Faszinierende Stadt, vielfältige Herausforderungen
DAAD Jakarta
Begrüßung in Jakarta: Der neue Außenstellenleiter Dr. Guido Schnieders mit seinem Team.
Dr. Guido Schnieders leitet seit Kurzem die DAAD-Außenstelle Jakarta, Indonesien, eine von 19 im Netzwerk des DAAD auf vier Kontinenten. Er berichtet von der Hochschulsituation in Indonesien und den Beziehungen zu Deutschland, aber auch vom Lebensgefühl in der Elf-Millionen-Metropole und den Eigenheiten ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.
Er lebt noch in einem möblierten Apartment, eine eigene Wohnung haben er und seine Frau in Jakarta bisher nicht beziehen können, und ihr Hab und Gut befindet sich beim Zoll. Doch Guido Schnieders hat schon arbeitsreiche Monate hinter sich, seit er am 1. Mai die Leitung der DAAD-Außenstelle in der indonesischen Hauptstadt übernommen hat – Besuch des Bundespräsidenten im Juni inklusive. Andererseits braucht der promovierte Germanist keine besondere Eingewöhnungsphase in Jakarta, denn er ist ein Asienkenner: 2004 kam er als DAAD-Lektor zum ersten Mal nach Indonesien, „fast aus Abenteuerlust“, wie er sagt. Und nach einem Intermezzo an der Universität in Frankfurt/Oder leitete er von 2011 bis 2016 das DAAD-Informationszentrum Kuala Lumpur in Malaysia. „Außerdem habe ich im letzten Jahr meines ersten Jakarta-Aufenthalts hier meine Frau kennengelernt“, erzählt Schnieders. „Mein Wunsch, einmal nach Jakarta zurückzukehren und die Außenstelle zu leiten, war daher im DAAD nicht gerade ein Geheimnis.“
Empfang der Deutschen Botschaft am 16. Juni 2022 in Jakarta: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit DAAD-Außenstellenleiter Dr. Guido Schnieders (r.) und Sebastian Gries (l.), dem Senior Project Manager des EU-SHARE-Projekts in der DAAD-Außenstelle.
Heterogene Bildungslandschaft
Die DAAD-Außenstelle in Jakarta existiert bereits seit 1990 – und sie zählt zu jenen, die im Rahmen des DAAD-Regionalisierungskonzepts in den vergangenen Jahren erweiterte Zuständigkeiten bekommen hat. Neben Indonesien gehören auch Malaysia, Singapur und Timor-Leste (das frühere Osttimor) zu Schnieders’ Verantwortungsbereich. „Es sind sehr heterogene Länder, das macht es so interessant. Denn allein mit den Hochschulsystemen in Singapur und in Timor-Leste bewegen wir uns zwischen Polen, die entgegengesetzter nicht sein könnten. Ich glaube, es gibt in Singapur und Timor-Leste kaum zwei Herausforderungen, die sich überschneiden.“ Hinzu komme, dass in der Indopazifik-Strategie der Bundesregierung Multilateralismus und Wertepartnerschaft einen hohen Stellenwert einnähmen – weshalb es auch dem DAAD ein wichtiges Anliegen sei, in der ASEAN-Region, deren Hauptsitz Jakarta ist, gut verankert zu sein.
Entsprechend aufgestellt ist die Außenstelle personell: Das sechsköpfige Team um Schnieders wird durch nicht-fachliche Angestellte und eine Reihe assoziierter Lektorinnen und Lektoren sowie Langzeitdozentinnen und -dozenten ergänzt. „Ein großer Teil unserer Aufgaben besteht in Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, also dem Bekanntmachen unserer Projekte. Das beginnt mit einer großen Zahl von Stipendienprogrammen für unterschiedliche Zielgruppen, für die wir individuelle Beratungen anbieten. Darüber hinaus werben wir mit vielen Veranstaltungen generell für ein Studium in Deutschland, ohne dass es unmittelbar mit DAAD-Stipendien verbunden wäre.“ Ein weiterer arbeitsintensiver Bereich: deutsche Universitäten für gemeinsame Projekte etwa mit indonesischen, singapurischen und malaysischen Hochschulen zusammenzubringen und sie zu unterstützen – hier sei detaillierte Recherche, zum Beispiel über die regionalen Bildungsmärkte, sowie intensive Vermittlungsarbeit gefragt.
Dr. Guido Schnieders in der Außenstelle mit Frau Ellyzar, Verwaltungsleiterin und stellvertretende Außenstellenleiterin, sowie Event-Managerin Olivia Sopacua.
Digitale Angebote statt Zeitvernichtung in den Megastaus
Aber das DAAD-Netzwerk unterliege auch Veränderungen, Stichwort: Digitalisierung. „Zu unseren Aufgaben gehört es daher, aufgrund der Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit digitalen Instrumenten gemacht haben, neue Formen der virtuellen Präsenz zu entwickeln und zu erproben“, sagt Schnieders. „Sicher werde ich auch künftig nach Malaysia oder Singapur reisen, um Hochschulen zu besuchen, persönliche Kontakte zu knüpfen, Vertrauen aufzubauen. Doch vieles, was mit dem Hochschulmarketing einhergeht, kann heute über digitale Kanäle laufen. Und für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch für interessierte Studierende ist es einfach nicht mehr zeitgemäß, stundenlange Megastaus in Jakarta oder Kuala Lumpur auszuhalten, um sich im DAAD-Büro etwa über ein Bachelorstudium in Deutschland zu informieren.“
Wegweisendes EU-Projekt
Neben den klassischen Aufgaben ist die Außenstelle mit einem speziellen EU-Projekt befasst, für das eigens drei weitere Kolleginnen und Kollegen tätig sind. „EU-SHARE läuft seit 2015 mit dem Ziel, im ASEAN-Raum eine Integration der Hochschulsysteme und generell der akademischen Bildung nach Vorbild des europäischen Hochschulraums zu schaffen“, erklärt Schnieders. Dazu gehörten Politikdialog, eine Stipendienkomponente (mit Stipendien innerhalb ASEANs und in die EU) sowie – vom DAAD bearbeitet – die Aufgabe, Leitlinien für Qualitätsrahmenwerke und für die Qualitätssicherung zu schaffen. „Das hört sich unscheinbar an, ist aber Grundlagenarbeit, denn die Hochschulsysteme in den ASEAN-Staaten sind divers. So gibt es zum Beispiel allein in Indonesien etwa 4.000 Hochschulen, doch längst nicht alle Institutionen, die sich dem Hochschulbereich zuordnen, sind für den internationalen Austausch geeignet oder darauf vorbereitet. Man muss schon genau prüfen, mit wem man sich verpartnert“, so Schnieders. Ziel des Projekts ist es unter anderem, gemeinsame Rahmen für Akkreditierungsmaßstäbe zu schaffen, die Einstufungen nach definierten Kriterien ermöglichen. „Das hilft uns, denn wir verfolgen ja sehr konkrete Qualitätsansprüche. Und Bildungsinstitutionen niedriger Kategorien würden wir deutschen Universitäten nicht unbedingt als Partner ans Herz legen.“
Wie geht es weiter mit dem Deutschstudium in Indonesien? Dr. Guido Schnieders auf der Germanistenkonferenz in Jakarta.
Enorme Freundlichkeit – und gänzlich andere Relevanzsysteme
Ein Punkt, der dem Außenstellenleiter zufolge „Riesenspaß“ macht: „Deutschland ist in Indonesien, in Malaysia und auch in Singapur sehr positiv besetzt und der DAAD in Südostasien eine bekannte Marke, die oft als Türöffner funktioniert.“ Was ihn für die Indonesierinnen und Indonesier zudem einnehme, sei ihre große Liebenswürdigkeit im Umgang. „Die Menschen sind außerordentlich freundlich, auch jene, die vielleicht kämpfen müssen, um mit ihrem Leben klarzukommen“, so Schnieders’ Beobachtung. „Es gilt als Unart, andere mit den eigenen Problemen zu belasten. Bevor ich zum ersten Mal nach Indonesien kam, hatte ich mich bereits mit interkultureller Kommunikation beschäftigt. Trotzdem hat es mich überrascht, dass Menschen mental so unterschiedlich verfasst sein können.“ Er finde es bis heute faszinierend, wie sehr sich die Relevanzsysteme in Indonesien von denen des Westens unterschieden. Als Beispiel nennt er die zentrale Rolle der US-amerikanischen Kultur in Musik und Film in Europa. „Das findet hier in dieser Form schlicht nicht statt – wichtige internationale Einflüsse auf die Jugendkultur etwa in Bezug auf Musik, Film und Mode kommen hier eher aus Südkorea. Und auch die politischen und gesellschaftlichen Diskurse sind weit weg von dem, was in Europa diskutiert wird.“
Stadttour auf dem Moped
Doch Schnieders schätzt nicht nur die Menschen im Land, sondern auch das Leben in ihrer Hauptstadt – trotz des tropisch-feuchten Klimas und der hohen Luftverschmutzung („gewöhnungsbedürftig“). Einer seiner Lieblingsorte: der Platz, an dem sich die gewaltige Istiqlal-Moschee und die Kathedrale von Jakarta direkt gegenüberstehen. Während seines ersten Aufenthalts sei er viel per Moped unterwegs gewesen. „Ein Stopp an einem Kaffeestand nahe der Moschee für einen dieser unglaublich süßen Milchkaffees im Pappbecher gehörte immer dazu.“ Seit seiner Rückkehr als Außenstellenleiter habe er für eine Moped-Tour allerdings bisher keine Zeit gefunden – noch nicht.
Frank Giese (4. August 2022)