorantreiben möchten. Hier wurden 19 Initiativen gefördert – auch als Reaktion auf die enorm gestiegene Nachfrage bei internationalen Studiengängen. Diese drei Programme zeigen die Strategie des DAAD in der Corona-Krise – eine schnelle Reaktion auf die neuen Herausforderungen und gleichzeitig ein Blick in eine Zukunft ohne Pandemie.
Der DAAD macht während der Corona-Pandemie weltweiten digitalen Austausch möglich.
Virtuelle Beratungsformate
Neue Wege brauchte es auch für die tägliche Arbeit mit den Studierenden und Forschenden weltweit. Mit MyGUIDE zum Beispiel wurde Anfang 2020 ein Informationsportal für internationale Studierende geschaffen, die einen Aufenthalt an einer deutschen Hochschule planen. Die Zugriffszahlen waren trotz oder gerade wegen der Pandemie erfreulich hoch. Außerdem fanden viele Beratungen, Messen und Alumni-Austauschtreffen digital statt: nicht nur in Deutschland, sondern auch im weltweiten DAAD-Netzwerk, darunter in den neu geschaffenen DAAD-Außenstellen. So wurden 2020 in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá – die dortige DAAD-Außenstelle ist für den Norden Lateinamerikas zuständig – allein 13.000 Studieninteressierte in über 50 virtuellen Informationssessions beraten. Ähnlich positive Erfahrungen in Nahost: In Jordanien finden die Informationsveranstaltungen aufgrund der hohen Nachfrage inzwischen nicht mehr monatlich, sondern wöchentlich statt. Viele dieser digitalen Formate werden auch pandemieunabhängig bestehen bleiben. Schließlich sind sie schneller, ortsunabhängig und flexibler umsetzbar als Messen oder Informationstage an Hochschulen und erreichen so eine noch größere Zahl von Forschenden und Studierenden, die sich für DAAD-Angebote interessieren.
DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee.
Internationaler Austausch wichtiger denn je
Die Bilanz von DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee fällt daher trotz der großen Herausforderungen positiv aus: „Die Corona-Pandemie hat wie unter einem Brennglas zwei für uns zentrale Entwicklungen fokussiert: zum einen die dringende Digitalisierung vieler Bildungsbereiche auch an deutschen Hochschulen und zum anderen die absolute Notwendigkeit enger internationaler, akademischer Kooperation zur Bewältigung der globalen Herausforderungen für die Menschheit. Als DAAD stärkt uns dies im Bestreben nach der Intensivierung des grenzüberschreitenden wissenschaftlichen Austauschs, gerade in Zeiten zunehmender nationalistischer Egoismen. Zugleich haben wir innerhalb kürzester Zeit neue Förderangebote für die digitale Kooperation und den digitalen Austausch entwickelt und damit unsere Mitgliedshochschulen nach Kräften in der Pandemie unterstützt.“
So bleibt aus 2020 die zentrale Erkenntnis, dass die DAAD-Grundkompetenzen – die Vernetzung, das Brückenbauen und die Begleitung von internationalem Austausch – aktueller und gefragter sind denn je. Gleichzeitig braucht es neue Ideen, um diese Ziele auch in Zukunft zu sichern. In der im vergangenen Jahr verabschiedeten „Strategie 2025“ hat der DAAD daher drei große Leitlinien ausgemacht:
- Exzellenz und Perspektiven von Bildung und Wissenschaft durch internationalen Austausch stärken
- Internationale Zusammenarbeit zum Wohle von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft fördern
- Globale Verantwortung übernehmen und zu Entwicklung und Frieden beitragen
Durch die Pandemie stehen diese Vorsätze unter neuen Vorzeichen. Gerade in puncto Vernetzung innerhalb der Wissenschaft kann die globale Zusammenarbeit durch die Digitalisierung intensiver und dabei nachhaltiger werden. Gleiches gilt für den Austausch von Studierenden. Die drei Leitlinien sollen deshalb noch stärker in die Entwicklung neuer Formate einfließen. Ein bereits erfolgreiches Beispiel ist das Programm Lehramt.International, das Lehramtsstudierenden ermöglicht, praktische Erfahrungen an Schulen im Ausland zu sammeln. Hier stärkt der DAAD langfristig die Internationalisierung der Lehrerbildung und die interkulturellen Kompetenzen bei angehenden Lehrkräften.
DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks.
Nachhaltigkeit und Diversität sind Zukunftsthemen
Eine wichtige Veränderung, ganz unabhängig von der Pandemie, war 2020 auch der Abschied von Dr. Dorothea Rüland, die als Generalsekretärin über zehn Jahre lang die Arbeit des DAAD maßgeblich prägte. Als ihr Nachfolger trat am 1. April 2021 Dr. Kai Sicks sein Amt an. Kein leichter Start inmitten der Pandemie, doch Sicks sieht darin eine Chance, neue Akzente für die Zukunft zu setzen. „Bei der Weiterentwicklung des internationalen akademischen Austauschs wird es nach der Corona-Pandemie intensiv um das Thema Nachhaltigkeit gehen“, erklärt er. Der grenzüberschreitende wissenschaftliche Austausch sei unerlässlich, um die Klimakrise zu bekämpfen und den weiteren globalen Herausforderungen zu begegnen. „Gleichzeitig belastet die physische Mobilität das Klima zusätzlich“, sagt Sicks. Es brauche daher ein Umdenken – auch in der Wissenschaft – und die Intensivierung der Suche nach nachhaltigeren Lösungen. Die digitalen Erfahrungen während der Pandemie seien hier durchaus hilfreich. Die Grenzen und Chancen der Digitalisierung ließen sich nun besser einschätzen, so Sicks, und böten neue Chancen für den Austausch. Neben der Nachhaltigkeit werde er sich als DAAD-Generalsekretär zudem intensiv um die Zukunftsthemen Chancengerechtigkeit und Diversität kümmern.
Birk Grüling (31. Mai 2021)