Der inter-universitäre Campus: Mehrsprachig, digital und bürgernah

DAAD

Campus Europa ist der DAAD-Podcast zu den Europäischen Hochschulallianzen. DAAD Aktuell begleitet die aktuellen Folgen mit weiteren Stimmen aus den verschiedenen Allianzen.

Eine Europäische Hochschulallianz arbeitet über Ländergrenzen hinweg zusammen – dadurch entsteht ein inter-universitärer Campus. Welche Rolle spielen hierbei Mehrsprachigkeit und Digitalisierung? Und wie wird der Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunen gestaltet? Vier Vertreterinnen und Vertreter der Allianzen NeurotechEU, Circle U., EURECA-PRO, und Transform4Europe berichten aus der Praxis.

Hochschulen in Europa haben bereits 2017 nach einem Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten damit begonnen, strategische Partnerschaften zu gründen und sich in Allianzen zusammenzuschließen. Mittlerweile setzen 41 dieser europaweiten Zusammenschlüsse ihre Konzepte um. Auch wenn sie über Ländergrenzen hinweg zusammenarbeiten, sind sie geografisch jeweils an einem Ort verankert, gewachsen in einer Stadt oder haben einen eigenen Campus. Und dieser Hochschulcampus lebt davon, dass sich dort Menschen begegnen und austauschen – im Hörsaal, einer Aula, in der Mensa, bei Sportveranstaltungen und anderswo. Er lebt auch vom Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern außerhalb des Campus, zum Beispiel über öffentliche Vorträge oder Veranstaltungen, sowie vom Austausch mit den Kommunen, in denen die jeweiligen Hochschulen beheimatet sind.

Doch was macht nun einen inter-europäischen universitären Campus aus? Was verstehen die Allianzen selbst darunter? Welche Rolle spielen Mehrsprachigkeit und die zunehmende Digitalisierung? Wie wird der Aufbau eines Netzwerks mit außeruniversitären Partnern, wie die Vernetzung von Wissenschaft und Gesellschaft organisiert? Vier Vertreterinnen und Vertreter der Hochschulallianzen NeurotechEU, Circle U., EURECA-PRO und Transform4Europe beleuchten den inter-universitären Campus unter den verschiedenen Aspekten.

NeurotechEU: Inter-universitärer Campus – Allgemeine Vision

Der inter-universitäre Campus: Mehrsprachig, digital und bürgernah

Rolf Müller/ UK Bonn


Prof. Dr. Christian Henneberger von der Universität Bonn leitet den Bereich „Education and Research“ der Allianz NeurotechEU und ist Mitglied in deren Board of Governors.

„Für uns von der Allianz NeurotechEU ist der inter-universitäre Campus ein Ort der täglichen Zusammenkunft, des Austauschs und des Miteinanders, der darüber hinaus offizielle Funktionen erfüllt. Dafür wird die Plattform ,Campus+’ geschaffen, die zugleich das Herzstück von NeurotechEU ist: Als virtueller Raum stellt Campus+ eine Erweiterung aller an unserer Allianz beteiligten Partneruniversitäten dar und bietet Studierenden, Lehrenden, Forscherinnen und Forschern sowie administrativem Personal gleichermaßen die Möglichkeit, unabhängig vom eigenen Lebens- und Aufenthaltsort sowie frei von sozialen Hürden und Hemmnissen zusammenzuarbeiten. In unserer Vision stellt der NeurotechEU Campus+ einen Ort dar, an dem Wissen geschaffen und geteilt sowie Inklusion vorangetrieben wird.

Unsere Allianz möchte die Bedarfe der Studierenden, Lehrenden und Forschenden identifizieren und ihnen über Campus+ flexible, digitale Lösungen anbieten. Daher wurde Campus+ nicht nur als reines Lernmanagementsystem, sondern als Plattform konzipiert, die ihren Nutzerinnen und Nutzern uneingeschränkten Zugang zu verschiedenen Instrumenten der Kommunikation, zu Content Delivery, Feedback, Organisation und Zusammenarbeit bietet. Zudem ist eine perspektivische Erweiterung um Virtual/Augmented Reality Tools in Planung. Besonders wichtig ist uns dabei einerseits, Campus+ als barrierefreie Plattform zu konzipieren (Stichwort E-Accessibility), und andererseits, dass es sich bei den angewandten Programmen um Open Source handelt.

Campus+ soll allen Mitgliedern der Partneruniversitäten erlauben, vom kollektiven Wissen der Allianz zu profitieren und internationale Erfahrungen in vielfältiger Form zu sammeln. Es ist unser Ziel, auf diese Weise nicht nur den wissenschaftlichen Austausch zu fördern, sondern gleichzeitig die Bildung einer gemeinsamen europäischen, akademischen Identität zu unterstützen.“

NeurotechEU

In der Allianz NeurotechEU haben sich acht Partnerhochschulen im Bereich Neurowissenschaften zusammengeschlossen: Karolinska Institutet (Schweden), University of Oxford (England), Radboud University (Niederlande), Universität Bonn (Deutschland), University of Debrecen (Ungarn), Iuliu Hatieganu University of Medicine and Pharmacy (Rumänien), Bogazici University (Türkei), Miguel Hernández University of Elche (Spanien). Ihre gemeinsame Vision ist es, gehirnzentrierte oder gehirninspirierte Lösungen für einige der dringendsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen in Europa zu finden. Bachelor- und Masterstudierende sowie Doktorandinnen und Doktoranden erhalten eine umfassende multidisziplinäre Ausbildung und entwickeln in einem multikulturellen und mehrsprachigen Umfeld eine europäische Identität. Zudem fördert NeurotechEU aktiv das lebenslange Lernen und trägt mit mehr als 250 assoziierten Partnern dazu bei, dass Europa in Hirnforschung und -technologie weltweit führend wird.

Circle U.: Inter-universitärer Campus – Vernetzung von Wissenschaft und Gesellschaft

Der inter-universitäre Campus: Mehrsprachig, digital und bürgernah

Oliver Elsner


Dr. Klaus Wiehl ist an der Humboldt-Universität zu Berlin Projektkoordinator der Europäischen Hochschulallianz Circle U.

„Auf dem inter-universitären Campus der Allianz Circle U. arbeiten sieben Europäische Universitäten über Ländergrenzen hinweg gemeinsam an Themenfeldern mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Neben dem Kerngeschäft der Universitäten, der Lehre und der Forschung, widmet sich Circle U. auch der Third Mission, einer dritten essenziellen Aufgabe: der Vernetzung von Wissenschaft und Gesellschaft. Ziel dabei ist es, für die als große Herausforderungen identifizierten Probleme unserer Zeit wissenschaftlich fundierte Lösungen zu finden. Dabei spielt der Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunen eine wichtige Rolle.

In Berlin wie an den anderen europäischen Hochschulstandorten der Allianz verfügt Circle U. über ein breites Netz an außeruniversitären Partnern. Hierzu gehören Unternehmen, Accelerators, Museen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Diese Verbündeten speisen einerseits ihre Expertise in die Forschungsprozesse der Universitäten ein und verstärken andererseits deren Einbindung in ihr direktes gesellschaftliches Umfeld. Der inter-universitäre Campus bei Circle U. zielt also auf den Austausch zwischen Disziplinen und Universitäten ebenso wie auf den zwischen Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der Gesellschaft.

In den interdisziplinären ,Knowledge Hubs’ zu den Themen Demokratie, Klimawandel und Globale Gesundheit werden zum Beispiel gemeinsame Angebote für Menschen mit und ohne akademischen Hintergrund entwickelt. Somit ist das Angebot bewusst auch für Personen aus der Stadtgesellschaft geöffnet. An der Humboldt-Universität gehört dazu zum Beispiel ein Trainingsprogramm für ,Practitioners on climate change’. Dieses umfasst Aktivistinnen und Aktivisten ebenso wie Politikerinnen und Politiker und Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, die gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Ort Wege aus der Klimakrise suchen werden. Hinter solchen Initiativen steckt die Überzeugung, dass die europäischen Hochschulen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie national und lokal von den Studierenden und Forschenden, aber eben auch von Bürgerschaften und Kommunen mitgetragen werden. Obwohl die Pandemie diesen Austausch mit der Öffentlichkeit momentan noch erschwert, fallen solche Projekte gerade in einer wissenschaftsstarken Stadt wie Berlin auf fruchtbaren Boden.“

Circle U.

Die Allianz Circle U. verbindet circa 480.000 Studierende und 38.000 Lehrende an mittlerweile neun europäischen Universitäten: University of Oslo (Norwegen), Aarhus University (Dänemark), King’s College London (England), Université de Paris (Frankreich), University of Louvain (Belgien), Humboldt-Universität zu Berlin (Deutschland), University of Belgrade (Serbien), University of Pisa (Italien), Universität Wien (Österreich). Ziel des Netzwerks ist die Bildung eines inklusiven, forschungsintensiven und interdisziplinären europäischen Campus mit gemeinsamen Studiengängen und Promotionsprogrammen. Dabei orientiert sich Circle U. an drei großen thematischen Schwerpunkten: Climate, Global Health und Democracy. Im Fokus stehen die unbürokratische Mobilität sowie der Aufbau eines umfangreichen Netzwerks an außeruniversitären Partnern. Im Rahmen des Projekts werden zudem drei Knowledge Hubs zu den oben genannten Themen aufgebaut, in denen die Öffentlichkeit mit den Universitäten in Kontakt tritt sowie Forschende und Studierende gemeinsam forschend lernen. Circle U. macht es sich zur Aufgabe, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie den öffentlichen Sektor zusammenzubringen, um sich den großen Aufgaben unserer Zeit zu stellen und zu gewährleisten, dass Gesundheit, Frieden und Demokratie gefördert werden.

EURECA-PRO: Inter-universitärer Campus – Mehrsprachigkeit

Der inter-universitäre Campus: Mehrsprachig, digital und bürgernah

TU Bergakademie Freiberg

Prof. Dr.-Ing. Carsten Drebenstedt ist Projektkoordinator der Europäischen Hochschulallianz EURECA-PRO an der TU Bergakademie Freiberg.

EURECA-PRO hat sich im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den europäischen Partneruniversitäten und die Zusammenkunft auf dem grenzübergreifenden, inter-universitären Campus unserer Allianz insbesondere die Befähigung zur Mehrsprachigkeit als strategische Aufgabe gestellt. Dabei geht es darum, zum einen die Kompetenzen in der übergreifenden englischen Sprache zu fördern, aber auch Angebote in den Nationalsprachen zu pflegen. Wir wollen Bedingungen schaffen, die den Absolventinnen und Absolventen ausgezeichnete Englischkenntnisse garantieren, und ihnen zudem die Ausbildung in einer zweiten und damit weiteren Fremdsprache ermöglichen. An der TU Bergakademie Freiberg und der Hochschule Mittweida können mithilfe des nationalen Unterstützungsprogramms des DAAD erweiterte Sprachangebote, zum Beispiel ,Deutsch als Fremdsprache’, sowie die Ausbildung in spanischer und polnischer Sprache forciert werden.

Bei der Entwicklung gemeinsamer Bachelor-, Master- und Promotionsprogramme wird der Mehrsprachigkeit dadurch Rechnung getragen, dass an den Partneruniversitäten die für den Abschluss relevanten Lehrveranstaltungen in der jeweils vor Ort vorhandenen Ausbildungssprache angeboten werden. Das Vorlesungsverzeichnis enthält also neben Lehrveranstaltungen in englischer und deutscher Sprache mindestens vier weitere Sprachen, und die Studierenden können entsprechend ihren Sprachfähigkeiten auswählen. Onlineangebote ermöglichen das Studieren in verschiedenen Sprachen, ohne vor Ort im Sprachraum sein zu müssen. Eine zweite Fremdsprache ist in den gemeinsamen Studienprogrammen ein Pflichtfach. Dabei kann durch den Einsatz von Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern eine hohe Qualität der Ausbildung gewährleistet werden. Auch Kurzzeitangebote, wie Sommerschulen und Forschungsreisen, sind im Konsortium EURECA-PRO mit einem vorbereitenden Sprachmodul verbunden, um in das gastgebende Land einzuführen.

In Bezug auf die Wissensvermittlung in verschiedenen Sprachen sieht EURECA-PRO auch die Notwendigkeit, die Sprachausbildung für das in Lehre und Forschung tätige Hochschulpersonal zu fördern. Dieser wichtigen Aufgabe kann sich die Allianz dank des nationalen Unterstützungsprogramms des DAAD widmen.“

EURECA-PRO

Die European University Alliance on Responsible Consumption and Production (EURECA-PRO) ist ein Netzwerk aus sieben Europäischen Hochschulen: Hochschule Mittweida (Deutschland), TU Bergakademie Freiberg (Deutschland), Silesian University of Technology (Polen), Montanuniversität Leoben (Österreich), University of Leon (Spanien), University of Petrosani (Rumänien), Technical University of Crete (Griechenland). Die Partner haben sich zum Ziel gesetzt, Forschung und Ausbildung im Themenfeld ,Verantwortungsbewusstes Produzieren und Konsumieren’ voranzutreiben. Die Maßnahmen sehen unter anderem die Entwicklung neuer Technologien und Prozesse sowie die Effizienzsteigerung der Ressourcennutzung durch Kreislaufwirtschaft oder alternative Rohstoffe vor. Die beteiligten Hochschulen verfügen über verschiedene fachliche Schwerpunkte, die eine interdisziplinäre Ausbildung und Forschung sowie den Transfer in die Gesellschaft im Kontext von Ingenieur-, Politik-, Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften ermöglichen.

Transform4Europe: Inter-universitärer Campus – Digitalisierung

Der inter-universitäre Campus: Mehrsprachig, digital und bürgernah

Universität des Saarlandes / Thorsten Mohr


Carola Hodyas ist Referentin für strategische Partnerschaften im Dezernat Internationale Beziehungen der Universität des Saarlandes. Sie begleitet insbesondere die Strukturveränderungen, die durch den grenzüberschreitenden Hochschulverbund der Universität der Großregion und die Europäische Hochschulallianz Transform4Europe angestoßen werden.

„Die Hochschulallianz Transform4Europe arbeitet am Aufbau eines mehrsprachigen inter-europäischen Hochschulcampus. Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können aktiv Angebote aller Universitäten der Allianz nutzen, gemeinsam forschen, lehren und studieren. Die Mobilität zwischen den Partnern wird dabei künftig durch die Schaffung von Schnittstellen zwischen den jeweiligen Lernplattformen und Systemen zur Verwaltung von Studierendendaten erleichtert. Die wechselseitige Anerkennung von Abschlüssen und Modulen soll einen maßgeschneiderten europäischen Studienverlauf ermöglichen. Die digitalen Kommunikationswege schaffen dabei neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, erleichtern den Aufbau hochschulübergreifender Governance-Strukturen und bieten – gerade auch während der Einschränkungen durch die Coronapandemie – Raum für Begegnungen.

Ein sichtbares Zeichen des europäischen Hochschulcampus soll ein App-basierter Ausweis für Studierende sowie Mitarbeitende sein, der einen digitalen Zugang zu den Angeboten an allen Partnerhochschulen ermöglicht. Ein verbindendes Element der Partnerhochschulen ist die Transform4Europe-Week, die einen Freiraum für innovative europäische Lehr- und Mobilitätsformate schafft sowie die Möglichkeit für persönliche Begegnungen und Kollaborationen bietet. In digitalen Global-Classroom-Projekten werden bereits jetzt hochschulübergreifende Lehrangebote geschaffen.

Administrative Hürden der Zusammenarbeit, angefangen bei der Vergabe von IT-Kennungen bis hin zur Registrierung von Kurzzeit-Mobilitäten, werden vorerst noch mit pragmatischen Individuallösungen überwunden. Im Rahmen von ,Erasmus without Papers’ werden gegenwärtig Plattformen für den Austausch von Daten und Studienleistungen entwickelt, was alle Hochschulverwaltungen vor erhebliche Herausforderungen stellt, dafür aber auch einen reibungslosen Wechsel zwischen den Hochschulen ermöglichen wird. So schafft der Transform4Europe-Campus, ausgehend von digitalen Plattformen, einen echten europäischen Wissenschaftsraum, der dann durch individuelle Mobilität und Gemeinschaftsprojekte auch persönlich erfahrbar wird.“

Transform4Europe

Das Hochschulnetzwerk Transform4Europe – The European University for Knowledge Entrepreneurs ist ein Zusammenschluss von sieben europäischen Partnerhochschulen: Estonian Academy of Arts (Estland), Vytautas Magnus University (Litauen), University of Silesia in Katowice (Polen), Universität des Saarlandes (Deutschland), University of Trieste (Italien), University of Alicante (Spanien), Sofia University St. Kliment Ohridski (Bulgarien). Ein Schwerpunkt der Allianz ist das Konzept des „Knowledge Entrepreneurialism“: Die Partneruniversitäten wollen sich mit Schlüsselakteuren aus ihren Regionen zusammenschließen, um nicht nur hochqualifizierte Expertinnen und Experten, sondern auch europäische Wissensunternehmerinnen und -unternehmer auszubilden, die als dynamische Agentinnen und Agenten der Transformation handeln. Eine wichtige Projektmaßnahme ist die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen im Netzwerk mit dem Ziel der vereinfachten Anerkennung und Anrechnung von Auslandsaufenthalten.

Sabine Moser (1. Februar 2022)

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