Gilman-DAAD Germany Scholarships erschließen neue Zielgruppen an US-Hochschulen
Benedikt Brisch
DAAD-Vizepräsidentin Dr. Muriel Helbig, die deutsche Botschafterin in den USA, Dr. Emily Haber, Gilman-Alumna Dr. Jamesa Stokes (v. l.) und der CEO des Institute of International Education (IIE), Dr. Allan Goodman, bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung zum Gilman Program in den USA.
Der DAAD geht in den USA neue Wege bei der Förderung von Studierenden: Seit diesem Jahr ist er Partner im Benjamin A. Gilman International Scholarship Program. Mit der Förderung von jährlich 40 Bachelor-Studierenden aus den USA stärkt der DAAD die Beteiligung bisher weniger repräsentierter gesellschaftlicher Gruppen in seinen internationalen Austauschprogrammen.
Wer sich in den USA das Auslandsstudium aus eigener Tasche nicht leisten kann, bekommt die Chance dazu durch eine Bewerbung für ein Gilman-Stipendium des U.S. Departments of State. Berechtigt dazu sind in den USA ausschließlich Pell-Grant-Empfängerinnen und -Empfänger, also Bachelorstudierende aus einkommensschwachen Haushalten, von denen viele zu ethnischen Minderheiten zählen oder als Erste ihrer Familien eine akademische Laufbahn einschlagen. Das Gilman-Programm stößt in den USA auf große Beliebtheit: Seit 2001 wurden mehr als 34.000 Studierende gefördert, von denen ein kleiner Teil auch zum Studium nach Europa gegangen ist. Der DAAD will diesen Anteil für Deutschland nun deutlich erhöhen: Gemeinsam mit dem U.S. Department of State und der US-amerikanischen Austauschorganisation Institute of International Education (IIE) hat er ein neues Stipendienprogramm ins Leben gerufen: die Gilman-DAAD Germany Scholarships. Damit werden pro Jahr bis zu 40 Stipendien in Höhe von maximal 5.000 US-Dollar an Bachelorstudierende in den USA vergeben, die in Deutschland studieren wollen. Finanzielle Unterstützung kommt vom Transatlantik-Programm der Bundesrepublik Deutschland aus Mitteln des European Recovery Program (ERP) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Die Stipendiatinnen und Stipendiaten können hierzulande Sommer- oder Winterkurse absolvieren, an ausgewählten Auslandsstudienprogrammen teilnehmen, für ein oder zwei Semester studieren oder Praktika bei Unternehmen machen.
DAAD-Vizepräsidentin Dr. Muriel Helbig: „Diversität als Türöffner.“
Fairer Zugang zu Hochschulbildung
„Die neuen Gilman-DAAD Germany Scholarships geben das deutliche Signal, dass Diversität auch in Deutschland ein wichtiges Thema ist und eben nicht nur in Strategien und Absichtserklärungen steht. Amerikanische Studierende aus nicht-privilegiertem Hintergrund können sich für einen Studienaufenthalt in Deutschland bewerben und sind an deutschen Hochschulen willkommen“, sagt DAAD-Vizepräsidentin Dr. Muriel Helbig. Sie weilte Ende November anlässlich der Unterzeichnung einer politischen Absichtserklärung hochrangiger Vertreterinnen und Vertreter der USA und Deutschlands in den Vereinigten Staaten, um so über das Gilman-Programm den transatlantischen Austausch junger Studierender zu intensivieren. „Bei unseren Gesprächen mit Hochschulen, Wissenschaftseinrichtungen und Partnern in den USA wurde deutlich: Das Thema Diversität ist ein Türöffner“, sagte sie. In den USA werde seit längerem intensiv über den fairen Zugang zu Hochschulbildung diskutiert, und neue Ansätze dazu würden entwickelt. „Daher stößt es auf sehr großes Interesse, dass die Bundesrepublik mit dem neuen Stipendium zu einem Studien- oder Praktikumsaufenthalt nach Deutschland einlädt.“
Luis Rodriguez aus den USA studiert an der TU Darmstadt und zieht eine positive Bilanz.
Einer dieser Studierenden ist Luis Rodriguez von der University of Rhode Island. Er hat das erste Mal überhaupt die USA verlassen und bleibt bis Ende September 2023 an der TU Darmstadt, wo er Ingenieurwissenschaften studiert und Deutschkurse belegt. „Bis jetzt war es fantastisch, und es hat mir wirklich Spaß gemacht“, zieht er eine erste Bilanz. Luis Rodriguez arbeitet nebenher auch in einem Forschungsprojekt mit und wird nach dem Wintersemester ein Praktikum bei Siemens Healthineers im Bereich der Computertomografie beginnen. Die Wahl seines Ziellandes hat er sich gut überlegt: „Deutschland hat einen sehr guten Ruf in den Ingenieurwissenschaften. Ich glaube, dass die Erfahrungen, die ich hier mache, meine Fähigkeiten bei der Problemlösung und in meinem Fachgebiet verbessern werden“, sagt er. Zudem sei es wichtig, unterschiedliche Perspektiven zu erlangen und andere Kulturen zu erleben.
Von San Francisco nach Fulda: US-Student Paolo Privitelli.
Studium und Praktikum in Deutschland
Für die Hochschule Fulda hat sich Paolo Privitelli, Student der San Francisco State University, entschieden. Seit Anfang September studiert der 27-Jährige Soziale Arbeit an der hessischen Hochschule. Das Stipendium war für ihn ideal, denn so konnte er beides miteinander verbinden: das Studium und ein Praktikum, das er an seiner Heimatuniversität vorweisen muss. Die Voraussetzungen hierfür erfüllt die Hochschule Fulda, wo er am Fachbereich Soziale Arbeit englischsprachige Kurse etwa zu interkulturellen Kompetenzen in der Sozialarbeit oder zum Thema Demokratie und Partizipation in der EU-Politik besucht. Parallel dazu macht er ein Praktikum in einem Jugendzentrum und arbeitet dort mit Kindern und Jugendlichen, die zumeist einen Migrationshintergrund haben. „Für die Kids ist es wichtig, dass ich als Native Speaker mit ihnen Englisch spreche. Zudem werden hier meine Deutschkenntnisse auf eine gute Probe gestellt, ich lerne sprachlich viel dazu“, sagt er. Den Schritt ins Ausland hat er nicht bereut: „Die Gastfreundschaft ist toll“, so Privitelli. Ohne das Gilman-DAAD-Stipendium hätte er sich den Schritt ins Ausland wahrscheinlich nicht leisten können. „Es wäre sehr schwer für mich gewesen, den Auslandsaufenthalt zu finanzieren“, erklärt er.
Die Vorzüge des Stipendiums betont auch Harrison Quinn von der Bucknell University. Er war im Sommer dieses Jahres für einige Monate an der Universität Trier und belegte dort unter anderem Kurse zu deutscher Literatur und zur Geschichte der deutschen Filmlandschaft sowie Deutschsprachkurse. „Das Gilman-DAAD-Stipendium hat mir geholfen, meine erste Reise und mein erstes Studium außerhalb der USA zu finanzieren. Angesichts des vollen Lehrplans und meiner begrenzten finanziellen Mittel ging ich eigentlich davon aus, nicht vor meinem ersten Abschluss ins Ausland gehen zu können“, sagt Quinn. Er habe nie gedacht, dass er in Deutschland studieren und ein Praktikum bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz absolvieren würde.
Zufrieden mit dem Programmstart: Gabriele Knieps, Referatsleiterin „Stipendienprogramme Nordamerika“ im DAAD.
Interessant für HAW
Gabriele Knieps,Leiterin des Referats „Stipendienprogramme Nordamerika“ im DAAD, ist mit dem Start des neuen Programms vollauf zufrieden. „Für uns ist das Programm Neuland, weil wir damit neue Zielgruppen an den US-amerikanischen Hochschulen erreichen“, sagt sie. Interessant seien die Gilman-DAAD Germany Scholarships insbesondere für die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). „Die US-Studierenden sind stark an einem anwendungsbezogenen Studium interessiert, sodass sich darüber für viele HAW gute Anknüpfungspunkte für Kontakte mit US-Hochschulen ergeben könnten“, so Knieps. Kontakte, aus denen sich später möglicherweise längerfristige Hochschulkooperationen entwickeln werden.
Welche Dynamik das Gilman-DAAD-Stipendium für die Karriere entfalten kann, zeigt das Beispiel der Gilman-Alumna Dr. Jamesa Stokes. Die Physikstudentin der Auburn University in Alabama kam vor einigen Jahren für ein Semester an die Hochschule Reutlingen, studierte Textiltechnologie und -management und knüpfte Kontakte zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Über das DLR gelang es ihr, mit der US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft NASA Projekte in der Materialforschung zu starten. Mittlerweile arbeitet sie dort als Ingenieurin und entwickelt Raumfahrtanzüge – ein Karriereweg, der anderen Gilman-Stipendiatinnen und -Stipendiaten als Vorbild dienen könnte.
Benjamin Haerdle (15. Dezember 2022)