Effektives Krisenmanagement
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Der Lockdown im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellt für das Krisenmanagement des DAAD eine neue Dimension dar.
Die Corona-Pandemie fordert auch den DAAD heraus – er reagiert mit Flexibilität und unterstützt die Geförderten so, ihre Ziele zu erreichen.
Der DAAD ist eine weltweit agierende Organisation, die auf Krisen immer vorbereitet sein muss. Rund 145.000 Studierende und Hochschulabsolventinnen und -absolventen sind in seinen Förderprogrammen jährlich auf der ganzen Welt unterwegs, darunter auch viele Deutsche in mitunter instabilen Regionen. Klimawandelbedingte Naturkatastrophen, politische Umstürze, ökonomische Notlagen – sobald die Sicherheit der Geförderten und Auslandsbüros nicht mehr gewährleistet werden kann, müssen schnell Maßnahmen ergriffen werden. „Es geht dann natürlich um die Sicherheit der Stipendiatinnen und Stipendiaten, die eventuelle Organisation von Rückholmaßnahmen, aber auch um die Frage, wann und wie die Studien und Projekte wiederaufgenommen werden können“, so Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des DAAD.
DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland als Krisenmanagerin, hier bei der Übergabe einer Hilfsleistung einer DAAD-Alumna aus Vietnam: „Es geht um die Sicherheit der Stipendiatinnen und Stipendiaten, die Organisation von Rückholmaßnahmen, aber auch um die Frage, wann und wie die Studien und Projekte wieder aufgenommen werden können.“
Geförderte weltweit betroffen
Trotzdem stellte der Ausbruch der Corona-Pandemie den DAAD vor eine extreme Herausforderung. Mitte März sprach das Auswärtige Amt eine weltweite Reisewarnung aus. „Plötzlich waren wir mit einer Situation konfrontiert, die potenziell die Sicherheit und Gesundheit sämtlicher Geförderten weltweit betrifft. In diesem globalen Ausmaß war das natürlich eine vollkommen neue Dimension für uns“, sagt Dr. Birgit Klüsener, Direktorin der Abteilung Stipendien im DAAD. Ganz abgesehen davon, dass der DAAD seine Arbeit in der Organisation auch massiv auf die Pandemie einstellen musste. „Wir mussten ja mehr oder weniger von heute auf morgen für die Mehrheit unserer mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Home-Office umstellen.“
Schnell hat die Geschäftsleitung einen Krisenstab eingesetzt, eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe, die sich jeden Morgen im Rahmen einer Videokonferenz über die aktuelle Lage austauscht und Handlungsempfehlungen für das Direktorium erarbeitet. „Zunächst war die Lagefeststellung und -beurteilung eine große Herausforderung“, erklärt Dr. Frens Stöckel, der als DAAD-Krisenbeauftragter die Leitung des Krisenstabs übernahm. „Es ging darum, bloße Informationen von relevanten Fakten zu unterscheiden, die Dimension zu begreifen und daraus Konsequenzen für unser Außennetzwerk, die Geförderten und wenig später für die gesamte Zentrale abzuleiten. Besonders wichtig war es, einen Fahrplan zu entwickeln, wie wir konkret mit den vielen potenziellen Einzelfällen unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten umgehen.“ Anders als für DAAD-Angehörige im Ausland, für die Vorgaben durch den Krisenstufenplan des Auswärtigen Amtes vorliegen, falle der Umgang mit Geförderten in länderübergreifenden Krisensituationen in den Bereich anspruchsvollerer Einzelfallprüfungen, so Stöckel.
Die Coronakrise ist für die DAAD-Mitarbeiter Dr. Birgit Klüsener, Direktorin der Abteilung Stipendien, und den Krisenbeauftragten Dr. Frens Stöckel eine extreme Herausforderung.
Antworten finden auf viele offene Fragen
Konkret geklärt werden mussten Fragen wie: Bei welchen Ländern und mit welchem Nachdruck fordert der DAAD seine Stipendiatinnen und Stipendiaten zur Rückreise auf? Sollte die Rückkehr Bedingung für die Weiterführung des Stipendiums sein? Kann und darf ein Studium oder Projekt auch digital fortgesetzt werden? „Hier sind wir in den meisten Punkten wirklich sehr schnell zu einer guten Lösung gekommen“, erklärt Dr. Birgit Klüsener. „Auf der einen Seite wollten wir die Geförderten natürlich genauestens über die Risiken informieren, es ihnen auf der anderen Seite aber freistellen, ob sie eine Rückreise antreten.“ Lediglich für einige wenige Länder wurde eine Ausreiseaufforderung ausgesprochen. Ein Aussetzen der Zahlungen war spätestens dann vom Tisch, als sich abzeichnete, dass selbst Ausreisewilligen bisweilen keine Rückkehr mehr möglich war oder die Reise selbst zum Risiko wurde. „Stellen Sie sich vor, ein Geförderter muss eine nicht mehr sichere Reiseroute nehmen und strandet dabei eventuell sogar in einem Drittland.“
So kam es, dass sich nur etwa 65 Prozent der geförderten Deutschen zur Rückreise entschieden, für 40 Prozent der Stipendiatinnen und Stipendiaten fiel die Entscheidung auf eine Fortsetzung des Projektes oder Studiums im Gastland. „Das betrifft vor allem unsere Langzeitgeförderten, deren Lebensmittelpunkt eventuell sogar im Ausland ist und die damit eine besondere Motivation haben, zu bleiben“, sagt DAAD Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei ausländischen Geförderten in Deutschland. Hier entschieden sich sogar etwa drei Viertel gegen eine Rückreise in ihre Herkunftsländer. „Dazu gehörten viele Studierende aus Schwellen- und Entwicklungsländern“, sagt Dr. Dorothea Rüland, „aber durchaus auch junge Menschen aus den USA, die sich offensichtlich in unserem Gesundheitssystem besser aufgehoben fühlen.“
Flexible Lösungen
Nach einer sehr arbeitsintensiven Phase sei die Lage seit Ende April etwas übersichtlicher, so Rüland. Was auch daran liege, dass der DAAD für die Weiterführung der Projekte und Studien sehr flexible Lösungen gefunden habe. „Das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben hier als unsere Hauptgeldgeber wirklich sehr schnell und gut reagiert.“ So wurde es in einigen Fällen ermöglicht, projektgebundene Budgets für Reisen in den Aufbau digitaler Infrastrukturen fließen zu lassen, um die Weiterführung der Forschungsvorhaben zu gewährleisten. Diejenigen, deren Förderung ausläuft, die aber nicht an ihren Heimatort zurückkehren können, werden monatsweise weiter unterstützt.
Eine entscheidende Rolle in der aktuellen Situation spielen für Rüland die Hochschulen. Erst durch die Umstellung auf digitale Formate, die in Deutschland vielfach schnell gelang, können Studien und Projekte unter den voraussichtlich noch viele Monate bestehenden physischen Kontaktbeschränkungen fortgeführt werden. „Das war für uns ein ganz wichtiger Punkt: Egal, wie lange die Krise noch dauert – jeder sollte das Ziel erreichen, das er oder sie sich vorgenommen hat.“
Internationalisierung der Forschung wichtiger denn je
Im mittel- und längerfristigen Umgang mit der Pandemie ist für DAAD-Generalsekretärin Rüland ein Punkt zentral: „Uns muss bewusst sein, dass wir es hier mit einem Dilemma zu tun haben. Natürlich kann man mit gutem Grund eine zunehmende Globalisierung kritisieren, die die Pandemie in der aktuellen Form überhaupt erst möglich gemacht hat. Gleichzeitig werden wir das Phänomen Covid-19 auch nur durch internationale Zusammenarbeit in den Griff bekommen, die wiederum ohne die Globalisierung in ihrer heutigen Vernetzung und Effizienz nicht denkbar wäre.“ Die Internationalisierung von Forschung, eine der Kernmissionen des DAAD, ist gerade durch die Pandemie wichtiger denn je. Auch wenn die Krise zeigt, wie wichtig es ist, ebenfalls auf digitale Vernetzung zu setzen.
Klaus Lüber, FAZIT Communication (14. Mai 2020)