Vermittelnde Rolle der deutschen Sprache
Privat
Die Germanistische Institutspartnerschaft (GIP) mit Benin, Ghana und Togo fördert den Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden. Der DAAD unterstützt zurzeit weltweit 44 GIP, die dazu beitragen, den internationalen Dialog über die deutsche Sprache, Literatur und Kultur zu erhalten und zu stärken.
Wie wird die deutsche Sprache im Ausland wahrgenommen, welche Rolle kann sie in heterogen-mehrsprachigen Gesellschaften einnehmen? Statt sich in Konkurrenz zu den großen westlichen Sprachen zu setzen, kann sie ihre Brückenfunktion als Stärke nutzen, wie der zweite Teil unserer Serie „Mehrsprachigkeit und deutsche Sprache“ zeigt.
Ob in Afrika, Asien, Europa oder Lateinamerika – Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer steht mit Germanistikkolleginnen und -kollegen auf allen Kontinenten im Austausch. Dabei erlebt die Präsidentin der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik und gleichzeitig Lehrstuhlinhaberin für Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth immer wieder: „Die Rolle der deutschen Sprache ist überall unterschiedlich und unterliegt einer ständigen Veränderung. Entscheidend sind jeweils die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen.“
Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer, Präsidentin der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik und Professorin an der Universität Bayreuth, Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Interkulturelle Germanistik.
Kolonialgeschichte, Tiefseehafen und Wirtschaftsprojekte
Ganz konkret hat sie diesen unterschiedlichen Stellenwert der deutschen Sprache bei einem ihrer aktuellen Projekte in Westafrika erfahren. Seit 2017 pflegt die Professorin eine vom DAAD mit den Mitteln des Auswärtigen Amts geförderte Germanistische Institutspartnerschaft (GIP) mit Benin, Togo und Ghana. Dabei zeigte sich: Ghana als anglophones Land habe ein eher geringes Interesse am Deutschen. Die frankophonen Länder Benin und Togo seien dem Deutschen gegenüber aufgeschlossener. Wobei auch innerhalb der frankophonen Länder unterschieden werden müsse: In Togo sind die Deutschlernendenzahlen deutlich höher als in Benin, was wohl auch damit zusammenhänge, dass die Zeit der Kolonialmacht in Togo bis heute Auswirkungen auf die Präsenz der deutschen Sprache habe, so Schiewer.
Andere historische Verbindungen tragen ebenfalls zum Image einer Sprache bei. Dazu Schiewer: „Vor ungefähr 50 Jahren war Deutschland am Bau des großen Tiefseehafens in Lomé in Togo beteiligt. Als einer der auch im weltweiten Vergleich bedeutenden Tiefseehäfen mit großer natürlicher Wassertiefe ist er ein wichtiger ökonomischer Faktor für das Land, der den Blick auf die deutsche Sprache mitprägt. Auch die jüngst unterzeichnete Reformpartnerschaft zwischen Deutschland und Togo wird hierfür eine Rolle spielen.” Das bestätigt auch Dr. Kokou Azamede, Germanist und Historiker. Er lehrt in Togo an der Universität Lomé in der Abteilung für Deutschstudien, Fachbereich Landeskunde und Kulturwissenschaft: „Die wirtschaftliche Stellung Deutschlands und die Zusammenarbeit zwischen deutschen und westafrikanischen Institutionen in soziokulturellen, akademischen, wirtschaftlichen und technischen Bereichen stärken den Stellenwert der deutschen Sprache sowohl in Togo als auch in anderen westafrikanischen Ländern, die gar keine historische Beziehung zu Deutschland haben.“
Brücke zwischen anglophoner und frankophoner Welt
Zu Beginn der Germanistischen Institutspartnerschaft war der Austausch der westafrikanischen Germanistikkolleginnen und -kollegen vor Ort schwach, obwohl Ghana, Togo und Benin Nachbarländer sind, sagt Schiewer. Seit die GIP aktiv ist, fungiert die deutsche Sprache wie eine Brücke zwischen der anglophonen und der frankophonen Welt. Dazu Azamede: „Die Partnerschaft mit Deutschland verbindet unsere regionalen akademischen Institutionen. Wir tauschen uns über Erfahrungen in der Germanistik und über die Vermittlung der Didaktik aus und thematisieren sogar die deutsch-afrikanische Vergangenheit. Außerdem erleichtert sie uns die Zusammenarbeit bei mehreren gemeinsamen Projekten unserer regionalen Universitäten.“
Dr. Kokou Azamede von der Universität Lomé in Togo beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit transkulturellen Studien und deutscher Missions- und Kolonialgeschichte in Westafrika.
„Wenn eine GIP so etwas bewirkt, ist das ideal“, sagt Dr. Esther May, Referentin und Ansprechpartnerin für Germanistische Institutspartnerschaften beim DAAD. „Diese Partnerschaften sollen nicht nur deutsche Hochschullehrende dabei unterstützen, die Germanistik und die deutsche Sprache international zu fördern. Sie sollen auch helfen, Netzwerke in der jeweiligen Region zu etablieren, damit alle Beteiligten nachhaltig profitieren“, erläutert May. Germanistische Institutspartnerschaften befördern das Interesse an Germanistik und der deutschen Sprache und stärken damit die beteiligten germanistischen Institute. Im Zuge einer sukzessiven regionalen Ausweitung des Programms können seit 2021 Partnerschaften weltweit gefördert werden, so May. Diese Ausweitung unterstütze auch das Ziel, die Germanistik in Deutschland zu internationalisieren.
Dr. Esther May vom DAAD freut sich, dass die Germanistische Institutspartnerschaft mit Benin, Ghana und Togo für die Region in Westafrika eine solche Strahlkraft hat.
Vermittlung in mehrsprachigen Kontexten
Für Schiewer zeigt die Entwicklung dieser Partnerschaft deutlich: „Wir sollten Denkwege einbeziehen, die wir momentan vielleicht zu wenig berücksichtigen.“ Viel interessanter als der konkurrierende Blick auf Sprachen wie das Englische sei doch die vermittelnde Rolle, die die deutsche Sprache anstreben und übernehmen könne. „Dazu kann die Interkulturelle Germanistik viel beitragen. Eines ihrer Hauptanliegen ist es, gerade in mehrsprachigen Umfeldern und heterogen-komplexen Gesellschaften das Deutsche als ein Instrument für Konfliktlösungen, des Dialogs und der Teilhabe bzw. der partizipativen Kommunikation zu vermitteln.“ In Ghana und Togo funktioniere das bereits seit Langem, schildert Azamede: „Die intensive deutsche Präsenz in Togo hatte zum Beispiel großen Einfluss darauf, dass die deutsche Sprache die transnationale Landessprache Ewe – die in Teilen von Togo und Ghana gesprochen wird – kulturell und strukturell geprägt und zu ihrer Standardisierung beigetragen hat.“
Kontakte zu Ländern mit schwierigen Rahmenbedingungen
Neben Westafrika kooperiert Schiewer unter anderem mit Kolumbien, Süd- und Nordkorea sowie China. „Mir ist wichtig, die germanistischen Kontakte auch zu Ländern mit politisch schwierigen Rahmenbedingungen zu pflegen“, sagt sie. Wie wertvoll dieser Austausch sei, und wie sehr andere Akteurinnen und Akteure internationaler Partnerschaften davon profitieren könnten, werde häufig unterschätzt, so die Professorin: „Gerade die Germanistinnen und Germanisten verfügen über weltweite Verflechtungen. Sie stehen in engem Kontakt mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen nicht deutscher Muttersprache, die sowohl die deutsche Sprache, Literatur und Kultur sowie das deutsche Bildungssystem kennen als auch ihre eigenen Verhältnisse vor Ort, in denen sie groß geworden sind und leben.“ Bessere Ansprechpartnerinnen und -partner könne es gar nicht geben.
Astrid Hopp (8. Juli 2021)
Weitere Informationen
DAAD – Germanistische Institutspartnerschaften (GIP)
- Gründung des GIP-Programms: 1993
- Ursprung: die traditionsreichen Germanistiken in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas sowie in den Nachfolgestaaten der UdSSR unterstützen. Ziel des Programms war und ist es, das Interesse an der deutschen Sprache zu erhalten.
- In den Folgejahren wurde das Programm sukzessive ausgeweitet. Neben bilateralen Partnerschaften stehen zunehmend auch multilaterale Projekte im Fokus. Seit 2021 können GIP weltweit gefördert werden. Aktuell unterstützt der DAAD weltweit 44 GIP.
Weiterführende Links
- Partnerschaften des Lehrstuhls Interkulturelle Germanistik der Universität Bayreuth
- Der WLAN-Baum – Interkulturelle Topologien der Mehrsprachigkeit in Westafrika
- Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik (GIG)
- DAAD Aktuell: Mehrsprachigkeit gehört zu Europa
- DAAD Aktuell: Vielsprachigkeit trägt zum wissenschaftlichen Fortschritt bei