New York – ein Synonym für Wandel

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Das One World Trade Center in Manhattan: Dort hat das Institute of International Education (IIE) seine Büros, die älteste Partnerorganisation des DAAD.

Die DAAD-Außenstelle New York blickt 2021 auf 50 Jahre transatlantischen Wandels durch Austausch zurück. Ein Gespräch mit Benedikt Brisch, seit 2019 Leiter der Außenstelle.

New York war schon immer ein Ort des Wandels und neuer Anfänge. Bereits die Geburtsstunde des DAAD ist laut Brisch mit der Metropole an der Mündung des Hudson Rivers verbunden: Carl Joachim Friedrich, Gründer des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, vergab 1925 die ersten Auslandsstipendien an deutsche Studierende, die finanziert wurden vom New Yorker Institute of International Education (IIE), bis heute die wichtigste Partnerorganisation des DAAD in den USA. Mit dem Schiff reisten sie zum Studieren nach Amerika. „Das IIE ist so etwas wie der Patenonkel unseres heutigen Austauschs“, sagt Brisch. Trotz dieser langen Tradition feiert die Außenstelle New York in diesem Jahr „erst“ ihren 50. Geburtstag.

1971 wurde das Büro in New York eröffnet, mitten in der turbulenten Ära der Studierendenproteste und Bürgerrechtsbewegung, zur Amtszeit von Willy Brandt und Richard Nixon. Die deutschen Hochschulen und der akademische Austausch stießen seit der Gründung der Außenstelle New York auf sehr positive Resonanz und großes Interesse bei US-Partnern. Über die Jahrzehnte wuchsen die Austauschzahlen stetig, wurden die Kooperationsformen vielfältiger und komplexer. Mangel an Herausforderungen herrschte dabei nie – in den letzten Jahren veranlasste gar zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit 2017 und 2018  viele Menschen auf der ganzen Welt zur Teilnahme am March for Science. Jetzt stehen die Zeichen jedoch wieder auf neuen Schwung für die transatlantischen Wissenschaftsbeziehungen.

New York – ein Synonym für Wandel

Beowulf Sheehan


Anlässlich des Jubiläums empfing Benedikt Brisch, Leiter der DAAD-Außenstelle New York, hohen Besuch: Dr. Allan Goodman, Präsident des IIE, Anthony Koliha, Director of the Office of Global Educational Programs US State Department, Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, Präsident des DAAD, Dr. Helena Kane Finn, Präsidentin DAAD Alumni Association USA, sowie David Gill, Deutscher Generalkonsul in New York (v. li. nach re.).

Frischer Wind für die Beziehungen
„Die Beziehungen zwischen den deutschen und den US-amerikanischen Hochschulen sind traditionell eng und gut. So haben sie auch die Herausforderungen in den vergangenen Jahren erfolgreich meistern können“, meint auch DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, der anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Außenstelle Mitte September nach New York gereist war und dort an einer Diskussionsrunde teilnahm. Umso erfreulicher sei es, dass auch die neue US-Regierung unter Joe Biden der wissenschaftlichen Zusammenarbeit über den Atlantik hinweg wieder einen großen Stellenwert beimesse. „Die internationale Wissenschaftskooperation steht derzeit vor massiven Herausforderungen – sei es bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, bei der Erforschung und Bekämpfung der Klimakrise, durch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit in vielen Ländern der Welt und nicht zuletzt durch bedrohte Studierende und Forschende in einigen Ländern, ganz aktuell in Afghanistan“, so Prof. Dr. Mukherjee im Anschluss an seine Gespräche mit hochrangigen Partnerinnen und Partnern, darunter Vertreterinnen und Vertreter aus dem US-Außenministerium. „Es ist daher gut zu wissen, dass wir für die kommenden Jahre eine breite politische Unterstützung – auch in Washington – für die gemeinsame Arbeit erwarten dürfen.“

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Beowulf Sheehan


DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee (re.) bei der Panel-Diskussion anlässlich des Alumnitreffens zum 50-jährigen Bestehen der Außenstelle New York.

Attraktives Ziel für Studierende
Die elf Außenstellen-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter am Standort New York sind zuständig für die USA und Kanada und damit für eine Hochschullandschaft, die sowohl für Studierende als auch für Forschende zu den attraktivsten weltweit zählt. Viele US-Hochschulen bieten Spitzenforschung, wie die zahlreichen Nobelpreisträgerinnen und -preisträger in den Vereinigten Staaten beweisen. Die Arbeitsbedingungen für Forschende in den USA gelten als ausgezeichnet. „Für Studierende ist vor allem die Campus-Atmosphäre attraktiv: Sie werden früh zu Kreativität und eigenen Ideen ermutigt. Auch wissenschaftlich können sich die Studierenden schnell einbringen“, berichtet Brisch. Dazu komme die Chance auf interkulturellen Austausch mit jungen Menschen aus der ganzen Welt. Kein Wunder also, dass laut Open Doors Fact Sheet Germany des IIE über 9.000 deutsche Studierende an Hochschulen in den USA eingeschrieben sind.

Wer sich ins Ausland traut, geht gern nach Deutschland
Die Zahl der Amerikanerinnen und Amerikaner, die zum Studium nach Deutschland gehen, ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, obwohl die US-Studierenden weitaus weniger international mobil sind als jene in Europa. „Lediglich etwa zwei Prozent der amerikanischen Studierenden gehen ins Ausland. Das liegt auch daran, dass ein Auslandsstudium für Amerikanerinnen und Amerikaner angesichts der hohen Studiengebühren eine zusätzliche finanzielle Hürde darstellt“, sagt Brisch. Zudem sei das Interesse, eine Fremdsprache zu erlernen oder gar zu studieren, leider in den USA eher rückläufig. Die gute Nachricht: Wer den Sprung ins Ausland wagt, für den ist Deutschland ein beliebtes Ziel. Deutschland werde als verlässlicher Partner in der Welt wahrgenommen, als stabile Demokratie und lebenswertes Land. Über 70 Prozent der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner beurteilten das Verhältnis der USA zu Deutschland als positiv. Auch das deutsche Wissenschaftssystem samt Hochschulen genieße einen guten Ruf. Eine wachsende Zahl von englischsprachigen Studiengängen tue ihr Übriges.

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DAAD-Archiv


Collage anlässlich des 15-jährigen Bestehens der DAAD-Außenstelle New York.

Werbung für den Wissenschaftsstandort Deutschland
Für den Wissenschaftsstandort werben auch Brisch und sein Team: vor der Corona-Pandemie auf unzähligen Messen, mit Alumni als Botschafterinnen und Botschafter sowie Hochschulbesuchen im ganzen Land, inzwischen immer häufiger mit digitalen Formaten. Außerdem werden enge Kontakte zu US-Forschungsverbänden gepflegt. Das geschieht in New York noch in einer zweiten Funktion: Brisch leitet auch das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) New York mit drei weiteren festen Mitarbeitenden im Team.

Die DWIH sind ein Zusammenschluss deutscher Wissenschaftsorganisationen, Hochschulen und der forschenden Wirtschaft. Sie sollen Deutschlands Position als Land der Forschung, Wissenschaft und Innovation stärken und Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft eine Plattform für transatlantischen Austausch und Zusammenarbeit bieten – eine Aufgabe, die in den nächsten Jahren noch intensiver wahrgenommen werden soll: 2022 eröffnet ein weiteres DWIH in San Francisco. „Die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Absolventen kalifornischer Spitzenuniversitäten wie Stanford und Berkeley mit den dortigen Firmen ermöglicht eine weltweit einmalige Verknüpfung zwischen Forschung und Gründungskultur“, erläutert DAAD-Präsident Prof. Dr. Mukherjee die Standortwahl. „Das neue Haus bietet nun deutschen Wissenschafts- und Innovationsakteuren endlich bessere Möglichkeiten, sich optimal vor Ort zu präsentieren und zu vernetzen.“

Statements von Leiterinnen und Leitern der DAAD-Außenstelle New York

Das Interesse am Austausch ist wieder groß
Die Öffentlichkeitsarbeit und das Werben um Studierende von beiden Seiten des großen Teichs ist aber nur ein Teil der Arbeit. Mindestens genauso wichtig sind die Betreuung vor Ort und die Beratung, wenn auch seit Pandemiebeginn unter neuen Vorzeichen. Wer zum Studieren oder Forschen mit einem DAAD-Stipendium in die USA gehen möchte, kommt über kurz oder lang auch mit der Außenstelle New York in Kontakt. „Wir beraten die Stipendiatinnen und Stipendiaten bei vielen Fragen zu ihrem Studium. Ein großes Thema sind dabei die Studiengebühren“, erklärt Brisch. Mit vielen Hochschulen hat der DAAD Nachlässe auf die hohen Gebühren für ausländische Studierende ausgehandelt. Ergänzt durch ein DAAD-Stipendium sinkt der Eigenanteil damit deutlich. Außerdem bietet das New Yorker Büro mehrtägige Seminare für die internationalen Studierenden an. DAAD-Alumni sind zu Gast, es gibt Raum für den Austausch über die ersten interkulturellen Erfahrungen im neuen Land.

„Für die Forschenden und Studierenden gibt es aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Gesellschaft vielerlei Aha-Erlebnisse auf und neben dem Campus“, sagt er. „Beispielsweise befindet man sich in den USA im Alltag viel häufiger in einer Verhandlungssituation, was kommunikatives Geschick und Entscheidungsfähigkeit erfordert.“ Daraus entstünden Fragen, manchmal auch Beratungsbedarf, aber vor allem wichtige Lebenserfahrungen für die Zukunft. Genau diese interkulturellen Kompetenzen sind nach dem Einbruch des internationalen Hochschulaustauschs durch die Coronapandemie sehr gefragt. Die Mobilität in beide Richtungen nimmt – auch bedingt durch eine wachsende Impfquote – wieder zu, Wissenschaft findet heute immer im globalen Kontext statt.

New York – ein Synonym für Wandel

DAAD-Archiv


Historische Aufnahme aus dem Jahr 1994.

Die Pandemie sorgt für bleibende Veränderungen
Ein Zurück zu alten Zeiten werde es trotzdem nicht geben, glaubt Brisch. In New York fühle man sich auf diese Zukunft des internationalen Austauschs aber gut vorbereitet. So war die Außenstelle an der Konzeption und Einführung des erst 2020 gestarteten digitalen Austauschprogramms IVAC (International Virtual Academic Collaboration) beteiligt, und heute stehen transatlantische Projekte an erster Stelle der Förderungen in diesem aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Programm. IVAC unterstützt Lehrende und Hochschulen dabei, internationale Hochschulkooperationen und weltweite Mobilität unter digitalen Vorzeichen zu gestalten und auszubauen. „Ich sehe große Chancen in den neuen digitalen Möglichkeiten. Wir können hier viel tun in Sachen Nachhaltigkeit, aber auch für Diversität und Chancengleichheit. Die Barrieren für internationalen Austausch werden sinken, jeder kann sich in digitalen Räumen mit Forschenden und Studierenden aus aller Welt austauschen“, sagt der Außenstellen-Leiter.

An einen Bedeutungsverlust des physischen Austauschs glaubt er trotzdem nicht. Immerhin gehen die interkulturellen Erfahrungen insbesondere während eines längeren akademischen Auslandsaufenthalts weit über den Hörsaal oder gemeinsame Forschungsprojekte hinaus. Es sind auch die Erlebnisse beim Einkaufen, im Restaurant, bei der Campusparty, die in Erinnerung bleiben und das spätere Leben prägen. Die große Aufgabe der nächsten Jahre sei es, eine neue Balance zu finden zwischen digitalem Austausch und Präsenz vor Ort, so Brisch. An spannenden Herausforderungen mangelt es also nicht, schon gar nicht in einer Stadt, die, wie es heißt, nie schläft, und in einem Land, das unbegrenzte Möglichkeiten bieten will.

New York – ein Synonym für Wandel

Privat

Das Team der Außenstelle New York bei einem Betriebsausflug 2019 im Marshlands Conservancy, Westchester County.

Team der Außenstelle New York, zuständig für die USA und Kanada

  • Benedikt Brisch (Leiter der Außenstelle)
  • Peter Kerrigan (Stellv. Leiter der Außenstelle)
  • Solveig Berkman
  • Casey Detrow (DWIH)
  • Dr. Katrin DiPaola (DWIH)
  • Charlotte Droll
  • Amra Dumisic
  • Uta Gaedeke
  • Ethan Grandel
  • Julia Helmes (DWIH)
  • Myoung-Shin Kim
  • Anna Oberle-Brill
  • Roxana Pleacoff
  • Michael Thomanek
  • Amelia Wallace
  • Hanni Geist (San Francisco)
  • John Paul Kleiner (Toronto)

Birk Grüling (23. September 2021)

Alle Leiterinnen und Leiter der DAAD-Außenstelle New York

  • Roland Mohrmann, Leiter der Außenstelle New York 1971 – 1974
  • Dr. Arnold Ebel, Leiter der Außenstelle New York 1975 – 1983
  • Dr. Manfred Stassen, Leiter der Außenstelle New York 1983 – 1989
  • Dr. Wedigo de Vivanco, Leiter der Außenstelle New York 1989 – 1993
  • Dr. Heidrun Suhr, Interimsleiterin der Außenstelle New York 1994 – 1995
  • Dr. Rolf Hoffmann, Leiter der Außenstelle New York 1995 – 1998
  • Britta Baron, Leiterin der Außenstelle New York 1998 – 2004
  • Ulrich Grothus, Leiter der Außenstelle New York 2005 – 2008
  • Dr. Sebastian Fohrbeck, Leiter der Außenstelle New York 2009 – 2013
  • Dr. Nina Lemmens, Leiterin der Außenstelle New York sowie des DWIH New York 2014 – 2018
  • Benedikt Brisch, seit 2019 Leiter der Außenstelle New York sowie des DWIH New York