„Der Forschung fehlt es an wissenschaftlichem Nachwuchs“
DAAD/Fangfang Xu
Ein beliebtes Fotomotiv in Japan: Blick auf den Fuji.
Japan zählt zu den wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt, doch das Land steht vor vielen Herausforderungen. Um diese zu bewältigen, setzt Japan auf die Wissenschaft – und damit auch auf die Internationalisierung der Hochschulen. Dorothea Mahnke, Leiterin der DAAD-Außenstelle Tokyo und des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) Tokyo, im Gespräch über Japan als Wissenschaftsstandort, die deutsch-japanische Zusammenarbeit und die Chancen der Hochschulkooperation außerhalb der großen Metropolregionen.
Eine überalterte Gesellschaft, sinkende Geburtenraten und fallende Studierendenzahlen in Japan: Wie reagiert das Land darauf?
Japan will mit Technologie und Innovation dagegenhalten. Die Regierung hat im vorigen Jahr den 6. Basisplan für Wissenschaft, Technologie und Innovation verabschiedet, mit dem der Aufbau einer „Super Smart Society“ umgesetzt werden soll. Japan versteht darunter eine inklusive, vernetzte und nachhaltige Informationsgesellschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Welche Rolle ist dabei für die Wissenschaft vorgesehen?
Der Plan hat unter anderem das Ziel, die Forschungsleistung der japanischen Universitäten zu erhöhen, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und den Wissens- und Innovationstransfer der Universitäten in die Unternehmen zu verbessern. Hintergrund ist die Sorge, dass Japan als Wissenschaftsstandort im internationalen Vergleich weiter zurückfallen könnte. Als eine der Hauptursachen für diesen Rückgang gilt der fehlende wissenschaftliche Nachwuchs. Für junge Forschende herrschen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, und es gibt kaum Anreize für ein Masterstudium, geschweige denn für eine Promotion, da die meisten Firmen in der Regel Absolventinnen und Absolventen bereits nach dem Bachelorstudium rekrutieren. Das will die japanische Regierung nun ändern. Ein Beispiel dafür ist der 2021 ins Leben gerufene „University Fund“. Er soll mit einem Budget von 10 Billionen Yen (ca. 86 Milliarden Euro) ausgestattet sein und damit Profite am Kapitalmarkt erzielen. Die Erträge werden ausgewählten Universitäten zugutekommen, den „International Research Universities of Excellence“. Diese sollen davon Spitzenforschung in Schlüsseltechnologien und die Ausbildung von Doktorandinnen und Doktoranden finanzieren.
Dorothea Mahnke leitet die DAAD-Außenstelle Tokyo und das DWIH Tokyo.
Setzt Japan auch auf Internationalisierung?
Ja, das Land fördert mit dem Projekt „Top Global University Japan“ derzeit 37 nationale und private Universitäten, die gemeinsam mit internationalen Partnerhochschulen zum Beispiel Mobilitätsprogramme für Bachelor- und Masterstudierende auflegen, Dozentinnen und Dozenten Auslandsaufenthalte ermöglichen sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler austauschen. Um daran anzuknüpfen, wurde voriges Jahr das „Forum for the Internationalization of Japanese Universities“ geschaffen, dem bereits 126 Universitäten angehören. Insgesamt 19 Internationalisierungsprojekte haben schon begonnen. Diese beschäftigen sich vor allem mit der Nutzung von virtuellen Kommunikationsmöglichkeiten für den internationalen Austausch.
Wie ist es denn aktuell um die deutsch-japanische Zusammenarbeit bestellt?
Die Hochschulkooperation zwischen Japan und Deutschland läuft sehr gut. Die Datenbank der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) listet fast 830 Kooperationen, und jährlich werden es mehr. Japan ist seit 2014 für deutsche Universitäten das viertwichtigste Partnerland außerhalb Europas. Nachholbedarf sehe ich noch bei den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW): Sie kooperieren noch nicht so viel mit japanischen Partnern, aber wir bemerken, dass ihr Interesse an Japan von Jahr zu Jahr zunimmt. Eine Möglichkeit für deutsche Hochschulen, auf sich aufmerksam zu machen, ist die „European Higher Education Fair“, die im kommenden Jahr wieder in Präsenz in Japan stattfinden wird. Die Messe ist eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren. Wollen die Hochschulen mit Japan mehr in der Forschung zusammenarbeiten, ist das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) Tokyo eine wichtige Adresse, weil Hochschulen hier von einem sehr großen Netzwerk deutscher Wissenschaftsorganisationen vor Ort profitieren können.
Im Deutschen Kulturhaus befinden sich die DAAD-Außenstelle und das DWIH Tokyo.
In welchen Disziplinen suchen denn japanische Hochschulen noch Partner?
Die meisten japanischen Hochschulen suchen nicht fachspezifisch, sondern Hochschulpartnerschaften, mit denen sie fächerübergreifende Austauschprogramme auf die Beine stellen können. Von Seiten der Studierenden ist das Interesse breit gefächert. Die meisten japanischen Studierenden in Deutschland sind in den Kunst- und Musikwissenschaften sowie in der Germanistik und den Sozialwissenschaften eingeschrieben. Es studieren nur sehr wenige MINT-Studierende in Deutschland, weil Japans Hochschulen eine sehr gute Ausbildung in diesen Disziplinen anbieten. Generell haben japanische Studierende wegen ihres vollen Curriculums kaum Zeit für einen Auslandsaufenthalt. Wir beobachten auch den Trend, dass ein komplettes Studium in Deutschland immer interessanter wird, gerade im Masterbereich mit dem großen englischsprachigen Angebot in Deutschland. Das ist für Studierende finanziell günstiger als ein Studium mit hohen Gebühren im eigenen Land.
Universitäten in den Großregionen Tokyo und Kansai sind beliebte Kooperationspartner. Ein vom DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) für Ende April geplanter Workshop widmet sich nun dem Austausch mit Hochschulen außerhalb dieser beiden Metropolen. Welche Chancen bieten sich dort?
Ein Studium außerhalb der Metropolen ist vor allem für Studierende interessant, die nach Japan kommen, um Sprache und Kultur zu erlernen. In der Tat sind die berühmten Elite-Universitäten vorwiegend in Tokyo, Osaka oder Kyoto angesiedelt, und diese suchen meist keine Kooperationspartner mehr, da sie international bereits bestens vernetzt sind. Wer eine neue Partnerschaft aufbauen möchte, sollte sich fragen, welchen Zweck sie erfüllen soll. Wenn es um Studierendenaustauschprogramme geht, dann sind kleinere Universitäten in ländlichen Regionen sehr interessant. Es gibt dort stark international ausgerichtete Universitäten, so die Ritsumeikan Asia Pacific University auf der Südinsel Kyushu oder die Akita International University im Norden des Landes. Beide Universitäten haben ein großes englischsprachiges Angebot, und ein Leben auf dem Land kann für die Studierenden viel spannender sein als das/eines in den Metropolen Tokyo und Osaka: Sie bekommen dort besseren Kontakt zur Bevölkerung und lernen schneller die Sprache.
Wenn es um Innovation und Forschung geht, sind die Teammitglieder des DWIH an der DAAD-Außenstelle Tokyo gute Ansprechpartnerinnen: Yu Takeuchi, Dr. Laura Blecken, Dorothea Mahnke, Tamayo Suzuki (v. l.).
Was sollten deutsche Hochschulen beachten, die den Fokus der Kooperation mehr auf die Forschung legen?
Wenn es um eine Forschungspartnerschaft geht, dann ist die Wahl der Region eher sekundär. Hier orientieren sich deutsche Hochschulen mit Sicherheit weniger am Standort, sondern eher an der Forschungsqualität des potenziellen japanischen Partners. Anhaltspunkte, welche Universitäten in welchen Disziplinen exzellent forschen, finden sich in Initiativen wie dem Moonshot-Programm zur disruptiven Forschung, dem über die „World Premier International Research Center Initiative“ (WPI) geförderten Exzellenzcluster oder dem „Cross-ministerial Strategic Innovation Promotion Program“ (SIP), mit dem der Rat für Wissenschaft, Technologie und Innovation (CSTI) wissenschaftliche und technologische Innovationen unterstützt. Wer dort Mittel einwerben konnte, macht gute Forschung.
Wie würden Sie die Perspektiven der deutsch-japanischen Zusammenarbeit einschätzen?
Wie gerade erst die Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt haben, lässt sich die Zukunft schwer vorhersagen, aber die Kooperation zwischen beiden Ländern ist sehr stabil: Der DAAD ist seit fast 45 Jahren hier vertreten, vor Ort gibt es zahlreiche deutsche Wissenschaftseinrichtungen, und viele von ihnen gehören dem DWIH Tokyo an, das vom DAAD gemanagt wird. Was über die Jahrzehnte gewachsen ist, wird durch zwei Jahre Pandemie nicht so schnell erschüttert. Zudem wird angesichts der globalen Lage immer deutlicher, dass Deutschland gute und verlässliche Partner in Ostasien benötigt und andersherum.
Benjamin Haerdle (21. April 2022)
Weitere Informationen
Virtueller Workshop am 28. April 2022 zur deutsch-japanischen Zusammenarbeit
Das DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) veranstaltet am Donnerstag, dem 28. April 2022, von 9 bis 11 Uhr einen Onlineworkshop zum Thema „Vielfältiges Japan: Intensivierung der Wissenschaftskooperationen“. Der Workshop richtet sich an Vertreterinnen und Vertreter deutscher Hochschulen und wissenschaftlicher Einrichtungen, die sich über Potenziale und Herausforderungen in Bezug auf akademische Kooperationen mit Japan/japanischen Hochschulen austauschen wollen. Diskutieren Sie gerne mit uns zusammen.
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Kontakt
Dr. Fangfang Xu, Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen
Asien