Lohnenswerter Blick in den fernen Osten

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Skyline von Mumbai: Die aufstrebende Wissenschaftsnation Indien ist ein Schwerpunkt des aktuellen APRA-Monitoring-Berichts.

Der asiatisch-pazifische Wissenschaftsraum erlebt einen rasanten Aufschwung. Für deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist deshalb oft schwer zu erkennen, wo die Potenziale für interessante Kooperationen liegen. Der dritte Bericht „Monitoring des Asiatisch-Pazifischen Forschungsraums“, der in Kooperation von DAAD, DLR Projektträger, Fraunhofer-Institut und GIGA entstanden ist, schafft hier Abhilfe. Im Fokus stehen diesmal die aufstrebende Wissenschaftsnation Indien und die Regionen Chinas.

Allein die Volksrepublik China zählt mehr als 2.800 Hochschulen sowie mehrere zehntausend Forschungseinrichtungen und Forschungszentren. Diese ungeheure Vielzahl erschwert es sowohl Hochschulmanagerinnen und Hochschulmanagern als auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Potenziale einer binationalen Kooperation einzuschätzen – insbesondere abseits der Großregion Beijing. Hilfestellung für Ratsuchende leistet nun ein Monitoring-Bericht, der aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft, Technologie und Innovation im Asiatisch-Pazifischen Forschungsraum (Asia-Pacific Research Area, kurz APRA) zusammenträgt. Seit drei Jahren veröffentlicht ein Konsortium, bestehend aus dem DLR Projektträger, dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, dem German Institute of Global Area Studies (GIGA) und dem DAAD, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) jährlich einen solchen Bericht. „Seit 15 Jahren steigen in den APRA-Staaten die Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation sowie die Zahlen der Studierenden, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die der Publikationen, Patentanmeldungen und Forschungsinfrastrukturen. Diese Region entwickelt sich rasant“, sagt Dr. Christian Schäfer, der als Leiter des DAAD-Referats Forschung und Studien seine Expertise in den Bericht eingebracht hat.

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Eric Lichtenscheidt

Dr. Christian Schäfer leitet beim DAAD das Referat Forschung und Studien.

China: Regionen abseits von Beijing und Shanghai holen auf
In den Fokus des diesjährigen APRA-Berichts rücken nun unter anderem die Regionen Chinas abseits Shanghais und der Hauptstadt Beijing. Ein Befund: Zwar stehen die Ballungsräume Beijing, Shanghai und Jiangsu weiterhin im Zentrum vieler internationaler Kooperationen, doch in der jüngsten Vergangenheit haben auch andere Regionen, insbesondere in Südchina, Hochschulen und Forschungseinrichtungen stark ausgebaut und damit ein Niveau erreicht, das internationale Aufmerksamkeit rechtfertigt. In Südchina liegt etwa das Perlflussdelta, das Teile der Provinz Guangdong sowie die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau umfasst. „China arbeitet mit großem Druck daran, diese Gebiete miteinander zu verflechten und damit eine wohl einmalige Technologie-, Forschungs- und Wirtschaftsregion zu schaffen“, sagt Schäfer. Ein anderes Beispiel ist die westliche Region Shaanxi: Mehr als 50 Universitäten bilden dort Studierende in verschiedenen Ingenieursdisziplinen aus, von der Luftfahrt über den Staudammbau bis hin zur Kohle- und Gasförderung. Hinzu kommt eine Vielzahl von Forschungsinstituten. Ausschlaggebend für die hohe Dichte an wissenschaftlichen Einrichtungen in dieser Region sind die Reserven an Kohle, Öl und Erdgas, die zu den größten in China zählen. „Das sind gute Voraussetzungen für eine mögliche deutsch-chinesische Partnerschaft“, so Schäfer.

Indien: führend bei Start-up-Gründungen
Ein weiterer Schwerpunkt des APRA-Berichts ist Indien – ein Land, dem die Autorinnen und Autoren den Rang einer „aufstrebenden Wissenschafts- und Technologieregion“ attestieren und das hinter China zur zweitbedeutendsten Wissenschaftsnation Asiens aufsteigen könnte. Laut Bericht ist Indien quantitativ auf Augenhöhe mit Deutschland. Ein Indikator dafür: Der Output an Publikationen liegt in der Größenordnung von Deutschland und Großbritannien. Schaut man differenzierter hin, fällt die Bilanz aber durchaus gemischt aus: In den Bereichen Digitale Technologien, Software, Chemie, Pharmazie und Biotechnologie hat sich Indien zu einem relevanten akademischen Partner für Deutschland und Europa entwickelt. Weniger gut sieht es aus beim Blick auf die Innovation der Wirtschaft: Verglichen mit anderen APRA-Staaten wie Japan oder Südkorea ist das Niveau technologischer Aktivitäten eher gering. Spannend ist Indien dennoch als möglicher Kooperationspartner für innovationsgetriebene deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen, da sich das Land mittlerweile zum drittwichtigsten Staat nach den USA und China für Tech-Start-ups entwickelt hat: Allein im Jahr 2020 wurden mehr als 1.600 Start-ups mit einer Investitionssumme von insgesamt 3,5 Milliarden US-Dollar gegründet. 

Unterstützt wird dieser Trend, weil sich Indien bis zum Jahr 2035 als große Wissenschaftsnation etablieren möchte und dafür nationale Missionen in Zukunftstechnologien wie KI und Quanten-Computing finanziert. Ein Pfeiler der Bemühungen der Regierung Indiens ist deshalb, die Leistungsfähigkeit und Internationalisierung der Hochschulen zu stärken, insbesondere mit Fokus auf den Natur- und Ingenieurwissenschaften. „Die indische Seite treibt die Internationalisierung mithilfe von Förderprogrammen wie etwa den Indo-German-Partnerships in Higher Education voran, an denen auch der DAAD beteiligt ist“, sagt Schäfer. Wichtig sei dafür die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die sich etwa an der signifikanten Kostenbeteiligung der indischen Partner zeige. Schon jetzt ist das Interesse indischer Studierender an Deutschland groß. So stieg deren Anzahl hierzulande zwischen 2014 und 2019 um 52 Prozent auf rund 20.500 – und macht so mit 6,8 Prozent den zweitgrößten Anteil der Studierenden internationaler Herkunft nach China an deutschen Hochschulen aus.

USA bei APRA-Staaten die Nummer eins
Insgesamt aber, auch das belegt der APRA-Bericht, liegt der Schwerpunkt der asiatisch-pazifischen Staaten bei der Kooperation immer noch auf den USA, danach folgt China. Deutschland dagegen hat Nachholbedarf: Zwischen 6 und 12 Prozent liegt der Anteil Deutschlands an wissenschaftlichen Kooperationen mit den APRA-Staaten (Schwerpunkt Natur- und Lebenswissenschaften). Dies könnte sich jedoch ändern, denn sowohl in China und Indien als auch in Japan haben die Regierungen Förderprogramme aufgelegt, mit denen sie die Internationalisierung ihrer Hochschulen stärken wollen. Dabei ist insbesondere Indien an einer Zusammenarbeit mit westlichen Ländern interessiert. Der Blick von Deutschland aus in den asiatisch-pazifischen Raum bleibt also lohnenswert. Um diese Dynamik abzubilden, werden die APRA-Berichte künftig vier Mal pro Jahr erscheinen.
 
Benjamin Haerdle (10. August 2021)