Zufälliger Einstieg, schneller Aufstieg

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2010 kam Tobias Beilicke an das Institut Français de Mécanique Avancée in Clermont-Ferrand

Teil eins der Porträt-Serie des DAAD-Online-Magazins zu den Karrierewegen dreier Frankreich-Lektoren: Tobias Beilicke zog es zunächst nach Belgien, sein berufliches Glück fand er aber in Frankreich. In Clermont-Ferrand pflegt der sprachlich außerordentlich vielseitige 30-Jährige internationale Beziehungen an einer Ingenieurhochschule.

Mancher wird Frankreich-Lektor aus Passion – und mancher aus Zufall. Wie Tobias Beilicke etwa. Er wollte eigentlich nach Belgien und landete am Institut Français de Mécanique Avancée (IFMA) in Clermont-Ferrand. Das war 2010. „Ich weiß nicht, warum mich die Auswahlkommission des DAAD hierher geschickt hat“, bekennt Beilicke. Er hadert jedoch keineswegs mit seinem Schicksal, im Gegenteil: „Ich bin dankbar, dass es so gekommen ist.“

Denn am IFMA gelang dem heute 30-jährigen eine berufliche Karriere, die ebenso steil wie ungewöhnlich ist. Während mancher Lektor mit bangem Blick dem Ende seiner Tätigkeit entgegensieht und sich fragt, wie es danach weitergeht, wechselt Beilicke vorzeitig in ein festes Arbeitsverhältnis. Ab dem 1. September 2014 übernimmt er die Leitung des International Office der Ecole Nationale Supérieure de Chimie de Clermont-Ferrand (ENSCCF). Ab dann nämlich beginnt der Fusionsprozess beider Hochschulen, den Beilicke maßgeblich mitgestalten wird. Ergebnis wird am 1. Januar 2016 eine größere Hochschule sein, die voraussichtlich den Namen „Ecole des Mines de Clermont-Ferrand“ trägt.

Weiter Wirkungskreis

Das neue Arbeitsfeld ist für den gebürtigen Thüringer allerdings so neu nicht: Schon am IFMA hat Beilicke seinen Wirkungskreis weit über die üblichen Verpflichtungen eines Lektors hinaus erweitert. Als „International Relations Officer“ ist er für eine Vielzahl von strategischen Partnerschaften und diverse Marketingaufgaben zuständig. „Ich bin so ein bisschen Mädchen für alles“ – umreißt er – stark untertreibend, sein Arbeitsfeld. Zu dem gehört zum Beispiel die Entwicklung von Doppelabschlussprogrammen oder von Austauschprogrammen mit Brasilien, Argentinien, Mexiko und Chile für Studierende auf Masterniveau. Brasilien sei im Moment ein „Fokusland“, meint Beilicke. Zurzeit erarbeitet er Programme mit den brasilianischen Bundesuniversitäten Rio de Janeiro (UFRJ) und Uberlândia (UFU). Wichtiger Partner dabei in Clermont-Ferrand: der Reifenkonzern Michelin. Außerdem ist Beilicke Erasmus-Beauftragter des IFMA, Regionalverantwortlicher für die deutsch- und portugiesischsprachigen Länder sowie Skandinavien, die Niederlande und die Türkei, er vertritt die Hochschule bei Firmen und Universitäten in Europa und Lateinamerika, koordiniert Partnerschaften mit der Industrie und leitet die Sprachabteilung des IFMA.

Vielsprachiger Background

Bei all dieser multinationalen Umtriebigkeit hat Tobias Beilicke Deutschland nicht aus dem Blick verloren. Partnerschaften mit Fraunhofer-Instituten oder Unternehmen wie dem Kugellager-Spezialisten Schäffler werden sorgsam gepflegt. Werbung für Deutschland sei bei Maschinenbau-Ingenieuren nicht mehr nötig: „Deutschland steht für Qualität – das wissen alle“. Das IFMA mit 595 Studierenden unterhält 71 Uni-Partnerschaften weltweit, 9 davon in Deutschland. Ein wichtiger Faktor für Beilickes „Standing“ am IFMA: Sprachkenntnisse. Englisch, Französisch und Portugiesisch spricht er fließend, im Niederländischen, Schwedischen und Spanischen schlägt er sich gut. Wenn es sein muss, kann er auf Grundkenntnisse im Koreanischen zurückgreifen. Dieser vielsprachige Background war es auch, mit dem er sich gegenüber französischen Mitbewerbern durchsetzte: „Ich spreche eben mehr Sprachen als der Normalfranzose“. Der Umgang mit Ingenieuren war ihm, der in Leipzig Deutsch als Fremdsprache und Portugiesisch studiert hat, nicht gerade in die Wiege gelegt: „Ich stehe heute noch manchmal ratlos vor meinem Sicherungskasten.“

Vertreter des neuen Lektorentypus

Beilicke wirkt wie ein Vertreter des neuen Lektorentypus. Dem klassischen Lektor war das Gastland die Erfüllung seiner Träume. Dem Lektor der „Nouvelle Génération“ ist es eine Option unter mehreren, und mental ist er sowieso auf mehreren Kontinenten zuhause. Was nicht bedeutet, dass sich Tobias Beilicke in der „superschönen und lebendigen Stadt“ Clermont-Ferrand nicht wohl fühlt. Zwar bleibt für Freizeitaktivitäten nicht viel Zeit, aber für ausgiebige Jogging-Touren reicht es. Und dafür, sich über Wohl und Weh des Rugby-Vereins ASM Clermont Auvergne auf dem Laufenden zu halten: „Sonst kann man ganz schlecht mit Kollegen reden.“ ASM gelte im französischen Rugby als „der ewige Zweite“. Am 1. Januar 2016 wird Beilicke wieder „Zweiter“, nämlich Stellvertretender Leiter des dann gewachsenen International Office der neuen „Ecole des Mines“. Aber ewiger Zweiter wird er gewiss nicht werden.

Mathias Nofze (1. Mai 2014)

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