Stätte europäischer Begegnungen: 20 Jahre Andrássy Universität Budapest
DAAD/Universität Andrassy
Schon das Hauptgebäude der Andrássy Universität Budapest erzählt ein Stück europäischer Geschichte.
Seit zwei Jahrzehnten steht die deutschsprachige Andrássy Universität Budapest für innereuropäische Zusammenarbeit und eine besondere akademische Kultur. Die Hochschule hat sich zu einem Leuchtturm-Projekt der Transnationalen Bildung entwickelt, das weit über Ungarn hinaus strahlt.
Bereits das Hauptgebäude der Andrássy Universität Budapest (AUB) repräsentiert ein europäische Ländergrenzen überschreitendes Verständnis: Das Palais Festetics am Pollack-Mihály-Platz wurde in den 1860er Jahren nach dem Vorbild eines gleichnamigen Wiener Gebäudes des bedeutenden ungarischen Architekten Miklós Ybl erbaut. Ursprünglich im Auftrag einer kroatischen und österreichisch-ungarischen Adelsfamilie entstanden, diente das Palais im 20. Jahrhundert unter anderem als Sitz des ungarischen Staatspräsidenten.
Seit 2003 ist hier die AUB beheimatet. Neben Hörsälen und Verwaltungsräumen finden sich in dem stattlichen Bau das Büro des Rektors und die deutschsprachige Bibliothek mit 30 modernen Arbeitsplätzen für die Studierenden. Mehr als 27.000 Bände aus den Fachbereichen Rechts-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften sowie Philosophie, Literatur, Geschichte oder Soziologie stehen zur Verfügung, hinzu kommen Datenbanken, Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Bei der stetigen Erweiterung des Bestandes wird besonderes Augenmerk auf Publikationen gelegt, die sich mit den verschiedensten Facetten der Europäischen Union beschäftigen.
Prof. Dr. Zoltán Tibor Pállinger (l.), Rektor der Andrássy Universität Budapest, im Rahmen der DAAD-Tagung „20 Jahre Transnationale Bildung“ im Mai 2022 in Berlin. Mit auf dem Podium: Dr. Helga Beste, ehemalige Vizepräsidentin der Vietnamese-German University (VGU), und Dr. Markus Wächter, Managing Director der Technischen Universität München (TUM Asia).
Europäische Perspektiven gestalten
„Die Universität wurde gegründet im Hinblick auf den EU-Beitritt von Ungarn. Sie ist ein akademisches Gemeinschaftsprojekt von Ungarn, Deutschland, Österreich und den deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg und wird auch unterstützt von der Region Südtirol. Wir sind eine ungarische, eine internationale und eine deutschsprachige Universität – alle drei Komponenten sind wichtig“, erklärt Prof. Dr. Zoltán Tibor Pállinger, der seit 2007 den Lehrstuhl für Politische Theorie und Europäische Demokratieforschung an der AUB leitet und seit 2021 das Amt des Rektors bekleidet.
Die Andrássy Universität Budapest versteht sich seit ihrer Gründung im Rahmen der sogenannten „Ulmer Erklärung“ am 22. Februar 2001 als Ideen-Hub für die zukünftige Gestaltung Europas, mit einem Schwerpunkt auf mittel- und osteuropäischen Perspektiven. Ziele der AUB sind die Ausbildung und Förderung von Fachleuten für europäische Themen sowie die Interdisziplinarität in Lehre und Forschung. Dabei geht es etwa um Projekte zum europäischen Integrationsprozess, zur Qualität von Demokratien und Wirtschaftssystemen oder zur Identitätsbildung von Nationalitäten, Kulturen und Minderheiten.
Man (und frau) spricht Deutsch
Von Beginn an ist Deutsch die Unterrichts- und Wissenschaftssprache an der AUB – der einzigen vollständig deutschsprachigen Universität jenseits des deutschen Sprachraums. Laut Rektor Prof. Dr. Pállinger ist dies keinesfalls ein Selbstzweck, sondern verweist auf das Selbstverständnis der Institution: „Deutschsprachigkeit, das bedeutet nicht nur deutsche Sprache, sondern auch eine andere akademische Kultur – wir regen unsere Studierenden an, eigenständig zu denken und kritisch zu hinterfragen. Das unterscheidet uns von der akademischen Kultur, die in Mittel- und Osteuropa vorherrscht.“
Deutschsprachige Masterstudiengänge in Politik und Diplomatie, Recht und Verwaltung, Wirtschaft und Management sowie Geschichte und Kultur, dazu ein interdisziplinäres Ph.D.-Programm: Die Andrássy Universität Budapest bietet hervorragende, mehrfach ausgezeichnete Studien- und Lehrbedingungen. So wurde die AUB unter anderem als erste Universität außerhalb Deutschlands nach deutschen Regeln akkreditiert. In Ungarn selbst gilt die Hochschule seit 2013 als „University of National Excellence“ und ist damit erst die fünfte Universität im Land, die diese Auszeichnung erhalten hat.
Modern, international, kommunikativ
In der historischen Kulisse des Universitätsgebäudes geht es heute sehr modern zu: Mit Simulationen, Exkursionen oder Fallstudien sowie interaktiven Vorlesungen und Seminaren werden wissenschaftliche Theorie und berufsbezogene Praxis miteinander verbunden. Verschiedene Stipendienmöglichkeiten und ein außerordentliches Betreuungsverhältnis – sieben Studierende auf eine Dozentin oder einen Dozenten – befördern zielorientiertes Arbeiten in kleinen Gruppen. All dies zieht ein internationales Publikum an: Derzeit sind es 250 Studierende aus bis zu 37 Herkunftsländern, die in jedem Semester an der AUB studieren. Dabei führen Ungarn, Deutschland, Österreich und Rumänien als Herkunftsländer die Statistik an, doch auch Studierende aus der Ukraine, Italien oder den USA sind vertreten.
Nicht nur für die Studierenden und das Lehrpersonal ist die AUB ein Ort der Kommunikation und des Austauschs. Rektor Pállinger betont: „Wir sind eine Begegnungsstätte in Ungarn, deren Angebote über Europa hinausreicht. Wir haben zahlreiche Besuche von Politikerinnen und Politikern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.“ So wurde die Universität 2002 unter anderem im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau offiziell eröffnet, in späteren Jahren waren etwa Guido Westerwelle als Außenminister sowie Angela Merkel als Kanzlerin zu Gast.
„Bekenntnis zur Gemeinsamkeit“: DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks auf der Tagung „20 Jahre Transnationale Bildung“ in Berlin.
Weiterhin ständig in Bewegung
Im zwanzigsten Jahr der AUB ist ihr Veranstaltungskalender weiterhin mit regelmäßigen, oft prominent besetzten Events bestückt. Workshops, Konferenzen, Panels und andere Veranstaltungen tragen immer wieder neue Impulse und Gedanken in die Universität. Sie entwickelt sich stetig weiter und bleibt sich dabei als europäisches Leuchtturm-Projekt der Transnationalen Bildung treu, wie Rektor Pállinger betont: „In Zukunft wollen wir weiterhin den Europa-Fokus stärken, und wir werden in Kürze auch einen Bachelor-Titel in Europäischen Studien anbieten, um den Forschungs- und Wissenschaftsstandort Ungarn und Budapest weiter zu stärken.“
Heute ist die Andrássy Universität Budapest bestens vernetzt in der ungarischen, europäischen und internationalen Hochschullandschaft. Davon zeugen allein 121 Partnerschaften mit Universitäten auf der ganzen Welt. Die AUB ist relevant als ein Aushängeschild der europäischen und internationalen Zusammenarbeit, wie Dr. Kai Sicks, Generalsekretär des DAAD, es in seiner Ansprache bei der Feier zum Jubiläum des Programms “Transnationale Bildung” in Berlin formulierte: „Transnationale Bildung ist kein Selbstzweck, sondern ein Bekenntnis zur Gemeinsamkeit und zur Verständigung zwischen unseren Ländern. Es ist ein Puzzlestück auf dem gemeinsamen Weg – eines von vielen. Aber es ist auf jeden Fall eines, für das sich unser Einsatz, unser Bemühen vielleicht gerade in diesen Tagen weiter lohnt.“
Daniel Giebel (14. September)