Ein Master-Abschluss als Chance des Lebens

DAAD/Zeitz

Workshop bei der „Leadership for Africa“-Auftaktkonferenz im Juni in Berlin: Was bedeutet „Leader for Africa“?

Mit dem Stipendienprogramm „Leadership for Africa“ ermöglicht der DAAD Flüchtlingen und Einheimischen aus zehn Subsahara-Ländern ein Masterstudium an einer deutschen Hochschule. Der Aufwand zur Auswahl von jährlich rund 50 Stipendiatinnen und Stipendiaten ist erheblich, die Betreuung intensiv. Doch der Erfolg spricht für sich: Im dritten Jahr ist die Bewerberzahl regelrecht explodiert. Nun wird das Angebot verstetigt und reiht sich ein in die Standardprogramme des DAAD.

Unter den vielen Förder- und Stipendienangeboten des DAAD ragt eines wegen seiner speziellen Zielgruppe heraus: das Stipendienprogramm „Leadership for Africa“ (LfA), das sich explizit an junge Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen mit Flüchtlingsstatus richtet, die in bestimmten Ländern der Subsahara-Region Aufenthaltsrecht haben. Für viele von ihnen bietet sich mit der Möglichkeit, in Deutschland ein Masterstudium zu absolvieren, eine große und oft sogar einmalige Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg. „Gerade Flüchtlingen ist es in ihren Aufenthaltsländern oft verwehrt, einen Abschluss zu machen und den Einstieg in einen Beruf zu schaffen – sei es aus finanziellen Gründen oder auch schlicht mangels Bewegungsfreiheit, etwa weil sie in einem Camp leben“, sagt Gudrun Chazotte, Leiterin des Referats „Stipendienprogramme Afrika“ im DAAD. „Ein Master-Abschluss aber vergrößert ihre Chancen erheblich, aus ihrem Leben wirklich etwas zu machen. Und was besonders wichtig ist: Als Stipendiatinnen und Stipendiaten kommen sie nicht als Flüchtlinge, sondern mit einem internationalen Studierendenticket nach Deutschland. Es sind hochqualifizierte Menschen, denen wir helfen können, ihren hinderlichen Sonderstatus hinter sich zu lassen.“

Ein Master-Abschluss als Chance des Lebens

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Stipendiat Moses Kabuu und Gudrun Chazotte, Leiterin des DAAD-Referats „Stipendienprogramme Afrika“.

Umfassendes Stipendienpaket
Konkret sieht das 2020 erstmals aufgelegte Programm 50 Plätze für Flüchtlinge und Staatsangehörige aus jährlich wechselnden Ländern Ost-, West- und Zentralafrikas vor. Finanziert wird es aus Mitteln des Auswärtigen Amts, das jährlich rund vier Millionen Euro zur Verfügung stellt. Eine weitere Besonderheit ist (neben der speziellen Zielgruppe) die besonders intensive Betreuung der Stipendiatinnen und Stipendiaten. So erhalten sie zum Beispiel Unterstützung bei der Suche nach einem passenden Studiengang und beim Einschreibeprozess, aber auch bei Versicherungs- und Reisekosten. Zum Stipendium zählt neben dem obligatorischen Sprachkurs ein umfassendes Begleitprogramm, das den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch Kenntnisse in Leadership und Good Governance vermitteln sowie bestimmte Soft Skills schulen soll, die ihnen die Berufsorientierung erleichtern. Das hat einen konkreten Hintergrund: Wer als Ausländerin oder Ausländer an einer deutschen Hochschule ein Masterstudium abschließt und in den folgenden 18 Monaten den Berufseinstieg schafft, erwirbt damit eine Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis. „Natürlich erwarten wir einerseits von den Absolventinnen und Absolventen, dass sie in ihre Heimatländer zurückkehren, um dort die Weiterentwicklung mit ihren erworbenen Kompetenzen wirkungsvoll mitzugestalten“, sagt Gudrun Chazotte. „Auf der anderen Seite sprechen wir von Menschen, die vor Ort nicht wirklich Chancen vorfinden, die ihrer Ausbildung oder ihren Kenntnissen entsprechen. Und das gilt naturgemäß für alle, die aus ihrem Land flüchten mussten, erst recht.“

Auswahl nach den DAAD-Qualitätskriterien
Doch ungeachtet des speziellen Adressatenkreises von „Leadership for Africa“: Die Auswahl aus dem Bewerberpool erfolgt nach denselben Kriterien wie bei jedem anderen Stipendienprogramm des DAAD auch. „Die unabhängige Auswahl aufgrund von Vorqualifikationen und Bewerbungsgesprächen hat in jedem Fall Priorität“, so Chazotte. „Wir könnten auch gar nicht anders handeln, denn die deutschen Hochschulen entscheiden bekanntlich selbst, wen sie als Masterstudierende akzeptieren. Und als DAAD können wir natürlich nicht riskieren, Bewerberinnen und Bewerber vorauszuwählen, die dann keinen Studienplatz bekommen – woran das Stipendium aber gekoppelt ist.“

Diese Umstände deuten schon an, dass das Auswahlverfahren für „Leadership for Africa“ erheblich aufwändiger und komplizierter ist als für viele andere DAAD-Fördermaßnahmen. „Üblicherweise bewerben wir unsere Programme über unsere Außenstellen, über Lektorinnen und Lektoren, die deutschen Botschaften der jeweiligen Angebotsländer sowie Alumni und Alumnae und über die Sozialen Medien“, sagt Gudrun Chazotte. „Doch viele Flüchtlinge sind über diese Kanäle gar nicht zu erreichen – zum Teil, weil sie an keiner Hochschule eingeschrieben sind. Oder weil sie gar keinen eigenen Laptop besitzen oder keine Verbindung zum Internet haben. Für ihre Ansprache arbeiten wir daher eng mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zusammen. Nicht selten erreichen uns Bewerbungsschreiben, die vom Bürocomputer eines Flüchtlingscamps abgeschickt wurden.“ Auch der Auswahlprozess stelle alle Beteiligten vor Herausforderungen: „Von den Gesprächen der Gutachter mit Bewerberinnen und Bewerbern, die manchmal nur telefonisch möglich sind, bis zu administrativen Hürden, etwa wenn Pässe oder Unterlagen verlorengingen – hier ist vieles Neuland.“ Doch durch das große Engagement von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der deutschen Auslandsvertretungen, der Hochschulen und des UNHCR könnten viele Probleme gelöst werden. „Das sind immer wieder Momente, in denen einem klar wird, dass sich die Mühe lohnt“, so Gudrun Chazotte.

Ein Master-Abschluss als Chance des Lebens

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Workshop-Teilnehmer Abel Mekonnen Tesfaye bei der Auftaktkonferenz zu „Leadership for Africa“.

„Bemerkenswerte Persönlichkeiten“
Waren es 2020 beim Start von „Leadership for Africa“ rund 500 Bewerberinnen und Bewerber, ist ihre Zahl in diesem Jahr auf mehr als 1.200 gewachsen. Wie groß die Resonanz ist, zeigte auch die Auftaktkonferenz, die am 22. und 23. Juni in Berlin stattfand. Hier berichteten „LfA“-Geförderte von ihren Erfahrungen – und beeindruckten sichtlich die übrigen Gäste aus Hochschulen, Politik und dem Auswärtigen Amt. „Es sind bemerkenswerte Persönlichkeiten darunter – lebensbejahende Menschen, die die Chancen, die ein Stipendium ihnen bietet, unbedingt nutzen wollen. Und das trotz, oder auch gerade wegen der Schicksalsschläge, die manche von ihnen zu verkraften hatten“, hat Gudrun Chazotte beobachtet. „Einer der Teilnehmenden erhielt noch auf der Konferenz ein Jobangebot – er konnte es nur deshalb nicht annehmen, weil seine Deutschkenntnisse bislang nicht ausreichen.“


„Leadership for Africa“ zählt mittlerweile zu den Standardprogrammen des DAAD, wird also auch in Zukunft angeboten – auch weil es eine Lücke im DAAD-Portfolio füllt. Das Programm ist ein komplementäres Angebot zum DAAD-Surplace-/Drittlandprogramm für Entwicklungsländer, dessen Schwerpunkt ebenfalls in der Subsahara-Region liegt. Mit diesem Programm fördert der DAAD die Ausbildung künftiger Fach- und Führungskräfte in Entwicklungsländern, insbesondere für die Hochschulen. Im Unterschied zu „LfA“ richtet sich das Surplace-/Drittlandprogramm, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanziert wird, an Graduierte, die ihr Master- oder Promotionsstudium in ihrem Heimatland oder oftmals in einem benachbarten Drittland fortsetzen wollen. Gudrun Chazotte: „Auf diese Weise ergänzen sich beide Programme hervorragend.“

Frank Giese (25. August 2022)