Forscherinnen brauchen Netzwerke
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Netzwerke und Austausch über Landesgrenzen hinweg sind wichtige Instrumente zur Förderung von Wissenschaftlerinnen.
In Afrika sind Frauen in der Forschung, wie in vielen anderen Teilen der Welt, noch stark unterrepräsentiert. Doch es gibt auf dem zweitgrößten Kontinent der Erde viel Bewegung und positive Beispiele für akademische Frauenförderung.
Forscherinnen, Ingenieurinnen und IT-Expertinnen in Afrika stoßen im Laufe ihrer Karriere häufiger auf Hindernisse als ihre Kolleginnen in anderen Weltregionen. 80 Prozent der Forscherinnen gaben in einer Studie der Afrikanischen Akademien der Wissenschaften an, im Arbeitsleben mit geschlechterbedingten Hürden konfrontiert zu sein. Das Fachmagazin Nature macht in einer Umfrage unter afrikanischen Forscherinnen gleich mehrere Gründe dafür aus. Fehlende finanzielle Mittel innerhalb der Hochschulen und Forschungseinrichtungen stellen aus Sicht der Befragten ein großes Problem dar, genau wie eine ungleiche Rollenverteilung und fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Herausforderungen, die Frauen weltweit kennen. In Familien – auch in solchen, in denen die Frauen einen hohen Bildungsabschluss erworben haben – übernehmen in der Regel die Mütter den größeren Teil der Kinderbetreuung und der häuslichen Pflichten. In der Umfrage ist aber ebenso von struktureller Diskriminierung die Rede. Zum Beispiel berichten Forscherinnen, dass sie trotz ihrer Publikationen und dem Einwerben von Drittmitteln bei Beförderungen übergangen worden seien.
Doch es tut sich auch etwas: einerseits, weil Forscherinnen selbst aktiv werden, sich vernetzen und neue Wege gehen, wie im Fall von „Femafricmaths“, und anderseits, weil immer mehr Organisationen und Regierungen wirksame Maßnahmen gegen Ungleichverteilung entwickeln. Darunter zum Beispiel die #AdvancingWomxn-Initiative der Universität Kapstadt, Südafrika. Mit ihrem Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle aller Frauen und Mädchen trägt sie zur Erreichung zentraler Nachhaltigkeitsziele (Social Development Goals – SDGs) bei, wie sie in der Agenda 2030 von den Vereinten Nationen beschlossen wurden. So zielt etwa SDG 5 (Geschlechtergleichheit) darauf ab, die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zu beseitigen, insbesondere auch solcher im Bildungssektor, wie sie in SDG 4 (Hochwertige Bildung) ausdrücklich genannt sind.
Laut einer Studie der Weltbank bedarf es zur Förderung von Mädchen und Frauen im MINT-Bereich vor allem eines verlässlichen Zugangs zu Bildung für Mädchen, insbesondere in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Lesen und Schreiben sowie digitale Fähigkeiten. Darauf aufbauend sind Programme für höhere Bildung und weibliche Vorbilder im Forschungs- und MINT-Bereich für junge Mädchen und Frauen genauso wichtig wie mehr Vernetzung und Monitoring, insbesondere an afrikanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Eigeninitiative der Forscherinnen spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein Beispiel hierfür ist die climapAfrica Women’s Group. Das Forscherinnen-Netzwerk bildete sich im Herbst 2021 im Rahmen des vom BMBF geförderten climapAfrica-Programms, welches der DAAD gemeinsam mit den regionalen Klimakompetenzzentren WASCAL und SASSCAL umsetzt. Das Programm richtet sich an zukünftige Führungskräfte in der Klimaforschung aus Afrika und zielt darauf ab, anwendungsorientierte Forschung zur Bekämpfung des Klimawandels im südlichen und westlichen Afrika zu fördern und sichtbar zu machen. In der Women’s Group engagieren sich Forscherinnen aus dem gesamten afrikanischen Kontinent. Sie veranstalten regelmäßig Workshops für ihre Kolleginnen, arbeiten gemeinsam an Forschungsprojekten und engagieren sich für junge Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen. Drei der engagierten Frauen berichten für DAAD Aktuell über die Situation von Wissenschaftlerinnen in ihrem jeweiligen Heimatland und erklären, warum sie trotz der vielschichtigen Herausforderungen optimistisch sind.
Situation von Wissenschaftlerinnen in Südafrika
Dr. Kelly Kirsten, climapAfrica-Arbeitsgruppe Klimawandel und Modellierung, forscht am Institut für Geowissenschaft an der Universität Kapstadt. Ihre Forschung konzentriert sich auf das Verständnis der langfristigen Entwicklung und der Reaktionen von Gewässern auf Klimaschwankungen in Südafrika.
„In Südafrika sind Forscherinnen immer noch unterrepräsentiert, gerade in den höheren akademischen Positionen. Damit sind wir aber auf der Welt nicht allein. Zum Glück lässt sich eine stetige Entwicklung beobachten – immer mehr Forscherinnen besetzen Positionen, die früher nur älteren, weißen Männern vorbehalten waren. Mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft und im Universitätssystem und damit mehr Vorbilder sind aus meiner Sicht wichtig für junge Studierende sowie Doktorandinnen und Doktoranden. Dies gilt für alle Disziplinen, insbesondere aber für die Naturwissenschaften, die bekanntlich eine Männerdomäne sind.
An der Universität Kapstadt bieten Initiativen wie die #AdvancingWomxn-Initiative Möglichkeiten und sichere Räume für weibliche sowie unterrepräsentierte Studierende und Forschende. Dies trägt wesentlich dazu bei, das Selbstvertrauen von Forscherinnen in einem oft von Männern dominierten Umfeld zu stärken. All diese Netzwerke bieten uns die Möglichkeit, andere Forscherinnen kennenzulernen und uns gegenseitig zu ermutigen, den eigenen Weg fortzusetzen. Gleiches gilt für die climapAfrica Women’s Group. Sie hat ein großes Potenzial, Forscherinnen auf dem ganzen Kontinent eine Gemeinschaft zu bieten. Das ist gerade für Frauen immens wichtig, weil sie mit vielen Widerständen zu kämpfen haben. Sie wissen, dass sie dort Hilfe und Rat von Forscherinnen erhalten, die die eigene Situation bestens verstehen oder gar/auch selbst erlebt haben.“
Situation von Wissenschaftlerinnen in Ghana
Dr. Rebecca Sarku, climapAfrica-Arbeitsgruppe Klimawandel und Landwirtschaft, ist Postdoktorandin am West African Center for Water, Irrigation and Sustainable Agriculture, University for Development Studies, Tamale. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Umweltüberwachung zur besseren Voraussage des wetterbedingten Aufkommens von Pflanzenschädlingen und Krankheiten.
„In Ghana herrscht ein Missverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Forschenden. Nur knapp 30 Prozent der Forschenden sind weiblich, bei höheren akademischen Positionen ist der Anteil noch geringer. Trotzdem sind auch positive Trends zu beobachten. Dank zahlreicher Stipendien- und Mentorenprogramme werden mehr Frauen ermutigt, eine akademische Ausbildung zu absolvieren. Besonders erwähnenswert ist das WASCAL-Programm des BMBF, das Stipendien an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Westafrika vergibt. Außerdem sind viele starke Frauen, die in ihren Fachbereichen als Professorinnen oder Institutsleiterinnen tolle Arbeit leisten, Vorbilder für junge Frauen. Neben Mentorenprogrammen können auch die Bereitstellung relevanter Ressourcen wie Stipendien oder der Ausbau von Kinderbetreuung an Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen dazu beitragen, die Situation von Forscherinnen zu verbessern.
Natürlich ist auch eine Vernetzung über Landesgrenzen hinweg eine gute Möglichkeit. Ein gutes Beispiel dafür ist die climapAfrica Women’s Group. Sie unterstützt Wissenschaftlerinnen maßgeblich, zum Beispiel indem sie den Austausch untereinander fördert. Jeden Monat organisiert die climapAfrica-Gruppe ein Seminar, bei dem Expertinnen und Experten Vorträge über methodische, theoretische und empirische Ansätze im Bereich der Klimawissenschaften halten. Zudem stehen im Programm Mittel für die Teilnahme an Konferenzen zur Verfügung, um Forschungsarbeiten vorzustellen und auch Feedback zu erhalten. Ich persönlich habe von Mentorenprogrammen und Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen in Deutschland profitiert, die mein Netzwerk erweitert und meine Sichtbarkeit erhöht haben.“
Situation von Wissenschaftlerinnen in Sambia
Dr. Anayawa Nyambe, climapAfrica-Arbeitsgruppe Klimawandel und Landwirtschaft, forscht zu Public Health an der University of Sambia. Inzwischen arbeitet sie zu Strategien und Leitlinien zur Prävention von Hitzestress bei der Arbeit im Freien.
„Offizielle Statistiken zu Wissenschaftlerinnen in Sambia gibt es nicht. Insgesamt ist der Zugang zu höherer Bildung für Frauen in Sambia aber immer noch schwieriger als für Männer. Doch es zeigen sich auch positive Tendenzen. Die Bildung von Mädchen und Frauen wird seit einiger Zeit stärker gefördert; ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei auf den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der IT, damit mehr Frauen diese wichtigen MINT-Fächer studieren. Außerdem gibt es eine wachsende Zahl prominenter Wissenschaftlerinnen.
Ob diese positiven Entwicklungen auch zu einer grundlegenden Veränderung führen, muss sich noch zeigen. Unsere Gesellschaft sieht ein Mädchen eher als Hausfrau und Mutter. Hier braucht es viel Beistand der Familie, um damit zu brechen. Junge Akademikerinnen haben außerdem zu wenig Perspektiven, es fehlt an Stipendien und Mentorenprogrammen. Umso wichtiger ist die Arbeit von Netzwerken wie der climapAfrica Women’s Group. Sie bieten die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung über Ländergrenzen hinweg. Das ist sehr wichtig für die Forschung und für die Weiterentwicklung der akademischen Landschaft im Land. Dazu trägt auch bei, dass das Netzwerk die nötigen Mittel für Projekte zur Verfügung stellt.“
Birk Grüling (8. März 2022)