„Der DAAD bietet das Gegenteil von ,one size fits all'“
DAAD/Jörg Sänger
Der neue DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks im Gespräch über Themen, die den DAAD bewegen, und darüber, was er an seiner neuen Aufgabe schätzt.
Herr Dr. Sicks, Sie sind jetzt seit einem guten Vierteljahr Generalsekretär des DAAD. Sie kannten die Arbeit des DAAD natürlich schon vorher – gibt es dennoch etwas, das Sie in den ersten Monaten überrascht hat?
Ich wusste schon immer, dass der DAAD breit aufgestellt ist. Aber mich hat die gelebte Vielfalt in den unterschiedlichsten Feldern doch überrascht: die Vielfalt der Zielgruppen, sowohl des weltweit gespannten Netzwerks als auch der Programme. Der DAAD bietet das Gegenteil von „one size fits all“, eine Fülle von sehr genau zugeschnittenen Angeboten. Das ist beeindruckend.
Die Digitalisierung gehört zusammen mit der Nachhaltigkeit zu den großen Querschnittsthemen des DAAD. Welche Ansätze sehen Sie in diesen Feldern als besonders zukunftsweisend an?
Bei der Digitalisierung geht es in zwei Richtungen: Zum einen wollen wir dazu beitragen, dass die deutschen Hochschulen neue Mobilitätsmuster und internationale Austauschformate durch den Einsatz digitaler Technologien etablieren. Das heißt: Digitaler internationaler Austausch soll in Ergänzung zu den klassischen Austauschoptionen einen festen Teil in Curricula und Studienplänen einnehmen. Zum anderen wollen wir die Anschluss- und Austauschfähigkeit von deutschen und internationalen Hochschulen durch digitale Vernetzung noch weiter verbessern. Das sind große Schritte, die wir mit eigenen Projekten und Formaten sehr unterstützen. Bei der Nachhaltigkeit sind wir gerade dabei zu bilanzieren, wie sich die Arbeit des DAAD auf Umwelt und Klima auswirkt. Langfristig wollen auch wir uns zu einer klimaneutralen Organisation entwickeln. Dabei folgen wir bei Reisen künftig ebenfalls dem Dreisatz „reduzieren, substituieren, kompensieren“. Umgekehrt ist mir wichtig, dass akademischer Austausch auch weiterhin vom persönlichen Austausch lebt. Interkulturelle Erfahrungen zu machen, Bekanntschaften zu schließen, Vertrauen aufzubauen und neue Kulturen kennenzulernen – das lässt sich nicht digital ersetzen. Sie sehen schon: Diese Ansprüche unter einen Hut zu bringen ist nicht trivial.
Das Thema „Chancengerechtigkeit und Diversität“ liegt Ihnen außerdem am Herzen. Was kann eine Organisation wie der DAAD hier bewegen?
Wir haben dafür im DAAD eine größere abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Ein Fokus liegt dabei auf dem Bereich Auswahl und Förderung: Ermöglichen wir unterschiedlichen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe an unseren Programmen? Sind unsere Auswahlkommissionen vielfältig zusammengesetzt? Aber wir müssen auch in Marketing und Kommunikation ansetzen: Wie können wir noch diversere Zielgruppen für eine Bewerbung motivieren? Für diese Fragen benötigen wir teils auch eine gute Datengrundlage. Das gehen wir jetzt strukturiert an. Was wir auf jeden Fall jetzt schon sagen können, ist: Ohne den DAAD wäre die deutsche Hochschullandschaft schon heute um einiges weniger divers.
Der neue DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks ist seit dem 1. April 2021 im Amt.
Die meisten deutschen Hochschulen haben Internationalisierung als strategische Aufgabe inzwischen verinnerlicht – wie verändert sich die Aufgabe des DAAD als Mitgliedsorganisation deutscher Hochschulen derzeit?
Das stimmt, diese Entwicklung ist schon vor längerer Zeit eingetreten, daher muss der DAAD nicht zur Internationalisierung motivieren, sondern dazu beitragen, dass die Hochschulen ihre strategischen Internationalisierungsziele auch erreichen können. Dabei ist die Förderung von Studierenden und Forschenden, die die deutschen Hochschulen internationaler und vielfältiger machen, so wichtig wie eh und je; und gleiches gilt auch für die Förderung von Projekten, um innovative Internationalisierungsideen umzusetzen. Wichtig ist uns auch, dass wir als DAAD eine Plattform bereitstellen, auf der sich Hochschulen über Internationalisierungsthemen informieren und austauschen können.
Nicht nur die Pandemie, auch das Erstarken autoritärer Regierungen weltweit beeinträchtigt den freien Austausch der Wissenschaft. Welche Rolle kann der DAAD hier übernehmen?
Die Zusammenarbeit mit Partnern in Ländern, die autoritär regiert werden, erfordert Sensibilität und ein gründliches Abwägen von Chancen und Risiken. Dafür bedarf es einer genauen Kenntnis der jeweiligen Situation vor Ort ebenso wie praktischer Erfahrungen. Der DAAD kann beides – dank unseres weltweiten Netzwerks ebenso wie der vielfältigen geförderten Projekten – an seine Mitgliedshochschulen ebenso wie an andere Partner und Wissenschaftseinrichtungen weitergeben. Mit dem neuen Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) ist der DAAD sehr gut aufgestellt, um diese Rolle auszufüllen.
Die vielfältigen Erfahrungen der DAAD-Alumni und -Alumnae sowie deren Vernetzung untereinander stellen einen besonderen Wert für den DAAD dar. Hatten Sie schon Gelegenheit, einige der Ehemaligen kennenzulernen?
Ehemalige DAAD-Geförderte sind überall! Meine ersten 100 Tage standen ganz im Zeichen des Kennenlernens der Kolleginnen und Kollegen sowie der nationalen und internationalen Partner in Hochschulen, Mittlerorganisationen, Politik, Regierung etc. Dabei bin ich oft auf Alumnae und Alumni gestoßen – sei es unter den Bundestagsabgeordneten, den ausländischen Partnern oder Beschäftigten im DAAD. Die allermeisten von ihnen verbinden mit dem DAAD lebensprägende, ausgesprochen positive Erfahrungen.
Worüber freuen Sie sich bei Ihrer neuen Aufgabe besonders?
Über den Abwechslungsreichtum! Ich habe schon immer gern Neues kennengelernt, und dies bietet mir die Stelle gerade im Überfluss.
Janet Schayan (2. September 2021)
Der Beitrag ist zuerst im DAAD-Magazin LETTER auf Deutsch und Englisch erschienen.
Weitere Informationen
Dr. Kai Sicks hat sein Amt als DAAD-Generalsekretär am 1. April 2021 angetreten. Er leitete zuvor das Dezernat Internationales der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und verantwortete dort unter anderem den Ausbau der Internationalisierung der Universität in Forschung, Studium und Administration. Der Germanist studierte an den Universitäten Wien, Köln und Frankfurt am Main. Stipendien führten ihn an das Deutsche Historische Institut in Washington, D.C., und die Cornell University.