GAIN-Jahrestagung und Talent Fair: Wieder in Präsenz und erstmals in Europa

GAIN/Michael Jordan

Eröffnungsdiskussion bei der GAIN 2022, moderiert von Jens Krepela vom WDR mit Prof. Dr. Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, Dr. Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, und Prof. Dr. Michael Hoch, Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (v. l. n. r.). 

Die 22. Jahrestagung und Talent Fair des German Academic International Network (GAIN) fand vom 2. bis 4. September in Bonn und damit erstmals außerhalb von Nordamerika statt. Sie richtete sich an Forschende aus Deutschland in frühen Karrierephasen, die derzeit insbesondere im europäischen Ausland sowie zum Teil in Asien, Afrika, Australien und Nordamerika forschen.

Nach zwei Jahrzehnten abwechselnd in Boston und San Francisco sowie zwei digitalen GAIN-Tagungen fand die Jahrestagung nun wieder in Präsenz statt – und erstmals in Europa. „Nachdem die GAIN in den beiden Jahren zuvor infolge der Pandemie nur virtuell stattfinden konnte, freuen wir uns nun wieder auf die persönliche Begegnung untereinander auf der GAIN in Bonn. Das wird dem Ziel der Tagung, wertvolle Kontakte für eine wissenschaftliche Karriere zu knüpfen, gerecht“, sagte DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. Das zeigte sich auch an der Resonanz: Über 400 Teilnehmende fanden an den drei Tagen den Weg zur GAIN-Tagung und zur Talent Fair. Die Veranstaltung bot auch einer Vielzahl der in Europa geförderten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine Bühne. Sie konnten sich dort zu unterschiedlichen Karrierewegen informieren, von der Professur an Universitäten oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) über das Wissenschaftsmanagement bis hin zum Wechsel in Forschungsabteilungen von Unternehmen oder die Gründung eines Start-ups. Workshops widmeten sich Themen wie der Karriereentwicklung bei internationalen Organisationen oder boten Einblicke in Berufungsverfahren und Tenure-Track-Professuren. Bei der Talent Fair präsentierten sich Hochschulen, Förder- und Forschungseinrichtungen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an mehr als 60 Ständen.

Auch Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des Hamburg Institute for Advanced Study, Prof. Dr. Christopher Morris, Juniorprofessor für Maschinelles Lernen auf Graphen an der RWTH Aachen, und Prof. Dr. Franziska Muckel, Juniorprofessorin für Elektroenergetische Funktionsmaterialien an der Universität Duisburg-Essen, nahmen an der diesjährigen GAIN teil. Dorothea Rüland leitete die Session „Netzwerken aus dem Ausland für den Ruf in Deutschland“, Christopher Morris gab im Panel „Fachbezogenes Forum: Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften“ Tipps für Karrierewege und Franziska Muckel berichtete auf der GAIN als Testimonial von ihren Erfahrungen in den USA.

GAIN-Jahrestagung und Talent Fair: Wieder in Präsenz und erstmals in Europa

HIAS/C. Höhne

Dr. Dorothea Rüland ist Generalsekretärin des Hamburg Institute for Advanced Study (HIAS). Von 2010 bis 2021 war sie DAAD-Generalsekretärin. 

Frau Dr. Rüland, warum ist es sinnvoll, für den Ruf in Deutschland auch schon im Ausland zu netzwerken?
Rüland: Netzwerken ist heutzutage ein fundamentales Instrument in der Wissenschaft, daran führt gerade für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kein Weg vorbei. Wer einen Ruf an eine deutsche Hochschule bekommen möchte, kann nicht erst damit anfangen, wenn er wieder zurück im Land ist. Dann ist der Zug längst abgefahren. Deswegen sollte man früh genug damit beginnen, Kontakte in Deutschland und weltweit zu knüpfen und zu pflegen. Voraussetzung für die Anbahnung von Kontakten ist eine gewisse Bekanntheit, die man in erster Linie durch Publikationen und Vorträge erreicht. Nur wer darüber verfügt und von der wissenschaftlichen Community in Deutschland wahrgenommen wird, wird bei Berufungen berücksichtigt.

Welche Möglichkeiten des Netzwerkens gibt es?
Rüland: Es ist immer wichtig, möglichst frühzeitig zu Konferenzen und Sommerschulen zu fahren oder Veranstaltungen wie die GAIN-Tagung zu besuchen. Als Doktorandin oder Doktorand hat man in der Promotionsphase auch Betreuerinnen und Betreuer, die bei der Kontaktpflege unterstützen sollten. Und natürlich muss man publizieren: Wissenschaftliche Papers sorgen dafür, dass man sich in der Fach-Community einen Namen macht. Eine weitere Möglichkeit ist die Mitarbeit in Akademien wie der Jungen Akademie oder der Global Young Academy. Das sind interessante Verbünde, in denen man lernt, sich in Netzwerken zu positionieren und zu verhalten. Wissenschaftskollegs wie das Hamburg Institute for Advanced Study bieten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für eine begrenzte Zeit einen interdisziplinären Forschungs- und Austauschraum. Dort kann man Kontakte pflegen und so die Erfolgsaussichten für einen Ruf erhöhen.

Gibt es disziplinspezifische Unterschiede beim Netzwerken?
Rüland: Forschenden in den Lebens- und den Ingenieurwissenschaften fällt das Netzwerken womöglich leichter, weil sie oft in Teams arbeiten und vermehrt in größeren Autorenschaften publizieren. Etwas anderes ist das in den Sozial- und Geisteswissenschaften, wo viele immer noch alleine Monografien oder Bücher publizieren. Hier kann ich nur raten, möglichst frühzeitig proaktiv Konferenzen oder Sommerschulen zu besuchen und selbst sein eigenes Netzwerk zu bauen.

GAIN-Jahrestagung und Talent Fair: Wieder in Präsenz und erstmals in Europa

Privat

Dr. Christopher Morris ist Juniorprofessor für Maschinelles Lernen auf Graphen an der RWTH Aachen und Leiter der von der DFG geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Grapheneinbettungen: Theorie trifft Praxis“. 

Prof. Dr. Morris, Sie haben mehr als zwei Jahre in Kanada geforscht, unter anderem als Stipendiat des DAAD-Programms „IFI – Internationale Forschungsaufenthalte für Informatikerinnen und Informatiker“ am Mila – Quebec AI Institute in Montreal. Warum haben Sie sich entschieden, wieder nach Deutschland zurückzukehren?
Morris: Ich wollte mich eigentlich auf Professuren in Kanada bewerben, die werden landesweit einheitlich immer im Dezember ausgeschrieben. Das Land hatte mir gut gefallen, und Kanada ist auf meinem Forschungsgebiet „Maschinelles Lernen“ weltweit vorn mit dabei, das wäre schon in Ordnung gewesen. Ich hatte mich aber bereits zuvor auf drei Stellen in Deutschland beworben und bekam zwei Angebote für eine Juniorprofessur, darunter von der RWTH Aachen. Da ich zudem eine Förderung im Emmy Noether-Programm bei der DFG eingeworben hatte, lag es auf der Hand, eine eigene Nachwuchsgruppe in Deutschland aufzubauen.

Wie schwierig war es, den Ruf auf die Juniorprofessur zu bekommen?
Morris: Für mich war es ehrlich gesagt nicht so schwierig. Das lag zum einen daran, dass mein Forschungsgebiet „Maschinelles Lernen” sehr angesagt ist und viele Juniorprofessuren sowie Professuren in Deutschland ausgeschrieben waren. Zum anderen konnte ich die DFG-Förderung vorweisen, auf die mich meine Betreuerin an der TU Dortmund, Prof. Dr. Petra Mutzel, hingewiesen hatte. Mein Vorteil war zudem, dass ich bereits mit Martin Grohe, einem Professor der RWTH Aachen, kooperiert hatte, der mich dann nach Aachen holen wollte. Mit ihm hatte ich seit meiner Promotion an der TU Dortmund Kontakt. Dieser Kontakt kam zustande, nachdem Kristian Kersting, damals Professor an der TU Dortmund, auf meine Forschung aufmerksam gemacht hatte. Martin Grohe lud mich dann zu einem Vortrag nach Aachen ein. Wir haben später zusammen ein Paper geschrieben, das oft zitiert wurde. Dadurch konnte ich mir einen Namen machen.

Haben Sie Tipps parat, wie der Sprung auf eine Professur nach Deutschland gelingen kann?
Morris: Das Wichtigste scheint mir, dass man in den Topjournalen, oder im Fall der Informatik in Tagungsbänden von Topkonferenzen, publiziert. Auch ein nationales und internationales Netzwerk ist nützlich. Ich habe andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Konferenzen getroffen, kam mit ihnen ins Gespräch und fragte, ob man nicht mal was zusammen machen wolle. Dieses Netzwerk ist im Laufe der Zeit gewachsen, davon habe ich profitiert.

GAIN-Jahrestagung und Talent Fair: Wieder in Präsenz und erstmals in Europa

Universität Duisburg-Essen

Dr. Franziska Muckel ist Juniorprofessorin für Elektroenergetische Funktionsmaterialien an der Universität Duisburg-Essen. 

Frau Prof. Dr. Muckel, Sie haben zwei Jahre an der US-amerikanischen University of Washington geforscht, davon ein Jahr als DAAD PRIME Fellow. Was hat Ihnen dort besonders gut gefallen?
Muckel: Innerhalb des Departments und der Arbeitsgruppe wurde das Zusammenarbeiten stärker unterstützt, als ich das in Deutschland bislang erlebt hatte. Alle waren offen dafür, ich habe das Miteinander als sehr natürlich empfunden. Es gab viele Möglichkeiten, sich mit den Kolleginnen und Kollegen zu treffen: Nahezu wöchentlich wurde zu Seminaren und Vorträgen eingeladen, einmal die Woche war „Cookie Time“ mit Kaffee und Kuchen für das Department. Diese Angebote haben viele gern angenommen. Gut gefallen hat mir auch der einfache Zugang zu modernen Forschungsgroßgeräten, der für mich als Nachwuchsgruppenleiterin in der Regel nicht einfach ist. In den USA verlief das recht unkompliziert über integrative Gerätezentren. Ich hatte einen Ansprechpartner, wurde eingearbeitet und machte meine Experimente. Die Leistung wurde uniintern abgerechnet, das war alles. In Deutschland ist das mühsamer.

Haben Sie überlegt, in den USA weiter Karriere zu machen?
Muckel: Nach einem Jahr als DAAD PRIME Fellow wollte ich noch nicht nach Deutschland zurückkehren, das hätte sich für mich nicht als Erfolg angefühlt. Ich hatte mich gerade eingelebt und hätte dann schon wieder gehen sollen. Deswegen sprach ich mit meinem Professor, der sich freute und mich dann ein zweites Jahr aus Institutsmitteln finanzierte. Es war für mich aber immer klar, dass ich nicht in den USA bleiben würde. Ich wollte dort berufliche Erfahrungen sammeln, hätte aber mein Leben in Deutschland nicht für eine Karriere in den USA zurückgelassen.

Welche Erfahrungen haben Sie mitgenommen in den Uni-Alltag nach Duisburg-Essen?
Muckel: Beeindruckend fand ich die selbstverständliche Arbeit in der Cloud. Die Studierenden haben Datensätze in der Cloud hochgeladen, der Professor hat diese online kommentiert. Das war einfacher, als Daten auszudrucken und Termine zu vereinbaren, um dann über die Daten zu diskutieren. Das versuche ich auch in meiner Arbeitsgruppe zu übernehmen. Ich will flache Hierarchien und eine offene Kommunikation in meinem Team. Dieses Miteinander ist mir wichtig. Wir treffen uns einmal pro Woche, und die Doktorandinnen und Doktoranden erzählen über ihre Fortschritte in der Forschung.

Benjamin Haerdle (7. September 2022)